Während wir diese Zeilen schreiben, stehen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP vor dem Aus. Die Große Koalition, die nach dem 1. Oktober als einzig realpolitische Alternative erschien, ist gescheitert. Die österreichische Innenpolitik steuert wieder auf bewegte Zeiten zu.

Als "Der Funke" am Wahlabend als erste Strömung in der ArbeiterInnenbewegung die Losung einer SPÖ-Minderheitsregierung aufstellte, standen wir mit dieser Meinung noch weitgehend allein. Die SPÖ-Spitze setzte von Anfang an auf die Bildung einer Großen Koalition. In Wahrheit haben Gusenbauer und die anderen Granden der SPÖ seit Monaten daran gearbeitet, dass es zu einer solchen Koalition mit der ÖVP kommt. Ihre gesamte Oppositionspolitik war darauf ausgerichtet. Und auch das Wahlprogramm wurde sehr moderat gehalten, um für die Zeit nach der Wahl keine allzu großen Hürden für das Zustandekommen einer Ehe mit den "Schwarzen" darzustellen.

Wenig Gegenliebe, aber...

An der Basis der SPÖ und vor allem unter den GewerkschafterInnen ist eine Koalition mit der ÖVP nach sechs Jahren Schwarz-Blau alles andere beliebt, um es nett auszudrücken. Der Hass auf Schüssel, Grasser und Konsorten sitzt tief. Zu viel musste man an Erniedrigungen einstecken, zu schwerwiegend waren die sozialen und politischen Einschnitte.

Trotz alledem sah die Mehrheit in der Sozialdemokratie nach dem 1. Oktober keine Alternative zur Großen Koalition. Die Parteiführung nutzte diese von Wahlarithmetik vorgegebene Situation und stürzte sich Hals über Kopf in das amouröse Abenteuer mit Schüssel. Alles an Wahlversprechen sei verhandelbar, Hauptsache "wir, bekommen eine stabile Regierung.

Blanker Hass

Dabei hat Gusenbauer aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Im bürgerlichen Lager herrscht eine Stimmung des blanken Hasses gegenüber der Sozialdemokratie vor. 6 Jahre lang stand die ÖVP an der Spitze des Staates und konnte mit Unterstützung der blauen und orangen Freiheitlichen nach Belieben schalten und walten. Bei jeder Gelegenheit zeigte man der organisierten ArbeiterInnenbewegung, wer die Herren im Land sind. Die Wahlniederlage am 1. Oktober traf dieses überhebliche Gehabe gewaltig. Die Vorstellung als Juniorpartner des vielgeschmähten Alfred Gusenbauer in die Regierung zu ziehen, fand in der ÖVP nur wenig Freunde.

Inhaltlich mögen ÖVP und SPÖ in vielen wichtigen Fragen nicht weit auseinanderliegen. Die SPÖ-Führung sieht sich als staatsmännische Partei, die den "Standort Österreich" verantwortungsbewusst verwalten will.

Im Jahr 2000 hat das bürgerliche Lager jedoch die Chance ergriffen und einen historischen Schritt gesetzt, der den gesamten, auf Klassenkompromiss basierenden politischen Konsens der Zweiten Republik zerstörte. Die Bürgerlichen fühlen sich prinzipiell stark genug um die Macht mit der organisierten ArbeiterInnenbewegung nicht länger teilen zu müssen. Und wenn sie nicht gegen die ArbeiterInnenbewegung regieren können, dann ziehen sie einen beinharten Oppositionskurs vor.

Was will die ÖVP?

Schüssel, der diesen Kurswechsel im Bürgertum verkörpert, hat offensichtlich die Perspektive, dass die SPÖ an der Spitze einer instabilen Regierung scheitern soll, um dann selbst als Retter der Nation mit Pauken und Trompeten wieder im Kanzleramt einziehen zu können.
Natürlich gibt es im bürgerlichen Lager Kräfte, denen diese Taktik zu rpnnt erscheint. Die Forderung nach einem Beamtenkabinett oder einer "Expertenregierung" spiegelt dies wider. Offensichtlich setzt die ÖVP auf die Karte, dass bei Neuwahlen die Karten neu gemischt werden und eine rein bürgerliche Regierung unter Ausschluss der Sozialdemokratie eine reale Alternative ist.

