Gusenbauers neuester Coup einer SP-Doppelführung ist nichts anderes als ein letzter, verzweifelter Versuch des unpopulärsten Kanzlers seit 1945, ein paar Monate länger an der Macht zu bleiben. Die Ernennung Werner Faymanns als Bundesparteiobmann ist eine weitere Provokation für ParteiaktivistInnen.

Werner Faymann gilt als populärster Sozialdemokrat. Wie kommt er zu dieser Ehre? Erstens dadurch, dass sein Freund Hans Dichand und die Kronen Zeitung das andauernd behaupten. Zweitens, weil er bisher eigentlich nur durch zwei Sachen der Öffentlichkeit aufgefallen ist: Er war der Typ, der die Fahnen an den Autos erlaubt hat, und der die Licht-am-Tag-Pflicht wieder abgeschafft hat. Wahrlich, ein sozialdemokratisches Reformwerk, das sich sehen lassen kann!

Faymann ist also vor allem auch deshalb unter den unbeliebtesten PolitikerInnen seit 1945 der beliebteste, weil er bisher nicht aufgefallen ist. Was ja bei Gott nicht heißt, dass ihn jemand mag.

Und in seiner eigenen Partei ist Faymann nun ganz und gar nicht beliebt. Vielleicht deshalb, weil er dort sehr wohl aufgefallen ist und zwar als der beste Haberer der ÖVP, den es in der SPÖ derzeit gibt, und den es vielleicht jemals gegeben hat. Und dieser Rang muss wahrlich schwer zu erreichen gewesen sein, wenn man bedenkt, dass auch Gusenbauer Mitglied derselbigen Partei ist.

Faymanns Leidenschaft

Faymanns, der sonst ein eher farbloser, um nicht zu sagen aalglatter Charakter ist, hat beim genaueren Hinsehen eine große Leidenschaft: die Liebe zur ÖVP. Diese Leidenschaft ist so groß, dass er beispielsweise in der ÖBB mit dem Manager Martin Huber und den ÖVP-Managern gemeinsam gegen die Pläne von Gusenbauer und Haberzettl opponiert hat, die Macht der ÖVP wieder etwas zurückzudrängen. Damit aber nicht genug. Faymann hat sich auch zur Zeit des Skandals im Innenministeriums gegen einen Untersuchungsausschuss und damit hinter den Metternichschen Polizeistaat der ÖVP gestellt.

Er gilt des weiteren als expliziter Freund der Wiener Bau-Lobby und als so machthungrig, dass selbst ein Michi Häupl ihm das Amt des Finanzstadtrates verweigerte und Faymann sich viele Feinde in der Wiener SPÖ gemacht hat.

"Mein rechter Platz ist leer,..."

Bei einem Menschen, der die ÖVP und die Bürgerlichen so lieb hat, dass er sich immer wieder mit ihnen gegen die eigene Parteiführung verbündet, einem Sozialdemokraten, der sogar Gusi rechts überholt, fragt man sich, was ihn noch von einem waschechten ÖVPler unterscheidet.

In der Partei mag ihn also niemand: Nicht die GewerlschafterInnen, nicht die Bundesländer und auch nicht die Wiener Partei. Wie konnte er dann Bundesparteivorsitzender werden?

Wie wird man Bundesparteivorsitzender der SPÖ?

Zuerst wird man Intimus der Bürgerlichen und ihrer Medien. Dann behauptet die Kronenzeitung und mit ihr alle andren Medien, man sei der beliebteste Sozialdemokrat und man sei der „natürliche Nachfolger“ des amtierenden Bundesparteivorsitzenden. Dann macht dich der amtierende Parteivorsitzende, der ein Interesse hat, die
„Knie nieder vor der Volkspartei“-Fraktion an der Spitze der Partei zu halten, zur Überraschung aller zu seinem Nachfolger. Der Öffentlichkeit erscheint das ganze nicht seltsam. Sie wurde schon vorher medial darauf vorbereitet. Uns Parteimitgliedern ist aber klar, dass Gusi mit diesem Coup die Parteikrise, die er selbst geschaffen hat, dazu benutzt, einen noch Rechteren als Nachfolger einzuzementieren. Nachdem Gusenbauer die Partei durch die Regierungsbeteiligung vor den Karren der VP gespannt hat, scheint es so, dass er, bevor er sich selbst in die Privatwirtschaft verabschiedet, jetzt noch in der Partei selbst einen Schwarzen als Nachfolger etabliert. Das dürfen wir niemals zulassen!

