Wahltag ist Zahltag: Die Rechnung für den Kompromiss mit der ÖVP kann teuer werden, analysiert Samuel Stuhlpfarrer aus Graz.

Vor fünf Jahren ging der steirische SP-Chef Franz Voves – einer linken Mehrheit mit der KPÖ zum Trotz – eine Koalition mit der ÖVP ein. Das könnte ihn am 26. September, wenn die Steiermark wählt, den Landeshauptmannsessel kosten.

Tatsächlich stellt sich die Ausgangslage für die SPÖ vor den anstehenden Landtagswahlen alles andere denn rosig dar. Der Vorsprung von drei Prozent, den sie 2005 im ehedem kernschwarzen Bundesland herausholen konnte, ist dahin. Auf Platz 3 dürfte die FPÖ landen, deren Comeback im steirischen Landtag – 2005 war man knapp am Einzug vorbeigeschrammt – allerdings wenig eindrucksvoll zu werden verspricht. Dafür sorgt neben deren Spitzenkandidaten, dem wenig charismatischen Postfaschisten Gerhard Kurzmann, nicht zuletzt die KPÖ. Insbesondere in den industriell geprägten Städten der Mur-Mürz-Furche und im Ballungsraum Graz sind die KommunistInnen längst zu einer sozialen Protestpartei avanciert, die hinreichend dazu in der Lage ist, enttäuschte SozialdemokratInnen anzusprechen. Davon gibt es – nicht nur, aber auch – wegen der letzten fünf Jahre sozialdemokratischer Politik in der Steiermark reichlich.

Dabei hatte Franz Voves 2005 nicht weniger als „die Erneuerung im Lande“ versprochen; ein Vorsatz, der die Stimmungslage in der Steiermark weithin treffen sollte. Immerhin war die Bevölkerung selbst in den ländlich geprägten Regionen des Landes, der ÖVP, die – eingebettet in eine Allianz aus Raiffeisen-Konzern und katholischer Kirche – die Steiermark stets als ihre Erbpacht ansah, überdrüssig. Zum Tragen sollte der Wandel freilich nie kommen. Anstatt gemeinsam mit der KPÖ – 2005 drittstärkste Kraft – die Tür zu einer neuen Politik aufzumachen, suchte die SPÖ ihr Heil in einer „Koalition der Vernunft“, einem Bündnis mit der von Skandalen gebeutelten ÖVP. Die Folge: Kein einziges der mithin fortschrittlichen Prestigeprojekte, die die SPÖ im Wahlkampf angekündigt hatte – etwa ein aus Unternehmensstrafzahlungen gespeister Lehrlingsfonds oder die Landesholding, als Dach für Betriebe in öffentlicher Hand – sollte realisiert werden.

Stattdessen ließ sich Voves vom vermeintlichen Partner vorführen. Die ÖVP ließ in den vergangenen Jahren keine Gelegenheit aus, den im VP-Sprech „derzeitigen Landeshauptmann der Steiermark“ in Misskredit zu bringen, wobei die Sozialdemokratie ihrerseits nicht zuletzt mit der Affäre um die parteieigene Privatstiftung reichlich Anlass zur Skandalisierung bot. Brisantes Detail am Rande: seit dem Losbrechen der Affäre hält sich südlich des Semmerings hartnäckig das Gerücht, es sei die Bundes-SP gewesen, die die steirische ÖVP mit Informationen zur Stiftungscausa versorgt habe. Auf diese Weise, so wird kolportiert, habe sich die Parteispitze im Frühjahr 2008 der von Voves angeführten Debatte um eine stärkere Besteuerung Vermögender – Stichwort „Neue Europäische Wirtschaftspolitik“ – entledigen wollen. Beweise für die Stichhaltigkeit dieses Gerüchts lassen sich allenfalls an Voves' Politik festmachen. Die hat sich in den letzten beiden Jahren jedenfalls merklich neoliberal ausgestellt. Anstatt einer massiven Umverteilung von Besitz und Vermögen das Wort zu reden, stellte Voves zuletzt den Gratis-Kindergarten in Frage. Anstatt der Vision vom Wandel neues Leben einzuhauchen taktierte die Steirer-SP um Machterhaltungsfragen: zum Landeshauptmann ließe sich Voves demnach auch von der FPÖ wählen, hieß es zuletzt. Die Linken in der SPÖ müssen gegen einen solchen Rechtsruck entschieden auftreten.

Eine Alternative kann nur in einer Zusammenarbeit von SPÖ und KPÖ, den beiden ArbeiterInnenparteien, liegen. Dafür gab es in der vergangenen Periode durchaus Möglichkeiten – und entlarvte nebenbei die Kräfte rechts der Mitte. So stimmte etwa die SPÖ in der letzten Landtagssitzung einem Antrag der KPÖ über einen Mindeststundenlohn von 10 Euro zu. Die ÖVP verweigerte dem Antrag erwartungsgemäß die Zustimmung. Selbiges taten weniger erwartungsgemäß auch die Grünen, die den steirischen Unternehmern mehr als 7,50 Euro/Stunde „nicht zumuten“ wollten.

Die UnterstützerInnen des Funke in der Steiermark werden sich aktiv für eine Zusammenarbeit von KommunistInnen und SozialdemokratInnen auf der Grundlage eines linken Programms einsetzen. Das Zustandekommen einer Einheitsfront zwischen den beiden Parteien wird aber einen Bruch der SPÖ mit ihrer kapitalfreundlichen Politik erfordern. Ist sie willens wieder die Interessen der ArbeiterInnen zu vertreten, wäre es ein Leichtes, Differenzen in der politischen Kultur zu überwinden. Ist sie es nicht, wird die SPÖ weder „die Erneuerung im Lande“ schaffen, noch an der Wahlurne erfolgreich sein.


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