Für eine sozialistische Politik

In der Sozialdemokratie mehren sich, nachdem die ÖVP die Verhandlungen nach Einsetzung der parlamentarischen Untersuchungsausschusse (Eurofighter, Banken) abgebrochen hat, die Stimmen, die der Idee einer SP-Minderheitsregierung etwas abringen können. Was anfangs als Träumerei einiger MarxistInnen erschien, findet plötzlich Eingang in die Überlegungen von Häupl, Burgstaller und Gusenbauer. Die Frage ist nun, welchen Charakter eine solche Minderheitsregierung haben wird. Häupl brachte bereits ins Spiel, dass man dann im Parlament die Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren finden könnte. Die SPÖ will offensichtlich mit einigen Reformen und Rücknahmen von Maßnahmen aus der Zeit von Schwarz-Blau die Basis für einen klaren Wahlsieg im Fall von Neuwahlen legen.

Wir würden jede soziale Reform im Interesse der Lohnabhängigen und der Jugend natürlich begrüßen. Durch das freie Spiel der Kräfte im Parlament könnten in Einzelfragen Mehrheiten gefunden werden. Die SPÖ wird mit Gesetzesinitiativen zeigen können, dass sie es mit ihren Wahlversprechen ernst meint.

Eine solche Minderheitsregierung wäre ein Zeitfenster für die organisierte ArbeiterInnenbewegung, um endlich wieder offensiv ihr Programm auf die Tagesordnung zu setzen. Die Sozialistische Jugend hat auf ihrem jüngsten Verbandstag einen richtungsweisenden Leitantrag mit dem Titel "Für eine sozialistische Politik - Nein zur Großen Koalition" verabschiedet. Darin steht unter anderem: "Unabhängig vom letztlichen Ergebnis der derzeitigen Koalitionsverhandlungen ist es die Aufgabe der Sozialistischen Jugend, auf die Erfüllung der Wahlversprechen und die Umsetzung unserer eigenen Forderungen zu pochen. (...) In den nächsten Monaten wird die Sozialistische Jugend daher in jedem Fall gefordert sein, konsequent für ihre Positionen und für einen sozialistischen Kurswechsel in Österreich innerparteilich und öffentlich aufzutreten. Mit unserem Handeln werden wir auch in den nächsten Monaten dafür kämpfen, die SJ und die SPÖ als glaubwürdige Vertreterinnen der arbeitenden Menschen und der Jugendlichen zu positionieren."
In den kommenden Wochen und Monaten gilt es rund um die zentralen Wahlversprechen der SPÖ eine breite gesellschaftliche Mobilisierung zu organisieren. Auf den Schulen und Unis muss der Kampf für die Abschaffung der Studiengebühren und für ein hochwertiges öffentliches Bildungswesen begonnen werden. Die Gewerkschaften müssen rund um die Frage der Pensionen Druck erzeugen und eine Rücknahme der Pensionsreform des Jahres 2003 fordern. Verabschieden wir in den SJ-Gruppen, SPÖ-Sektionen und FSG-Strukturen Resolutionen, mit denen wir die SPÖ-Spitze zur Einhaltung ihrer Wahlversprechen und zur Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen auffordern. Der SJÖ kommt dabei eine besondere Verantwortung beim Aufbau einer starken Parteilinken zu. Die von der neuen Verbandsführung initiierte Internetplattform für eine Minderheitsregierung ist ein erster Schritt dazu.

Mit einem sozialistischen Programm, das konsequent den Interessen der Lohnabhängigen und der Jugend eine Stimme gibt, und einer offensiven Politik (einem roten "speed kills") kann das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zugunsten der ArbeiterInnenbewegung verschoben werden. Die Funke-Strömung wird in der SJ, der SPÖ und den Gewerkschaften aber vor allem in Schule, Unis, Betrieben und auf der Straße mit aller Kraft für einen sozialistischen Kurswechsel eintreten.

Wien, 15. November 2006


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