Ein Jahr Pandemie, Chaos, Ineffizienz und Krise. Jetzt versuchen die Kapitalisten wieder, in die Offensive zu gehen. Was sie sich dabei vorstellen, beschreibt Yola Kipcak.
Vor einigen Jahren war den Kapitalisten die Richtung ganz klar: Die Krise 2008 hatte bedeutet, dass die Bürgerlichen die Sozialdemokratie wieder in die Regierung einbanden. Das sollte den sozialen Frieden für die vielen Bankenrettungen sicherstellen. Doch bald wollte man „die Roten“ wieder loswerden, die lästige Sozialstandards erhalten wollten, um aus Sicht des Kapitals notwendige „Strukturreformen“ anzugehen. Heißt: Die Ausbeutung und die Profite erhöhen.
Das schwarz-blaue Bürgerblock-Projekt wurde geplant. Die Machtübernahme Kurz‘ als treuer Vertreter der Raiffeisenbank, der Industriellenvereinigung und auch von Glücksspielkonzernen, wurde orchestriert. Das ging so weit, dass das erste schwarz-blaue Regierungsprogramm teilweise mit Rechtschreibfehlern von der Wunschliste der Industriellenvereinigung abgeschrieben wurde. 12-Stundentag und Kontrolle über die Krankenversicherung waren wesentliche Punkte. Die Pensionen wollte man auch angehen – doch dann wurde die ÖVP-FPÖ Koalition gesprengt. Und bevor man sich unter türkis-grün als Regierung der Kapitalisten neu konstituieren konnte, kam schon die Pandemie.
Langfristige Pläne wurden über den Haufen geworfen. Entgegen des ewigen Mantras „sparen, sparen, sparen“, das davor die Politik prägte, gilt es jetzt, die Profite der Kapitalisten zu retten, koste es was es wolle. Dafür werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt. Harte Angriffe auf die Arbeiterklasse wurden zunächst ausgesetzt – eine zusätzliche Destabilisierung der Situation will man nicht riskieren – doch sie wurden nur auf Eis gelegt. „Es wäre falsch, sich jetzt in dieser Phase [über ein Sparpaket] ernsthaft Gedanken zu machen. Jetzt geht es darum, aus der Krise herauszukommen“, sagte etwa der neue Arbeitsminister Kocher am 14. Jänner, und kündigt an: „Nach der Krise müssen wir sicher über das Gesamtsystem diskutieren“(trend.at), sprich: Angriffe wieder anrollen lassen.
In der Gestaltung der Wirtschaftshilfen wird indes auch jetzt penibel darauf geachtet, keine Zugeständnisse an die Arbeiterklasse zu machen und die Abwälzung der Krise auf die Massen so gut wie möglich sicherzustellen. Erhöhung des Arbeitslosengeldes? Nein. „Aktion 20.000 bzw. 40.000“ zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit? Nein. Rettung aller Arbeitsplätze bei MAN? Sicherlich nicht. Statt höhere Löhne für Pflegepersonal, wo neben massivem Arbeitsdruck auch großer Personalmangel herrscht, sollen stattdessen ausländische Pflegekräfte mit Sonderverträgen ins Land geholt werden.
Die letzten Monate der permanenten Unfähigkeit der türkis-grünen Regierung in Fragen der Pandemiebekämpfung, schließlich die Kaskade an Skandalen und Rücktritten, haben die Geduld der Kapitalisten mit ihrer Regierung auf die Probe gestellt. Doch nun versuchen sie wieder in die Offensive zu gehen.
In der ORF-Pressestunde vom 17.4. erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, was er sich von „seiner“ Regierung erwartet: Im globalen Konkurrenzkampf soll „ein starker Staat“ mit öffentlichen Geldern dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich besonders profitabel gemacht wird, das heißt die Ausbeutung der Arbeiterklasse erhöht wird. „Wettbewerbsfähigkeit ist all unser Lebenselixier“, sagt Knill. Die Regierung reagiert auch prompt: Der Topf für die Investitionsprämie, die 7% bzw. 14% (wenn „ökologisch“) Zuschüsse für Unternehmensinvestitionen garantiert, wurde von 3 auf 5 Mrd. € erhöht.
Doch Knills Wunschliste ist lang. Die 3,5 Mrd. €, die Österreich von EU-Fördergeldern zustehen, will er in der Industrie sehen (insbesondere Wasserstoffautos sind ein Herzensthema) – und jetzt zentraler Eckpunkt im PR-mäßig angekündigten „Comebackplan“ von Türkis-Grün. Die Körperschaftssteuer – eine Steuer auf die Gewinne großer Unternehmen – soll von 25% auf 21% gesenkt werden. Lohnnebenkosten will Knill drücken. Konkret möchte er u.a., dass Betriebe, die Langzeitarbeitslose einstellen, für 2 Jahre 100% der Sozialversicherungskosten für diese vom Staat ersetzt bekommen. Die „ökosoziale Steuerreform“, wie sie die Regierung für den Herbst angekündigt hat, soll die Industrie mit keinem Cent belasten. Im Gegenteil: „Die Klimaziele brauchen natürlich eine massive Unterstützung der öffentlichen Hand, im Sinne von (…) vor allem finanzieller Unterstützung.“
Auf die Frage, wer diese ganzen Geschenke für Unternehmen zahlen soll, behauptet er: „In den nächsten 8 Jahren wird diese Krise durch Wachstum zurückverdient. Das reicht.“ Eine Aussage, die selbstverständlich völlig unseriös und rein propagandistisch ist.
Die Kapitalistenklasse hat also ihr Wort gesprochen und will jetzt ihre in Skandalen versunkene ÖVP aus dem Schlamm ziehen, damit sie die Wunschliste umsetzt.
Allein, ob ihr Plan so reibungslos über die Bühne gehen wird, ist alles andere als sicher. Denn die Pandemie ist nicht vorbei, die Wirtschaftskrise bei weitem nicht überstanden; ein mögliches Wachstum nach dem Ende der Lockdowns wird in der tiefen Krise des Kapitalismus keine anhaltende Dynamik auslösen; die Schulden türmen sich – und auch die Arbeiterklasse wird noch ein Wörtchen mitzureden haben, wenn versucht wird, die Krisenlast mit voller Wucht auf ihre Schultern zu laden.
Für uns gilt daher: Kein Vertrauen in die gesamte Regierung, einschließlich ihrer „Experten“. Wir müssen und auf unseren eigenen Klassenstandpunkt stellen – das Kapital steht fest auf dem seinigen.
(Funke Nr. 193/22.4.2021)