Über Ostern haben sich Kanzler Gusenbauer und die ÖVP-Spitze auf ein „Kompromisspapier“ zur Frage der Steuerreform geeinigt, das mittlerweile in beiden Parteien von den höchsten Gremien abgesegnet wurde. Doch die Regierungskrise ist damit noch lange nicht vom Tisch. Ein Kommentar der Funke-Redaktion.
Vor einigen Wochen ging Kanzler Gusenbauer mit der Forderung nach einem Vorziehen der Steuerreform in die Öffentlichkeit und ließ die Regierungskrise eskalieren. Das war seine letzte Chance sich vor seinen parteiinternen KritikerInnen zu retten. Lange Zeit schien alles auf ein Auseinanderbrechen der Koalition hinzudeuten. Im Endeffekt haben sich aber doch die Kräfte in den Parteiführungen durchgesetzt, die den Showdown noch hinauszögern wollen. Die Hardliner müssen sich noch etwas gedulden.
Das jetzige Regierungsabkommen, das in den meisten Medien fälschlicherweise als Neustart der Großen Koalition dargestellt wird, sieht Entlastungen bei den KleinstverdienerInnen (Wegfall bzw. Kürzung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge) und ein Vorziehen der nächsten Pensionserhöhung um zwei Monate vor. Doch die Steuerreform und die Hoffnung auf Steuerentlastung für die Mehrheit der Lohnabhängigen wurden auf 2010 vertagt. Die Forderung der SPÖ zerbrach einmal mehr am Widerstand der ÖVP. Und selbst dann muss die ÖVP auch noch der Meinung sein, dass bis dahin genügend im Budget eingespart worden ist.
Der Wegfall der Arbeitslosenversicherung bringt für viele Menschen im Niedriglohnbereich zwar ein paar Euro monatlich. Die Folgen dieser Maßnahme sind aber mehr als ambivalent. Damit wird die Arbeitslosenversicherung um ca. 300 Mio. Euro erleichtert. Diese Regelung passt voll ins Konzept der Bürgerlichen, welche die Sozialversicherungen finanziell austrocknen wollen, um dann einen Vorwand für einen politischen Angriff gegen diese einstigen Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung starten zu können. Die Taktik ist klar: zuerst sollen diese Kassen ausgehungert werden, um ihr öffentliches Image zerstören zu können, und dann wird zum Angriff geblasen. Dabei wird gerade angesichts des bevorstehenden Konjunktureinbruchs und den wirtschaftlichen Turbulenzen auf den Weltmärkten, vor denen auch Österreich nicht verschont bleiben wird, die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten wieder massiv zunehmen. Schon jetzt häufen sich die Nachrichten: in der Telekomwirtschaft ist ein großflächiger Arbeitsplatzabbau zu erwarten, mehrere große Industriebetriebe haben bereits hunderte Leiharbeiter entlassen, Paradekonzern Swarovski muss 100 Stellen in seinem Stammwerk in Wattens abbauen, Siemens will groß umstrukturieren und Unternehmensteile abstoßen, wodurch hunderte Jobs wackeln. Sobald der zu erwartende Anstieg der Arbeitslosigkeit im Zuge der Konjunkturdelle eintritt, werden mehr Mittel aus der Arbeitslosenversicherung erforderlich sein, die dann aber nicht zu Verfügung stehen, was wohl zu Leistungskürzungen führen muss. Diese „Entlastung“ wird sich bald schon als Pyrrhussieg der SPÖ erweisen.
Die vorgezogene Pensionserhöhung um zwei Monate ist nett, aber letztlich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Immerhin hat Erwin Buchinger diesmal nicht auf die PensionistInnen, die weniger als die Mindestpension erhalten, vergessen.
