Die Krise der SPÖ wurde vorerst gelöst, indem die Partei nach links rückt. Die wachsende politische Polarisierung Österreichs fand jahrelang nur auf der politischen Rechten statt. Neo-SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler tritt dem mit kantigen Ansagen gegen die Reichen und ihre Partei, die ÖVP, entgegen. Von Yola Kipcak.

Unverzüglich nach der Wahl Andi Bablers hat eine hysterische Propagandawelle der Bürgerlichen gegen den Marxismus eingesetzt. Denn aus ihrer Sicht soll die Arbeiterklasse auch weiterhin für die kapitalistische Krise zahlen, und jeder der da dagegenhält, steht ihren Interessen im Weg. Nachdem die SPÖ wegen ihrem jahrelangen Verzicht auf Oppositionspolitik zuletzt politisch kaum mehr wahrgenommen wurde, richten die Bürgerlichen ihr Dauerfeuer nun also auf die SPÖ und ihren neuen Vorsitzenden – gemeint ist mit diesen Angriffen die ganze Arbeiterbewegung.

Der Bundesparteitag und seine Folgen

Nach jahrelanger Unterordnung der SPÖ unter bürgerliche Politik (selbst in Opposition) war die Unzufriedenheit in der Mitgliedschaft zu groß, um die liberale Pamela Rendi-Wagner zu halten – jetzt herrscht Erleichterung, dass sie weg ist. Zentrale SPÖ-Machtzentren wie der Wiener Parteiapparat, die Spitzengewerkschafter und die Frauenorganisationen hatten ihr Gewicht für sie in die Waagschale geworfen und verloren.

Dass mit Andi Babler jemand wieder selbstbewusst sozialdemokratische Themen vorträgt und politischen Gestaltungswillen zeigt, hat in der SPÖ-Basis Begeisterung ausgelöst – nach den 10.000 Beitritten vor der Mitgliederbefragung traten mit dem Amtsantritt weitere 1000 Genossen der SPÖ bei, um einen neuen, linken Kurs zu unterstützen. Hunderttausende Arbeiter und Jugendliche in Österreich folgen diesen Entwicklungen mit Sympathie: jahrelang wurde die Unzufriedenheit in Österreich nur von der rechten Opposition, der FPÖ, artikuliert. Regional konnte die KPÖ die Polarisierung nach links bei Wahlen kanalisieren.

Mit Babler weht endlich auch in der Bundespolitik auf linker Seite frischer Wind. Dadurch entstehen neue Spielräume, die die Arbeiterbewegung auf allen Ebenen nützen kann, um dem ständigen Klassenkampf von oben jetzt selbstbewusster entgegenzutreten.

Widerspruchsfrei ist dies jedoch nicht. Die SPÖ selbst hat in den Jahren der Klassenzusammenarbeit viel Vertrauen der Arbeiterklasse verspielt sowie an Mitgliedern und an politischer Deutungshoheit innerhalb der Arbeiterklasse verloren.

Und dann die Kür zum Vorsitz selbst. Nach ihrer Niederlage in der Mitgliederbefragung sahen sich der mächtige Wiener Parteiapparat und andere Teilorganisationen gezwungen, ihre Optionen neu zu ordnen. Sie nutzten die Medienkampagne gegen Andi Babler (v.a. die Frage der EU), um ihn zurechtzubiegen und schlugen gleichzeitig auch versöhnlichere Töne gegenüber dem Babler-Team an. Da das Ansinnen, eine zweite Mitgliederbefragung durchzuführen, im Bundesparteivorstand knapp scheiterte (23:20 Stimmen), war er, um Vorsitzender zu werden, letztendlich auf die Unterstützung der traditionellen Machtzentren am Parteitag angewiesen. Derartige „Hilfe“ hat einen politischen Preis, sie ist ein „vergifteter Apfel“.

Auch das völlige Chaos um die Abstimmungsauszählung verstärkt zusätzlich den Willen, das Vergangene vergessen zu machen und sich rasch auf möglichst erfolgreiche Nationalratswahlen umzuorientieren. Die vergangenen Grabenkämpfe sind vorerst hintangestellt, beziehungsweise im Burgenland isoliert. Andi Babler ist seinerseits bemüht, alle Teile der Partei einzubinden. Gelöst sind die Konflikte um die politische Ausrichtung und die innere Ausgestaltung der Partei aber nicht.

Die entscheidende politische Frage lässt sich letztendlich auf eine einzige zuspitzen: Gemeinsam mit den Bürgerlichen oder gemeinsam mit der Arbeiterklasse und ihren Kämpfen? Dies muss in der SPÖ offen zur Diskussion gestellt werden.

Welche Orientierung?

