Mehr als 500 Menschen arbeiten in den knapp 75 Shops des Wiener Einkaufszentrums. Eine dort beschäftigte Funke-Unterstützerin hat uns zu einem Lokalaugenschein eingeladen.

In den meisten Geschäften ist heute nicht viel los. Es ist der erste Freitag seit dem Beginn der neuen Lockdown-Regelungen und insbesondere die kleineren Läden sind recht leer. Einige MitarbeiterInnen können sich daher die Zeit nehmen, um ein paar Worte mit uns zu wechseln. Wir erfahren, dass es bis zur Ankündigung der Corona-Maßnahmen nicht so gemütlich war wie heute. In einigen Läden gab es nach dem ersten Lockdown Einsparungen beim Personal – bei oft derselben Arbeitslast. Durch die Kurzarbeit sind alle angesparten Urlaubstage aufgebraucht.

Dieser Personalmangel hinterlässt seine Spuren. Einige Shops werden überhaupt nur von einer einzigen Person betreut, die alleine auf der Verkaufsfläche steht. Wenn viel los ist, ist es unmöglich, die gesetzlich garantierten Ruhepausen einzuhalten. Ein Optiker, der die Rollos von seinem Shop herunterließ, um seine Mittagspause in Ruhe machen zu können, wurde dafür vom Center-Manager zur Sau gemacht.

Bei den größeren Läden ist in einigen Geschäften was los. Eine Arbeiterin an der Kassa eines Modegeschäfts ärgert sich, dass sich viele KundInnen nicht sorgfältig an die Maskenpflicht halten. Sie ist in der Risikogruppe, will aber trotzdem in die Arbeit kommen – Unterstützung von der Geschäftsführung gibt es wenig. In der benachbarten Parfümerie hören wir ähnliches. Hier probieren Kunden in Zeiten eines höchst ansteckenden Virus Lippenstifte aus, obwohl sie ausdrücklich von den Angestellten davon abgehalten werden.

Doch oft blocken MitarbeiterInnen ab, wenn wir mit ihnen reden wollen. In einer anderen Kaufhauskette fragten wir eine Kollegin im ersten Stock, ob sie uns aus ihrem Arbeitsalltag in der Pandemie erzählen möchte. Sofort weist sie uns ab, und schickt uns zur Filialleiterin, die uns wiederum an die firmeneigene Homepage verwies. Dort würden wir alles finden, was wir brauchen.

Wir versuchten unser Glück bei einer anderen Mitarbeiterin im Erdgeschoß, doch diese war bereits durch ihr Headset, mit dem alle KollegInnen ständig vernetzt sind, über die Situation im Bilde. „Darüber darf ich leider keine Auskunft geben, unsere Teamleiterin hat Ihnen ja gerade schon mitgeteilt, dass Sie auf der Homepage nachschauen sollen.“ Zum Personaldruck kommt in diesem Geschäft noch die ständige Überwachung durch den Arbeitgeber. Wir erfuhren ebenfalls, dass die Filialleitung einer dort angestellten jungen Mutter offensichtlich falsche Aussagen über die Regelungen der Karenzzeiten gibt.

Im Interspar erwischten wir den sichtlich gestressten Betriebsrat an der Kassa. Er berichtete uns, während er Kisten schlichtete, über seine Versuche, die KollegInnen zu organisieren. Letztes Jahr versuchte er die 130 MitarbeiterInnen für eine Protestkundgebung vor dem Center zu mobilisieren, aber alleine kommt er nicht gegen den Druck des Managements an. Die meisten haben Angst, ihren Job zu verlieren, sagt er. Gekommen sind schlussendlich nur 4. Auf die Frage, ob er keine Unterstützung von der Gewerkschaft bekommt, zuckt er nur mit den Achseln. Seit Kurz Bundeskanzler ist, gäbe es auch von der Gewerkschaft nicht mehr viel zu hören. Er wirkt resigniert.

Als Betriebsrat im Einkaufszentrum sticht er hervor, in vielen Betrieben gibt es gar keinen. Auch in großen Läden wie Müller, Media Markt, Deichmann: Fehlanzeige. Eine Mitarbeiterin berichtete uns, dass es vorkam, das KollegInnen gekündigt wurden, als sie sich für einen Betriebsrat engagierten.

Trotzdem lassen sich die KollegInnen nicht alles gefallen. Das Center-Management will am 7.12. die Center-Öffnungszeiten bis 21:00 verlängern, obwohl am darauffolgenden Feiertag ohnehin geöffnet sein soll. Bei vielen in der Belegschaft stößt das auf Unverständnis. Dass die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen in den Erwägungen des Managers nicht die oberste Priorität haben zeigt unter anderem die Tatsache, dass ihm nicht einmal aufgefallen ist, dass das Center nach 20:00 mit den Öffis nur noch schwer zu erreichen ist.

Die Genossin, die uns heute an ihren Arbeitsplatz eingeladen hat, startete deswegen eine Petition für eine Kürzung der Öffnungszeiten am 7. Dezember. Schon nach einer Woche konnten über 100 Unterschriften aus 36 Shops gesammelt werden. Die Unterschriftensammlung verläuft aber nicht nur problemlos. KollegInnen berichteten uns, dass ihre Geschäftsführung ihnen erzählt, dass sie die Petition nicht unterschreiben dürfen.

Der Center-Manager gibt sich bockig. Er könne da sowieso nichts machen, das sei die Sache der Eigentümer des Einkaufszentrums. Wir zweifeln daran, dass er die Wünsche der Belegschaft gegenüber den Eigentümern so energisch vertreten wird, wie umgekehrt.

Von Willy Hämmerle &
Tina Eminova

(Funke Nr. 188/11.11.2020)


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