In der SPÖ ist der Kampf um die Parteiführung voll entbrannt. Bei einer Mitgliederbefragung soll die Entscheidung fallen. Konstantin Korn analysiert die Lage in der Sozialdemokratie. Dieser Artikel wurde für die Zeitung am 21.3.2023 verfasst. UPDATE: Die Krise des österreichischen Kapitalismus und die SPÖ-Spitzenkandidatur von Andi Babler

Skandale und die Unfähigkeit, auch nur eine der vielen Krisen zu lösen – eigentlich wäre die schwarz-grüne Regierung sturmreif. Aber dank der SPÖ bekommt sie nun eine Verschnaufpause. Die Bürgerlichen können sich vorerst zurücklehnen und genüsslich zuschauen, wie sich die SPÖ selbst zerfleischt.

In der SPÖ herrscht mittlerweile ein extrem vergiftetes Klima mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, wer mit „Mobbing“ und „Heckenschützenmethoden“ diese Parteikrise heraufbeschwört hat. Dieser Konflikt hat jedoch politische Ursachen und liegt in erster Linie in der Strategie der Bundesparteispitze und jener Kräfte, die Pamela Rendi-Wagner die Stange gehalten haben. Die SPÖ Wien und die Gewerkschaft, die wichtigsten Machtblöcke in der Sozialdemokratie, glaubten angesichts der Todeskrise der ÖVP lange Zeit, man könne ohne viel Zutun bei der nächsten Nationalratswahl ins Bundeskanzleramt einziehen. Hauptsache man hat wieder Zutritt zu den Machtzentralen. So zeigte sich Rendi-Wagner bei jeder Gelegenheit staatstragend und putzte bei Großkonzernen und der Industriellenvereinigung die Klinken, um Zustimmung für ihre Politik zu bekommen. Eine kämpferische Oppositionspolitik ist ihr ein Fremdwort, und somit hat die FPÖ unter Kickl viel Spielraum, den diese reichlich zu nutzen weiß.

Die politische Orientierung der Parteispitze ist der wesentliche Grund für die schlechten Umfragewerte und die katastrophalen Wahlniederlagen in NÖ und Kärnten. Ob dieser Entwicklung wurden natürlich viele in der Sozialdemokratie nervös. Sie sehen ihre Felle davonschwimmen. Jede Wahlniederlage bedeutet weniger Ämter, weniger Budget.

Die Verluste in Kärnten haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Jetzt musste Doskozil Farbe bekennen und selbst in den Ring steigen. Mittlerweile haben die Gremien getagt. Es wird nach dem Wunsch des Herausforderers eine Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz geben, deren Ergebnis einem Sonderparteitag vorgelegt wird. Im erlauchten Kreis der Parteitagsdelegierten hätte die Mehrheit wohl für Rendi-Wagner gestimmt. Nicht so sehr aus Überzeugung ob ihrer politischen Fähigkeiten, sondern aus Loyalität zu den Spitzen der SPÖ Wien und der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG). Und dann kommen noch die Stimmen aus der Frauenorganisation, die sich nicht die erste weibliche Parteivorsitzende in der Geschichte rausschießen lassen wollen.

Doch an der Parteibasis könnte die Stimmung ganz anders aussehen. Vor allem in den Ortsparteien auf dem Land merkt man, dass Rendi-Wagner in der Arbeiterschaft keine Stimmenbringerin ist. Dort will man an der Parteispitze jemanden, der die „Sprache des Volkes“ sprechen kann und zumindest für ein paar soziale Reformen steht. Die kann Doskozil im Burgenland aufweisen (Mindestlohn, Preisdeckel…). Und dass er in der Asylpolitik für einen harten Kurs steht (wobei die Bundesparteispitze in der Frage um nichts liberaler ist), sehen viele an der Basis als Notwendigkeit im Kampf um Wählerstimmen.

Was in dieser Debatte völlig fehlt, ist ein sozialistischer Standpunkt. Das ist kein Zufall. Die Tatsache, dass sich die Linken in der SPÖ beharrlich weigern, ein alternatives politisches Konzept zur Parteiführung zu formulieren und sich mit kleinen Projekten auf ihren eigenen Politspielwiesen begnügen, hat auf der Linken ein Vakuum geschaffen und ist mit ein Grund, warum die ganze Diskussion auf dem Niveau „Bobos“ versus „Prolos“, einem Kulturkampf ohne große inhaltliche Differenzen, geführt wird.

So bleibt auch völlig schleierhaft, wo plötzlich die „linken Inhalte“ herkommen sollen, die die Sozialistische Jugend (SJ) nun fordert. Dazu müssten die roten Jugendorganisationen und die Linken in der SPÖ selbst eine Kandidatin, einen Kandidaten aufstellen und ein sozialistisches Programm zur Diskussion stellen.

Die Arbeiterklasse und die Jugend braucht angesichts der multiplen Krisen des Kapitalismus eine Partei, die konsequent in Opposition zur Regierung und zum Kapital steht, die den Klassenkampf organisiert, die die Kämpfe gegen Klimakatastrophe, Frauenunterdrückung, Rassismus usw. mit einer revolutionären Klassenkampfperspektive verbindet und führt.

Nach Jahrzehnten als staatstragende Partei kann die SPÖ das nicht. Es gibt in dieser Partei keine Kräfte, die sich dieser Aufgabe stellen und eine dementsprechende Strategie entwickeln. Selbst die SJ definiert das Ziel der SPÖ in der Wiedererlangung von „Glaubwürdigkeit“, um „Mehrheiten jenseits von Schwarz-Blau herzustellen“. Ihre politische Perspektive bleibt somit eine rein parlamentarische Orientierung auf SPÖ-Regierungsbeteiligung (‚alles außer Schwarz-Blau‘, was eine Koalition mit der ÖVP nicht ausschließt!) – also eine direkte Zusammenarbeit mit den Bürgerlichen. Indes steckt die parlamentarische Demokratie angesichts der Krise des Kapitalismus selbst in einer schweren Krise. Selbst wenn es gelingen würde, auf diesem Weg in die Regierung zu kommen, würde diese Sozialdemokratie sofort vor dem Druck des Kapitals in die Knie gehen.

Die Krise der Sozialdemokratie wird daher weitergehen, unabhängig davon, wer an der Spitze dieser Partei steht.

(Funke Nr. 212/21.3.2023)


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