Am 9. März finden in Niederösterreich Landtagswahlen statt. Eigentlich ein recht unspannendes politisches Ereignis. Alles andere als eine Wiederwahl von Landeshauptmann Pröll und eine Fortsetzung der schwarzen Allmacht wäre eine Sensation. Für die Sozialdemokratie könnte diese Wahl aber eine böse Überraschung bringen. Welche Perspektiven sind für SozialistInnen mit dieser Wahl verbunden?

Das System Pröll

Vor kurzem titelte „Der Standard“ in einem Artikel zu den niederösterreichischen Landtagswahlen „Das System Pröll hat alles im Griff“. In weiten Teilen von Niederösterreich funktioniert das schwarze Netzwerk auf beeindruckende Weise. Die soziale Basis dafür bildet die Bauernschaft. Der Bauernbund ist auch die Heimat von Pröll. In unzähligen ländlichen Gemeinden existiert ein dichtes Netz an Vereinen, die das dörfliche Leben prägen. Freiwillige Feuerwehr, Musikkapelle, Dorferneuerungsverein usw. sorgen für eine konservative Hegemonie. Als Sponsor immer mit dabei die schwarze Raiffeisenkassa. Rein zufällig ist Raika-Generalanwalt Christian Konrad auch Sprecher des Personenkomitees für Pröll bei den anstehenden Wahlen. Und für die positive Berichterstattung sorgen ORF NÖ und die „unabhängigen“ Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN). Allesamt eine runde Maschinerie, auf die sich Pröll verlassen kann.

Klare Botschaft

Abgesehen davon hat Pröll seinen FunktionärInnen und der Wählerschaft eine klare Botschaft anzubieten. Und die lautet: die Zeiten der Instabilität, der zunehmenden Unsicherheit braucht es klare politische Verhältnisse. Globalisierung, offene Grenzen, die drohende Wirtschaftskrise, die Sicherheit und Wohlstand gefährdet – das sind die Damoklesschwerter, welche die vom System Pröll fabrizierte Idylle in gelb-blau zu gefährden scheinen. Dazu kommt das ständige Gezanke in der Bundesregierung, die offensichtlich nicht imstande ist die brennenden Probleme einer Lösung zuzuführen. Die Antwort von Pröll ist klar: es braucht Klarheit, d.h. eine absolute Mehrheit für die ÖVP. Nur in einem politischen Schulterschluss unter der Führung seiner durchlauchten Eminenz Landeshauptmann Pröll kann sich Niederösterreich in diesem instabilen Umfeld behaupten. Unter seinem Regnum wird es weiterhin eine harte Linie gegen „Asylmissbrauch“ geben, werden uns Bundesheer und Polizei auch nach der Schengen-Erweiterung vor den heranstürmenden Kriminellen aus ganz Osteuropa beschützen und wird „soziale Wärme“ sich breit machen.

Das ist ein klares Angebot in Zeiten der Unklarheit und Unsicherheit. Wir haben wenig Zweifel, dass dieses Konzept aufgehen wird. Nicht so sehr, weil wir der Meinung wären, dass die NiederösterreicherInnen nur mit diesem konservativen Mief und reaktionären Populismus zufrieden zu stellen wären. Es ist vielmehr das Fehlen jeglicher politischer Alternative zu dieser schwarzen Allmacht, welche die größte Stärke der niederösterreichischen ÖVP darstellt.

Die niederösterreichische Sozialdemokratie

Die SPÖ ist traditionell der Hegemonie der ÖVP hilflos gegenüber gestanden. Sie hat sich immer schon mit ihrem Platz als Zweiter und als Juniorpartner in der Landesregierung zufrieden gegeben und agiert dementsprechend zahnlos. Der Wahlkampfslogan von SPÖ-Spitzenkandidatin Onodi ist „Mehr Herz für Niederösterreich“. Ergänzt wird dies zwar mit löblichen Forderungen (Lehrstellen, Pflege), doch es ist offensichtlich, dass Onodi keine Alternative zur ÖVP repräsentiert. Auf der Auftaktveranstaltung zum Wahlkampf hat sie selber gemeint: „Wir sind Garant für Konsens und Menschlichkeit, stehen für die Fortsetzung des niederösterreichischen Erfolgskurses und werden sowohl unsere politische als auch unsere soziale Verantwortung wahrnehmen“. Natürlich mit noch mehr sozialem Augenmaß und so, dass alle „am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben“ können.
In den kommenden Wochen wird die SPÖ zwar mit Sicherheit noch etwas aggressiver auftreten. Angesichts der jüngsten Konflikte in der Bundesregierung (Pflege, Inflationsbekämpfung, Mindestsicherung), in denen Landeshauptmann Pröll sich ja auch federführend bei der Verhinderung der Initiativen von SP-Ministern hervortut, könnten Onodi & Co. da sogar mit der Erlaubnis der Löwelstraße in die heiße Phase des Wahlkampfs ziehen. Die Tatsache, dass die Bundes-SPÖ in der Regierung aber auch alles andere als eine glaubwürdige Alternative darstellt, wird dies den niederösterreichischen SozialdemokratInnen auch nicht wirklich helfen. Der „Gusi-Hunderter“ ist mehr eine Verhöhnung all jener Lohnabhängigen, die wirklich unter der Teuerungswelle leiden. Buchingers Konzepte in der Pflegefrage und beim Thema Mindestsicherung sind in Anbetracht der tatsächlichen Pflegekrise und dem Ausmaß an Armut ebenfalls ein Zeichen für das Versagen der SPÖ.

