Im November legt die SPÖ auf ihrem Bundesparteitag die Weichen für das Wahljahr 2024. Dort wird sich auch zeigen, was aus der Aufbruchstimmung rund um Kandidatur und den überraschenden Wahlsieg von Andi Babler zum Bundesparteivorsitzenden geworden ist. Von Konstantin Korn.

Andi Babler war angetreten, die SPÖ wieder zu vereinen und in Opposition gegen die Regierung in Stellung zu bringen. Mit Fokus auf die großen sozialen Fragen wollte er die Sozialdemokratie wieder zur stärksten Kraft machen. Mit der Forderung nach einer 32-Stunden-Woche und mit Vermögenssteuern zur Bekämpfung der Armut ließ er bei der ÖVP die Alarmglocken schrillen, während bei den SP-GewerkschafterInnen und bei den Linken in der SPÖ große Begeisterung herrschte.

Die Linke stellte plötzlich, wie durch ein Wunder, die Parteispitze. Durch ein gewisses diplomatisches Geschick gelang es Babler, auch Teile des ehemaligen Doskozil-Lagers (OÖ, NÖ) ins Boot zu holen. Doch Babler steht vor allem der Wiener Landespartei im Wort, ohne deren Stimmen er am Parteitag nicht gewählt worden wäre. Ein eigenes Machtzentrum hatte Babler ja nicht. Die Tausenden Neumitglieder und die traditionelle SP-Linke zu organisieren, um so einen Druck auf den Parteiapparat auszuüben, hat man unterlassen. Die „Comeback-Tour“ durch die Bezirke bestand großteils aus Besuchen von Volksfesten und typischen „Meet & Greet“-Events. Politische Debatten, die der demokratischen Meinungsbildung von unten dienen hätten können, blieben die Ausnahme.

Der neue Parteivorsitzende ist somit auf die Unterstützung des Apparats und der alten Machtzentren in der SPÖ angewiesen. Und die fordern ihren Tribut. Bei der 32-Stunden-Woche hieß es plötzlich, dass man das auf sozialpartnerschaftlichem Weg, schrittweise über die nächsten 8, 9 Jahre umsetzen will. Das Vermögenssteuermodell wurde auf Druck aus den Ländern stark verwässert. Und die Kleingarten-Affäre hochrangiger Wiener Parteifunktionäre und Mandatare will die SPÖ Wien entgegen Bablers Ruf nach Konsequenzen einfach aussitzen. Und auch das Konzept zur Demokratisierung der SPÖ wird von Wien aus so zusammengestutzt, dass es der Bürokratie nicht mehr wehtun kann und so kein Hindernis auf dem Weg zum Eintritt in die nächste Regierung erwächst. Und dass dies das höchste Ziel der SPÖ sein soll, darin sind sich alle in der Sozialdemokratie einig.

Kein Wunder, dass sich schön langsam bei vielen UnterstützerInnen Ernüchterung breit macht. Von Aufbruchstimmung spürt man jedenfalls nicht mehr viel.

Heiße Kartoffel Außenpolitik

Eine SPÖ, die regieren will, hat aus der Sicht der Bürgerlichen „Regierungsverantwortung“ und „staatsmännisches Verhalten“ an den Tag zu legen. Nur zu leicht kommen dabei die sozialen Reformideen der Sozialdemokratie unter die Räder. In Zeiten von Krieg und internationalen Spannungen steigert sich der Druck noch mehr. Das Kapital verlangt den nationalen Schulterschluss, und der rechte wie der linke Reformismus will sich dem nicht verschließen.

Andi Babler ist dabei in einer schwierigen Position. Er galt lange Zeit als Vertreter der klassischen Linie sozialdemokratischer Außenpolitik (aktive Neutralitätspolitik à la Bruno Kreisky, EU-Kritik). Im parteiinternen Wahlkampf sammelte er jedoch Unterstützer, die gerade in der Außenpolitik einen ganz anderen Kurs verfolgen: „NATO“-Niki Kowall und eine Reihe von sozialdemokratischen Diplomaten wie Wolfgang Petritsch, denen das Bekenntnis zum EU-Imperialismus als höchstes Gut gilt. Diesen Leuten ist Babler im Wort. Außerdem will er es sich mit den liberalen Meinungsmachern (Falter, Standard) nicht verscherzen, denn diese sind berühmt berüchtigt, dass sie jede kleine Abweichung vom „westlichen Wertesystem“ mit einem medialen Shitstorm niederschreiben.

Babler hat sich diesem Druck gebeugt und will alles vermeiden, was den Anschein erweckt, die SPÖ sei außenpolitisch ein Risiko. Er versuchte klarzustellen, dass er und die SPÖ „auf der Seite der Ukraine stehen“. Und aktuell unterstützt er die „We stand with Israel“-Linie der Regierung.

Nicht alle in der SPÖ sind damit glücklich. Die Neutralitätsbefürworter wollen am Bundesparteitag die Ausrichtung der Partei als stramme Unterstützerin des westlichen Imperialismus herausfordern. Rote Linien sind für sie die Forderung, dass Österreich nur an militärischen Auslandseinsätzen teilnimmt, wenn es ein UNO-Mandat gibt oder das Nein zu einer EU-Armee. Ihre Hoffnung ist, Österreich könne die noch verbliebenen Reste der Neutralität für eine Diplomatie zwischen den Supermächten nutzen, die dem österreichischen Kapital Vorteile verschafft. Die Gegenseite sieht nur in der aktiven Unterstützung des westlichen Imperialismus die Möglichkeit, dass für das kleine Österreich ausreichend Brösel abfallen.

Am liebsten würde Babler diese heiße Kartoffel nicht anrühren und sich auf seine Reformpläne konzentrieren. Aber der Krisenkapitalismus ist gekennzeichnet durch das ständige Aufflammen internationaler Konflikte und neuer Kriege, was wiederum Auswirkungen auf die Politik im Inneren hat (hohe Energiepreise, neue Migrationswellen, Demos von migrantischen Communities). Die SPÖ ist daher gezwungen, Position zu beziehen – und damit gerät sie in Widersprüche, die sie mangels eines Klassenstandpunkts nicht lösen kann.

Als MarxistInnen stellen wir uns in allen internationalen Konflikten entschlossen gegen die imperialistischen Bestrebungen der herrschenden Klasse im eigenen Land. Unsere Außenpolitik kennt nur die Interessen der internationalen Arbeiterklasse und aller Unterdrückten.

(Funke Nr. 218/25.10.2023)


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