Glaubwürdigkeitsstufe unter Null

Faymann sagt, er möchte das „soziale Profil“ der SPÖ als Arbeitnehmerpartei wieder schärfen, er möchte wieder Themen wie Gesundheit und Pensionen betonen. Im Munde eines Faymann klingt das ungefähr wie eine Einladung zum Diskobesuch von Josef Ratzinger. Glaubwürdigkeitsstufe: Unter Null! Unter dem momentanen Druck, der sich überall in der SPÖ nach den Wahrniederlagen angestaut hat, ist es durchaus möglich, dass das Parteipräsidium Faymann dazu zwingt, Dinge neu zu verhandeln, oder weiteren Attacken der ÖVP, wie der Privatisierung von ÖBB, AUA und Verbund, nicht zuzustimmen.
Dies wird dazu führen, dass die ÖVP – in der Hoffnung auf eine Wiederholung des Wahlsieges nach Knittelfeld 2002 – Neuwahlen vom Zaun bricht. Mit Faymann als Spitzenkandidat – Gusenbauer existiert bereits politisch überhaupt nicht mehr – wird die SPÖ eine kolossale Wahlniederlage erleben. Warum? Erstens, weil der SPÖ nach der letzten Wahl niemand mehr glaubt. Und zweitens, weil Faymann der letzte ist, der diese Glaubwürdigkeit wieder herstellen kann.

Nach der Wahlniederlage wird Faymann alles tun, die folgende Depression dazu zu nutzen, um die Partei weiter rechts zu positionieren, um nur ja keine Hoffnungen in eine wirkliche soziale und kämpferische Oppositionspolitik zu wecken.
Wir können die nächste Wahl nicht gewinnen, indem wir uns wie eine Schafsherde ein weiteres Mal hinter dem Spitzenkandidaten sammeln. Wir haben nur dann eine Chance auf einen totalen Neubeginn, wenn wir mit Gusenbauer und seiner Clique politisch abrechnen und wir der Öffentlichkeit durch den Aufbau einer Parteilinken zu zeigen, dass es noch ehrliche SozialistInnen in diesem Land gibt. Wir müssen zeigen, dass die Farbe rot noch existiert!

Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt aufzugeben, sondern den Kampf um die Zukunft der SPÖ zu führen. Denn gerade die Reaktion von Häupl, Hundstorfer und vielen anderen nach der Einsetzung Faymanns deuten darauf hin, dass die Spannungen in der Partei durch den Doppelführungscoup nicht weniger, sondern mehr wurden. Viele SozialdemokratInnen in der Partei-Basis denken wie wir. Es geht jetzt darum, uns zu organisieren und uns eine Stimme zu geben.

Keine Illusionen in Häupl, Vowes, Schaunig, Haider & Co!

Die LandeschefInnen und die Gewerkschaftschefs lehnen den neuen Coup Gusenbauers ab. Sie lehnen auch Faymann ab. Das müssen sie, um ihre Strukturen zusammenzuhalten. Sie unterscheiden sich von Faymann und Gusenbauer nicht durch eine grundlegend andere Politik, betreiben sie doch auch vielfach Sozialabbau und befürworten das Bündnis mit der ÖVP: Sie unterscheiden sich von ihnen nur ihr schärferen Sinn für die Organisationsrealität der Sozialdemokratie, durch einen gewisser Selbsterhaltungstrieb. Häupl, Haider, Vowes und Schaunig reflektieren den Druck der Parteibasis und der Wahlurne. Obwohl sie gegen die Spitze granteln, werden sie höchstwahrscheinlich keinen Gegenkandidaten aufstellen am Bundesparteitag. Und zwar schlicht aus dem Grund, weil auch sie Angst vor den Geistern haben, die dies hervorrufen könnte: Die Hoffnung auf eine politischen Erneuerung der Partei auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Die Frage der sozialen Politik ist eng verbunden mit der Frage der Sozialpartnerschaft und der Großen Koalition, zwei Institutionen, die soziale Politik heutzutage verunmöglichen und ständig ins Gegenteil verkehren.

In dieser Frage können auch die anderen Präsidiumsmitglieder keine eindeutige Position einnehmen. Deshalb bleibt es beim üblichen – Gesudere.

Wir müssen uns selbst organisieren – wir alle, die wir für eine Abkehr von Großer Koalition und der Partnerschaft mit dem Kapital stehen und bereits jetzt Widerstand in Schule Betrieb und Uni gegen die sozialen Verschlechterungen organisieren. Solange wir das nicht tun, wird sich auch die Parteikrise nicht lösen lassen. Zu diesem Zweck rufen wir zu einer Konferenz der Linken am 4. Oktober auf.







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