Für ihre Regierungsbilanz wurde die Sozialdemokratie schon in Graz abgestraft. In Niederösterreich droht die nächste Schlappe. Kanzler Gusenbauer ist sich dessen wohl bewusst und meidet Auftritte im niederösterreichischen Wahlkampf. Je augenscheinlicher die Bedrohungen der kommenden Wirtschaftskrise werden, je mehr die Last dieser Krise auf den Rücken der Lohnabhängigen abgewälzt wird, desto mehr wird in der ArbeiterInnenklasse und unter Gewerkschafts- und ParteiaktivistInnen das Bewusstsein reifen, dass Gusenbauer & Co. nie und nimmer die „soziale Wende“ bringen können. Jede kleinste Forderung nach einer sozialen Verbesserung, und die sind in der Politik des SPÖ-Regierungsteams ohnedies kaum vorhanden, wird am Widerstand der ÖVP scheitern. Aus Angst die bequemen Sesseln auf der Regierungsbank verlieren zu können, will die SPÖ-Führung jede politische Demütigung über sich ergehen lassen und an dieser Koalition festhalten, weil es angeblich keine Alternative dazu gibt. Die Rechnung für diesen Kurs wird die SPÖ mit ziemlicher Sicherheit auch am 9. März präsentiert bekommen.

Ohne Maulkorb?

Voll im Wahlkampf befindet sich längst auch die Sozialistische Jugend Niederösterreich (SJ NÖ). Die SJ NÖ hat in den letzten Jahren stark auf jugendkulturelle Themen und die Organisierung von teilweise recht beeindruckenden Jugendevents (wie zuletzt das Sem!Break) gesetzt. Dabei bot sie selbst einer Heidemaria Onodi die Gelegenheit in jugendlichem Ambiente ein Bad in der Menge zu nehmen. Kein Wunder, dass die SJ ihren Stellenwert in der SPÖ damit steigern konnte – Parteiposten inklusive.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen hat die SJ NÖ einmal mehr die große Aufgabe sich als Parteijugend im Dienste der Bewegung in Position zu bringen. Stimmenmaximierung lautet die Devise. „Ohne Maulkorb“ lautet das freche Motto. Die Umsetzung ist aber schon weniger rebellisch. Eine Jugendbefragung wird abgehalten. Dazu ein paar gute jugendpolitische Forderungen wie Freifahrt. Und ein geiles Festival. Und schon hat die Sozialdemokratie ein jugendfreundliches Gesicht erhalten.

Aber war da nicht noch was? In diesen Wochen vermisst man auf der Site der SJ NÖ jede kritische Anmerkung zur Politik der SPÖ und jede prinzipielle Ablehnung der Großen Koalition. Kein Versuch, Jugendliche abseits vom Bedürfnis nach einer sicheren und billigen Anreise zur nächsten Disco anzusprechen und politisch zu organisieren. Die SJ NÖ beschränkt sich mit diesem Konzept selbst auf die Rolle eines braven Jugendwahlkampfvereins – zugegebenermaßen mit einem guten Gespür für Jugendtrends und mit professioneller Arbeitsweise. Da man sich das Geld und die Ressourcen für diese megageilen Events auch in Zukunft bewahren will, hält man tunlichst Abstand von einer zu kritischen Haltung gegenüber der eigenen Parteispitze. Und weil dies in Zeiten wie diesen, wo die SPÖ die Regierung stellt, nur möglich ist, wenn man gar nicht über „die große Politik“ redet, schweigt man lieber ganz.

Die SJ NÖ war in den 1990ern die Landesorganisation, welche den Linksruck in der SJÖ einzuläuten vermochte. Unter den Bedingungen der Großen Koalition wird die Kluft zwischen linkem Selbstanspruch und den Zwängen einer friedlichen Koexistenz mit der eigenen Parteispitze aber immer deutlicher.

Linke SozialistInnen müssten in dieser Situation mit einem eigenständigen politischen Profil und einer sozialistischen Programmatik den Wahlkampf bestreiten. Wann wenn nicht jetzt, wo die Krise der Großen Koalition offensichtlich ist und Neuwahlen nur noch eine Frage der Zeit sind, könnte die SJ mit einer offensiven Kampagne für ihr Nein zur Großen Koalition der vorherrschenden Stimmung bei vielen Menschen einen Ausdruck geben. Die Menschen sind heute mit großen Herausforderungen konfrontiert. Das Alte und Bewährte sehen sie immer stärker bedroht. Die ÖVP nimmt diese großen Fragen auf und gibt reaktionäre Antworten. Die reformistische Beschränktheit der Sozialdemokratie (bis hin zu deren linken Rand) kann dazu keine glaubwürdige Alternative darstellen. Eine solche aufzubauen ist heute die dringliche Aufgabe von linken SozialistInnen in der SJ, der SPÖ und den Gewerkschaften.

Zum Weiterlesen:
"Ohne Maulkorb - Ehrlich.Konsequent.Links!" - Interview mit David Stockinger (SJ Schwechat)

Bei den niederösterreichischen Landtagswahlen am 9. März kandidiert auch der linke Sozialist David Stockinger im Bezirk Schwechat für die SPÖ. Wir führten mit ihm ein Interview über seinen Wahlkampf.


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