Der jährliche „Ehrenzug“ der Ustaša AnhängerInnen in Bleiburg/Pliberk in Kärnten/Koroška ist Sammelbecken der Wiederbetätigung und Geschichtsrevision. Ein Gastkommentar.
Die Nationalratswahlen haben einmal mehr gezeigt, dass rechtes Gedankengut und Populismus schon lange kein Hindernis mehr für einen Wahlerfolg sind. Vor allem in Kärnten/Koroška konnte die Freiheitliche Partei einen neuerlichen Erfolg für sich verbuchen und wurde hier stärkste Kraft.
Dass das Problem ein tiefgreifendes ist und sich nicht nur in diversen Stammtischgesprächen äußert, wird bei einem näheren Blick auf die Geschehnisse in Kärnten deutlich. So bietet dieses politische Umfeld viel Raum für das offene Auftreten von FaschistInnen. Nicht nur das jährliche Ulrichsbergtreffen, das heuer unter Teilnahme von 30 Neonazis stattgefunden hat, sondern auch der Aufmarsch der Ustaša in Bleiburg/Pliberk, bieten einer Ansammlung von faschistoiden Personen Raum. Dieser gilt als größtes Neonazitreffen Europas und vereinte 2016 30.000 AnhängerInnen eines historisch fragwürdigen Gedenkens an das „Massaker von Bleiburg“.
Historisch sind die Geschehnisse in und um Bleiburg/Pliberk im Mai 1945 mittlerweile gut zu belegen, dennoch hält sich der Opfermythos unter den AnhängerInnen des kroatischen Faschismus, vor allem in Hinblick auf die Ustaša, hartnäckig. Als die Niederschlagung des deutschen Reiches absehbar war, gab Ante Pavelić, Führer des NDH-Staates („Unabhängiger Staat Kroatien“) und de-facto-Marionette Hitlers und Mussolinis, den Befehl an seine Truppen, sich aus Zagreb zurück- und weiter in Richtung Kärnten/Koroška zu ziehen. Ziel war es, sich in Österreich den Britischen Truppen zu ergeben um sich so der Verantwortung für die begangenen Kriegsverbrechen zu entziehen. Trotz der Befreiung am 8. bzw. 9. Mai 1945, kam es in den darauffolgenden Tagen noch zu Kampfhandlungen zwischen PartisanInnen und den AnhängerInnen des NDH-Staates. Am 14. Mai steht die Kolonne Pavelićs schließlich am Loibacher Feld/Libuče bei Bleiburg/Pliberk. Die britischen Befehlshaber lehnen aufgrund des Abkommens unter den Alliierten eine Übernahme in die Kriegsgefangenschaft ab, es kommt zur bedingungslosen Kapitulation und die jugoslawische Volksbefreiungsarmee übernimmt schließlich die Kolonne der NDH-AnhängerInnen. In den darauffolgenden kommt es Tagen zu Fußmärschen durch das Grenzgebiet zurück in den jugoslawischen Raum.
Genau an diesem Punkt manifestierte sich der Opfermythos derjenigen, die noch heute am jährlichen Ustaša-Treffen teilnehmen. Offizielle Zahlen sprechen von 50.000 bis 70.000 Toten, die aus den Märschen, aus Hinrichtungen von Kriegsverbrechern und Erschießungen von Nazi-Kollaborateuren resultierten. Obwohl es historisch belegt ist, dass es in Loibach/Libuče zu keinerlei Massentötung gekommen ist und auch keine Gräber gefunden wurden, wurde dieser Ort nach dem zweiten Weltkrieg von Ustaša-Offizieren zum Sinnbild der eigenen Vergangenheitsrevision.
Seit den 1950er Jahren treffen sich in Bleiburg/Pliberk nun jährlich tausende Menschen, die den Opfermythos hochhalten. Auch kam es bei vergangenen Treffen immer wieder zu offensichtlicher Wiederbetätigung durch nationalsozialistische Symbole, Hitlergrüße oder faschistisches Liedgut. Zudem werden während der Veranstaltung in Kroatien verbotene Ustaša-Symbole präsentiert und JournalistInnen des Platzes verwiesen.
