Nach einem Jahr geht die Partei nicht etwa gegen den Bürgerblock in die Offensive, sondern weiter nach rechts, während das Spitzenpersonal hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Statement der Funke-Redaktion.

 Das Hick-Hack um den Parteivorsitz zeigt das exemplarisch auf. Auf der einen Seite steht der „linksliberale“ Christian Kern, der sich entschieden hat, einen EU-Posten anzustreben und hinter diese persönlichen Karrierewünsche jegliche Überlegung zurückstellt, was für die Partei, den Kampf gegen die Regierungskoalition oder (Gott behüte!) gar den Klassenkampf notwendig wäre. Doch damit geht Kern lediglich so, wie er gekommen ist – als ein fähiger bürgerlicher Karrierist, zufällig in der Sozialdemokratie gelandet, der eine gute Karrierechance erkennt, wenn er sie sieht. Er rechnet sich Chancen aus, als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokratie bei den kommenden EU-Wahlen ins Rennen gehen zu können – und sich so für einen Spitzenposten bei der Neuordnung der EU-Führung zu bewerben.

Auf der anderen Seite steht die offensichtlich in Wien–Burgenland verankerte „rechte“ Clique in der SPÖ, die selbst Kerns Abgang in eigenes politisches Kleingeld münzt. Leaks an die Medien werden routiniert für den innerparteilichen Kampf genutzt, um Kern unter Zugzwang zu setzen und damit in den Kampf um seine Nachfolge einzugreifen – das alles an dem Tag, an dem der ÖGB den heißen Herbst ankündigt. Nachdem die eigene Kandidatin für die Nachfolge von Kern, Doris Bures aber abgewunken hatte, beschloss das burgenländische Parteipräsidium in einer 180°-Wende als Erstes eine Nominierung von Rendi-Wagner. Es gilt die gleiche Beobachtung wie oben: das einzige Interesse, das zählt, ist das eigene Fortkommen.

Und auch nach dieser „Einigung“ kehrt keine Ruhe ein: So wird in der SPÖ-Spitze erörtert, ob nun ein Anzug oder eine Lederhose den besseren Parteisekretär macht. Es ist bezeichnend, dass die Spitze der SPÖ Steiermark gerade, wenn es um den „eigenen Mann“ Max Lercher geht (der als Bundesgeschäftsführer abgesägt wurde) die „Volksnähe“ wiederentdeckt. Nur wenige Wochen zuvor hatten alle anwesenden SPÖ-Abgeordnete im steierischen Landtag dagegen kein Problem damit, zur Sicherung der Koalition mit der ÖVP in der Steiermark gegen eine Ablehnung des 12-Stunden-Tages zu stimmen. Auch die Positionierung der neuen Vorsitzenden Rendi-Wagner verspricht hier „more of the same“ (Siehe Editorial). Zu all dem gibt es für uns nur eines zu sagen: Diese „GenossInnen“ wären allesamt besser in der ÖVP aufgehoben.

Die Inhaltsleere und Prinzipienlosigkeit der Partei bringt der Ex-Linke Josef Cap auf den Punkt. Er argumentiert „für die Rettung der sozialen und liberalen Tradition in Europa“, und im gleichen Atemzug für das „Hinterfragen der Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU“. Damit erreicht der Leiter der Parteiakademie die Höchstpunktzahl an Inkonsistenz: historisch bestand die Aufgabe der Arbeiterbewegung eben gerade darin, sich von den Bürgerlich-Liberalen ideologisch, politisch und organisatorisch loszureißen. Und wenn man dies heute für einen Fehler hält, so ist zumindest schleierhaft, was an der Wiedererrichtung von Grenzen für Arbeiter (nicht fürs Kapital!) in Europa liberal sein sollte. Anything goes, Hauptsache man mobilisiert punktuell irgendeine Art von Wahlunterstützung!

Der Beschluss des Migrationspapiers fasst das zusammen. Das „Kompromisspapier“ zwischen „linken und rechten“ ist voll mit durch und durch reaktionären, teilweise lupenrein neokolonialistischen Vorschlägen: etwa dass Staaten in Nordafrika „unbewohntes Land“ zur Verfügung stellen sollen, um darauf „Verfahrenszentren“ für Flüchtlinge zu bauen; die „Maximale Dauer eines Asylverfahrens auf 3 Monate begrenzen. Wer keinen Asylgrund hat, darf nicht bleiben“; oder Worthülsen wie „Integration vor Zuzug“, die nichts anderes sind, als eine völlige Kapitulation vor dem grassierenden Rassismus.

Die Linksliberalen in der Partei einigten sich mit den Rechten auf eine Kapitulation vor dem Rassismus – Nachdem beide ideologisch am Rockzipfel des Bürgertums hängen, das im Moment den Rassismus als wichtigste Ideologie sieht, um die Arbeiterklasse zu spalten, war das Endergebnis vorherbestimmt. Die wenigen Linken hielten im Parteivorstand (und danach) völlig still, lediglich für Enthaltungen der roten Jugendorganisationen, allen voran der SJ-Vorsitzenden Julia Herr, hat es gereicht. Ein öffentlicher Aufschrei blieb völlig aus.

Der Grund für diesen prinzipienlosen Amok-Kurs der SPÖ liegt im Todeskampf des Reformismus ohne Reformen, der die Partei seit Jahrzehnten prägt, und sich seit der Krise 2008 zuspitzt. Der wirkliche Widerspruch innerhalb der Parteibürokratie ist nicht zwischen „links“ und „rechts“. Er liegt begraben im eigenen Anspruch des politischen Spitzenpersonals, das gesellschaftliche Bindeglied zwischen Kapital und Arbeit zu sein (die Logik von Sozialpartnerschaft und Koalitionsregierungen, verbunden mit saftigen Posten), wobei der Kapitalismus und dessen systemischen Bedürfnisse vollständig als „Sachzwänge“ anerkannt werden.

Das tritt in dauernden Widerspruch mit der Wirklichkeit eines Kapitalismus in der Krise, der keine substanzielle Reformen an der Regierung erlaubt, sondern sogar Kürzungen und Bankenrettungen verlangt hat, was zu einer ständigen Erosion der Wahlunterstützung geführt hat und weiter führt. Das alles bedeutet in letzter Instanz eine Unterordnung unter die Ideologie des Kapitals, bei einem gleichzeitig immer härteren „Verteilungskampf“ von verschiedenen bürokratischen Cliquen, unterschiedslos, ob man auf Bundesebene in der Regierung oder der Opposition ist. Der einzige Weg vorwärts in dieser Situation für die Arbeiterbewegung ist ein klarer Bruch mit dieser gesamten Logik der Alternativlosigkeit und den sie repräsentierenden Führungscliquen.

Erstmals veröffentlicht am 5.10.2018 im Funke Nr. 167


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