Die Sozialdemokratie hat gestern eine historische Niederlage erlebt. Sie fiel erstmals in Vorarlberg auf Platz vier hinter ÖVP, FPÖ und den Grünen. Eine ausführliche Analyse folgt sobald die Auszählungen der Vorzugsstimmen erfolgt ist. Wir veröffentlichen hier die Rede des SJ-Vorsitzenden Lukas Riepler im heutigen Parteivorstand der SPÖ.

Liebe GenossInnen!

Ich glaube wir sind uns alle darin einig, dass die SPÖ Vorarlberg für diese Landtagswahlen einen professionellen Wahlkampf ohne Vergleich ausgefochten hat, in dem sich dutzende Ehrenamtliche aus Überzeugung engagiert haben. Auch für die Sozialistische Jugend wage ich zu behaupten, dass es seit mindestens 25 Jahren keinen vergleichsweisen Einsatz von dieser Teilorganisation gegeben hat: 30 GenossInnen waren täglich aktiv, standen in der Früh beim Schichtwechsel vor Betrieben, danach vor Schulen, Bahnhöfen und in den Städten, um unser Programm zu verteilen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass migrantische IndustriearbeiterInnen am besten auf uns zu sprechen waren, gefolgt von AHS-SchülerInnen, die unseren Wahlkampf teils richtigerweise mit der Schulstreikbewegung in Verbindung brachten, teils eher kühl reagierten. Die schlechtesten Reaktionen bekamen wir von BerufsschülerInnen, die mehrheitlich zum Ausdruck brachten, dass sie heuer FPÖ wählen würden.

Ich glaube sagen zu können, dass die FPÖ die stärkste Partei unter den Jugendlichen war. Ich kenne auch das Beispiel einiger SchülerInnen, die während der Schulstreikbewegung sehr engagiert waren, jetzt allerdings FPÖ wählten. Auch wenn sie für unsere Forderungen im Frühjahr auf die Straßen gingen, konnten sie heute von uns nicht politisch abgeholt werden. Grund dafür ist, dass die SPÖ bei Jugendlichen kein Profil hat. Öfters ist es mir nach Podiumsdiskussionen passiert, dass Jugendliche auf mich zukamen und meinten, was ich gesagt habe, hätte ihnen sehr gut gefallen – aber wenn man sich die SPÖ als gesamtes ansehe, würden sie keinen Unterschied zur ÖVP erkennen. Und das ist das Problem, das wir haben! Werner Faymann kann noch so oft sagen, wie traurig er über das Ergebnis in Vorarlberg ist. Und noch öfter kann er beteuern, dass das unabhängig vom Rest Österreichs zu betrachten ist – ebenso wie die Ergebnisse in Kärnten, Salzburg und bei den EU-Wahlen.

Aber in Wirklichkeit ist das grundlegende Problem doch, dass die SPÖ sich auf Bundesebene in Geiselhaft der ÖVP befindet, die alles blockiert, was nur irgendwie fortschrittlich ist. In einer Koalition mit einer bürgerlichen Partei wie der ÖVP werden die Bürgerlichen immer stärker, weil die ArbeiterInnen nicht mehr wählen gehen. Darum haben wir die meisten WählerInnen auch an die Gruppe der NichtwählerInnen verloren – weil Faymann & Co. am Rockzipfel von Industrie und Banken hängen. Faymann steht inzwischen rechts von Angela Merkel – die fordert zumindest symbolische Zugeständnisse von den Managern. Aber nichts hört man in dieser Hinsicht von der SPÖ. Was wir hier erleben ist das Vorspiel zu einer dauerhaften Krise der ArbeiterInnenbewegung, die von den bürgerlichen Kräften bewusst gefördert wird.

Gegen diesen bundesweiten Trend hatten wir hier keine Chance. Verstärkt wurde das ganze durch das Doppelpassspiel von ÖVP und FPÖ in Vorarlberg, das besser nicht inszeniert werden hätte können: Eggers „Exiljuden“-Sager mobilisierte gleichsam für FPÖ und ÖVP. Wir stehen jetzt vor einem massiven Problem, was unsere Politik, unser Image, auch unsere Finanzen angeht. Die SJ spricht sich klar gegen ein Köpferollen in der SPÖ Vorarlberg aus. Diese Wahlniederlage haben wir nicht in Vorarlberg sondern auf Bundesebene erlitten. Ich bin dafür, dass die Bundespartei die vollste Verantwortung dafür übernimmt. Es geht jetzt darum, ob wir es zulassen, dass die ArbeiterInnenbewegung in Vorarlberg vollständig kaputtgemacht wird. Die Große Koalition auf Bundesebene muss endlich beendet werden!

Liebe GenossInnen, was wir jetzt dringend benötigen, ist ein außerordentlicher Parteitag noch heuer, in dem ausführlich über die Linie der SPÖ diskutiert werden soll. Das soll keine Medienshow sein sondern ein echtes bestimmendes Gremium, das die Linie für die nächsten Jahre vorgibt. Die SJ tritt in diesem Prozess für folgende Punkte ein:

- Distanzierung von der Parteiführung rund um Faymann und für eine offensive Umverteilungspolitik

- Eine Offensive im Bereich der Migration. Ich traue mich zu wetten, dass 40 % unserer WählerInnen IndustriearbeiterInnen mit migrantischem Background sind. Die SPÖ war immer schon eine Partei der „Fremdhäsigen“, stehen wir dazu! Ich frage mich, wo unsere Partei heute ohne die ZuwandererInnen aus Italien, aus Jugoslawien, Kärnten und der Steiermark wäre! Dasselbe gilt für MigrantInnen aus der Türkei. Nur wenn wir diese Leute für uns gewinnen, können wir der rassistischen Untergrundkampagne der Bürgerlichen, die uns als „Türkenpartei“ bezeichnen oder propagieren, dass in Bregenz nur noch Türken Wohnungen bekommen, eine Politik jenseits des „Durchtauchens“ entgegensetzen und aus dieser Hetze gegen uns eine Waffe machen.

- Die Nutzung aller unserer Kanäle, vor allem der BetriebsrätInnen. Wir müssen uns wieder auf die ArbeiterInnen orientieren, um sie für eine aktive Teilnahme an der Partei zu gewinnen.

Ich halte nichts von Esoterik – glaube aber, dass auch wir die Krise nützen können. Natürlich ist auch die Stimmung in der SJ gedrückt. Wir sehen aber diese Krise als Chance, die ArbeiterInnenbewegung in Vorarlberg zu stärken, und damit auch die SPÖ. Wir stehen für eine politische Erneuerung: Wir müssen wieder die Partei der Lohnabhängigen sein! Die SJ stellt bereits jetzt die Weichen dorthin: Unsere jungen ArbeiterInnen sind dabei, die FSG-Jugend in Vorarlberg zu gründen und wir wollen im kommenden Jahr so viele SchulsprecherInnen wie möglich stellen. Wir hoffen, die Partei geht mit uns denselben Weg, der heißen muss: Machen wir die Partei wieder zu einer Partei der Jugend und der Lohnabhängigen, die diese Krise ganz bestimmt nicht zahlen werden!


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