Verschiedene Vereine und Initiativen bemühen sich seit Jahren, dass das als kirchliche Gedenkveranstaltung getarnte Treffen unterbunden wird. So gab es vor dem „Ehrenzug“ am 14. Mai 2017 einen Appell, der sowohl an den Landeshauptmann, den Bundespräsidenten, als auch an den Innenminister gerichtet wurde.
Auszug aus dem Appell
Nachdem die Gedenkveranstaltung dieses rechtsextremistischen Vereins eine Trennung zwischen bewusst gestaltenden neonazistischen sowie faschistischen AkteurInnen und anderen Teilnehmenden praktisch nicht zulässt, ist die Untersagung der Veranstaltung die einzige Möglichkeit, dem antifaschistischen Auftrag des Österreichischen Staatsvertrags von 1955, insbesondere dem darin enthaltenen Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung, gerecht zu werden. Dies ist angesichts der Zunahme neonazistischer, rechtsextremer und xenophober Gewalt auch ein Anliegen im Sinne europäischer Zukunftsgestaltung.
In diesem Sinne ersuchen wir auch den Bundespräsidenten der Republik Österreich, Dr. Van der Bellen, sowohl den Ministerpräsidenten der Republik Slowenien, Dr. Miro Cerar, als auch die Präsidentin der Republik Kroatien, Kolinda Grabar-Kitaroviæ, zu informieren, dass die österreichischen Behörden in obiger Angelegenheit den verfassungsmäßigen Verpflichtungen des österreichischen Staates nachzukommen gedenken.
Die zuständigen Stellen nehmen ihre Verantwortung allerdings nicht wahr. Im Moment wird an einem neuerlichen Appell gearbeitet, zusätzlich werden Unterschriften von UnterstützerInnen gesammelt, um der Aufforderung auch öffentlichen Druck zu verleihen – denn letztendlich wird nur Druck von unten etwas bewirken. So sind auch schon Aktivitäten rund um das kommende Ustaša-Treffen im Mai 2018 geplant. Erste Erfolge waren eine umfassende, und auch kritische, Medienberichterstattung rund um den vergangenen „Ehrenzug“.
Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang, dass das offizielle Treffen auf kirchliche Einladung erfolgt und großteils auf Privatgrund stattfindet – offizielle Stellen verstecken sich dahinter, um ihr Nichteingreifen zu rechtfertigen. Für die InitiatorInnen steht jedoch außer Frage, dass ein faschistischer Aufmarsch verhindert werden muss.
Gerade Kärnten/Koroška steht in dieser Hinsicht in fragwürdiger Tradition und bietet immer wieder Raum für rechtsextreme Umtriebe. Es ist an der Zeit, sich aus diesem Handlungsmuster zu befreien und keinen Platz für faschistische Zusammentreffen entstehen zu lassen. Vor allem das Ustaša Treffen in Bleiburg/Piberk bietet nicht nur ehemaligen hochrangigen Nazi-Verbündeten die Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen, sondern entwickelt sich auch zum Sammelbecken für nationalistische junge KroatInnen, aber auch FaschistInnen aus dem deutschsprachigen Raum. Dadurch, dass der „Ehrenzug“ von offizieller Seite aus toleriert wird, werden auch die Verbrechen, die der mit den Nazionalsozialisten verbündete NDH-Staat während dem zweiten Weltkrieg begangen hat, in den Hintergrund gerückt. Somit werden die begangenen Massenmorde an Sinti, Roma, Jüdinnen und Juden, SerbInnen und WiderstandskämpferInnen in dieser Zeit legitimiert und relativiert. Viele der Opfer wurden in eigenen kroatischen Konzentrationslagern, etwa Jasenovac, ermordet.
In einer Zeit, in der Rassismus und Nationalismus zu Wahlkampfzwecken genutzt werden, ist es umso wichtiger neo-faschistischen Aufläufen Widerstand entgegenzusetzen. Smrt fašizmu, sloboda narodu - Tod dem Faschismus, Friede dem Volke!