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig macht seit Jahren keinen Hehl daraus, dass sein favorisierter Koalitionspartner die ÖVP ist und die Wiener Parteisekretärin Barbara Novak äußerte sich sofort skeptisch ob der Forderung Bablers, künftig die Mitgliedschaft in zentralen Fragen wie Koalitionen und Vorsitzwahlen mitreden zu lassen. Aus Sicht des zentralen Wiener Parteiapparats hat jeder Millimeter Kontrollverlust das Potenzial, ihre Pakttreue mit den Bürgerlichen zu untergraben oder Unruhe in die Partei zu bringen. Bürgermeister Ludwig macht in diesen Fragen weiter öffentlich Druck auf Babler und sein Team.

Die neue SPÖ-Führung versucht, diese Machtverhältnisse durch Zugeständnisse auszubalancieren. Die zu Beginn der Mitgliederbefragung angekündigte sommerliche Basistour zur Vertiefung der Debatte um die programmatische Neueinrichtung der Partei, die dann in einen demokratischen Parteitag münden soll, wurde in ihrem inhaltlichen Anspruch zurückgeschraubt. Bablers neuer Klubvorsitzender Philip Kucher kündigte an, die von den Bürgerlichen angeprangerte „Blockadehaltung“ im Parlament aufzuheben. Die Aussagen zur EU und Migrationspolitik berufen sich auf bereits bestehende Pateibeschlüsse und nicht einen Willen zur Neuausrichtung. Und in Interviews relativieren Babler und Julia Herr die zuvor noch deutlich formulierte Absage an die Zusammenarbeit mit den Hauptvertretern des österreichischen Kapitals, der ÖVP, deutlich.

Nicht nur der direkte Druck der Bürgerlichen und ihrer Medien, sondern auch die alleinige Ausrichtung der Arbeiterpartei auf Wahlen und Regieren wiegt schwer auf der Sozialdemokratie. Die Krise der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen ist zu tief, als dass eine Wahlbewegung alleine die Probleme der Arbeiterklasse lösen könnte. Kika/Leiner zeigt, dass die parlamentarische Opposition ein Element der Klassenauseinandersetzung ist, damit die Belegschaft tatsächlich zu ihrem Recht kommt, müsste sie aber selbst mit in den Ring steigen. Was die Arbeiterklasse braucht, ist eine kämpfende Partei, die selbstbewusst den Standpunkt unserer Klasse formuliert. Eine offensive Verteidigung des Marxismus und das Beharren auf dem imperialistischen Charakter der EU, auch an der Spitze der SPÖ, würde den politischen Spielraum der Arbeiterbewegung deutlich erhöhen. Wir plädieren daher dafür, hier hart zu bleiben.

Babler hat völlig Recht, wenn er die Selbstbedienungsmentalität der ÖVP und ihrer Unternehmerspezis angreift. Doch wir wissen, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist und dass die ÖVP niemals für Arbeiterklasse-Politik zu haben sein wird. Es braucht ein deutliches „Nein“ zu einer Koalition mit allen bürgerlichen Parteien, einschließlich NEOS und Grüne. Eine Arbeiterbewegung, die auf die Kraft der Mobilisierung setzt, muss sich diesen Leuten am Tisch nicht beugen.

Eine gemeinsame Gegenoffensive der ArbeiterInnen und ihrer Organisationen – allen voran SPÖ, Gewerkschaften und KPÖ – bringt mehr Erfolgsaussicht die Bürgerlichen in die Defensive zu bringen.

Offenes und mutiges Auftreten gegen Bürgerliche statt Koalitionsstrategien, mutiger Kampf um die Arbeitszeitverkürzung, die Enteignung der ATX-Konzerne unter Kontrolle der Arbeitenden und ihrer Organisationen, sind zentrale programmatische Eckpfeiler, damit die Arbeiterklasse ihre Probleme tatsächlich bewältigen kann. Dazu braucht sie RepräsentantInnen, die nicht mehr als einen Facharbeiterlohn verdienen und Organisationen, die eine demokratische Debatte über die Ausrichtung der Arbeiterbewegung zulassen.

Gut, dass die Kaperung der SPÖ-Spitze durch Bürgerliche mittels einer liberalen Karrierebeamtin beendet ist. Dies ist ein wichtiger Etappenerfolg für die Arbeiterbewegung, aber es gibt viel zu tun.

Die Marxisten vom Funke treten in der Arbeiterbewegung für einen klassenkämpferischen Kurs ein. Wir stehen für ein sozialistisches Programm für die Arbeiterbewegung. Schließ dich dem Funke an, wenn du die marxistische Stimme in der Arbeiterbewegung stärken willst!

(Funke Nr. 215/05.07.2023)


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