Was in Teilen der SPÖ-Spitze angesichts von Gusenbauers Kompromissvorschlag wahre Begeisterungsstürme ausgelöst hat, war die Ankündigung einer „Vermögenszuwachssteuer“. „Sensationell“, „ideologischer Durchbruch“ waren die Kommentare aus dem SPÖ-Präsidium. Doch schon bei der Präsentation des Kompromisses hat die ÖVP klargemacht, was davon zu halten ist. Diese neue Steuer, die übrigens erstmals von Claus Raidl, dem Konzernchef von Böhler-Uddeholm und langjährigen Wirtschaftsberater von Wolfgang Schüssel, zur Diskussion gestellt wurde, solle nur kommen, wenn bei der anstehenden Gesundheitsreform alle Einsparungspotentiale ausgeschöpft wurden. Was bedeutet das konkret? Die ÖVP wird in den kommenden Monaten einen Kürzungsvorschlag nach dem anderen präsentieren, um diesen „ideologischen Durchbruch“ zu verhindern. Ministerin Kdolsky will schon nächste Woche ein Sparpaket in der Höhe von 3 Mrd. Euro präsentieren! Die SPÖ kann dann „konstruktiv“ mithelfen, wenn es darum geht, das „Gesundheitssystem“ kaputt zu sparen und für die Privatisierung vorzubereiten (und das ist der eigentliche Plan der ÖVP!), oder die Regierung wird in die nächste schwere Krise schlittern.
Die „Vermögenszuwachssteuer“ wird wohl nie das Licht der Welt dieser Großen Koalition erblicken. Alle bisherigen Aussagen führender ÖVP-PolitikerInnen lassen daran keinen Zweifel. Dazu kommt, dass die bürgerlichen Medien schon in Stellung gebracht wurden, um diese Steueridee zu torpedieren. Die Angst vor massiver Kapitalflucht und dem Abkassieren des Mittelstandes, der in private Pensionsfonds seine Hoffnung legt, wird bereit geschürt.
Die Zufriedenheit mit diesem Kompromisspapier hält sich in der SPÖ in Grenzen. Selbst im Präsidium gab es ablehnende Stimmen. Von SpitzenfunktionärInnen der SPÖ Oberösterreich (Haider, Ackerl), Kärnten (Schaunig) und Steiermark (Toni Vunak) wurde der Kompromiss offen kritisiert und die Forderung nach neuen Verhandlungen zur Steuerreform 2009 erhoben. Gusenbauer hat ein wenig Zeit gewonnen, doch in der Substanz ist alles beim Alten geblieben.
Die ÖVP wird die SPÖ weiter bei jeder Gelegenheit demütigen, und dies wird in der SPÖ die KritikerInnen kaum zur Ruhe bringen. Die Differenzierungsprozesse in der Sozialdemokratie, von denen wir in den letzten Wochen bei unzähligen Bezirkskonferenzen, Sektions- und Stadtparteisitzungen ein Bild bekommen haben, werden sich weiter vertiefen.
Die Regierungskrise ist nicht gelöst sondern wurde mit diesem Papier nur zeitlich hinausgezögert. In der Frage der Gesundheitsreform wird der Konflikt im Herbst in eine neuerliche heiße Phase gehen. Dazu kommen im Herbst im Kollektivvertragsverhandlungen. Die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen haben sich in den letzten Wochen voll auf einen Kampf um das Vorziehen der Steuerreform festgelegt. Wenn diese nun ausbleibt, dann wird der Druck in den Gewerkschaften massiv steigen, dass die Lohnrunde mehr als in der Vergangenheit einbringen muss. Wir steuern auf alle Fälle auf einen „heißen Herbst“ zu, in dem es für die SPÖ- und ÖGB-Spitze schwer werden wird, den Deckel draufzuhalten. Jede weitere Provokation der ÖVP könnte das labile Gleichgewicht, das jetzt erzielt wurde, wieder aus dem Ruder bringen.
Auf diese Situation gilt es sich vorzubereiten. In den kommenden Wochen muss die Basis für den Aufbau einer organisierten Linken in der ArbeiterInnenbewegung gelegt werden. Unzählige FunktionärInnen und AktivistInnen aus den Jugendorganisationen, der SPÖ und den Gewerkschaften wünschen einen politischen Kurswechsel und eine Alternative zur Gusenbauer-SPÖ. Diese GenossInnen und KollegInnen gilt es zusammenzubringen. Wir brauchen ein Forum, in dem wir unsere Kritik an der Regierung und der Politik der SPÖ- und ÖGB-Führung und die Formen und Inhalte einer linken Alternative gemeinsam und solidarisch diskutieren können.
Deshalb:
Für eine Konferenz zur Organisierung der Linken!
Raus aus der Großen Koalition!