Der österreichische Dokumentarfilm, erschienen 2023, von Regisseurin Katharina Mückstein ist ein Kinohit. Vera Kis hat ihn sich angesehen.

Ich habe den Film gerne gesehen und mir war nie langweilig. Die Abwechslung zwischen und Interviews und künstlerischen Einlagen macht den Film sehr kurzweilig und unterhaltsam: Tanzeinlagen, bunte Lichter und Hintergrundbilder, Boxerinnen, die auf eine männliche Dummy-Figur einschlagen und einmal eine zerstörte Wand im Hintergrund. Ein radikaler Chic!

Der Film hat durchaus inhaltlich gute Stellen: etwa das plakative Baby-X-Experiment. Dabei werden Erwachsene gebeten mit Babys zu spielen, die stereotyp in rosa oder hellblau gekleidet sind. Die Versuchspersonen sind komplett überzeugt, dass sich die hellblau gekleideten Kinder nur für Autos, Technik und Bewegungsspiele interessierten, während die rosa Kinder soziale Spiele mit Puppen zu den Themen Schönheit, Styling, Familie, etc. bevorzugen würden. Am Ende stellt sich jedoch heraus, dass die Mädchen mit hellblauem Gewand als Buben „verkleidet“ waren und umgekehrt die Burschen rosa-gekleidet. Das Experiment führt ausdrücklich vor Augen, dass Geschlechterrollen eben Rollen sind und nichts Genetisches.

Das Ganze wird aber nur vom Blickwinkel „falscher“ Vorstellungen her thematisiert, was den Schluss nahelegt, dass Frauenunterdrückung eine reine Vorstellungssache wäre und wenn alle richtig denken würden, von alleine verschwinden würde. Was ebenfalls nicht erwähnt wird, ist das Interesse der Konzerne. Wenn es alle Produkte für Kinder in Pink und Blau gibt, muss eine Familie, die eine Tochter und einen Sohn hat, alles zweimal kaufen.

Feminismus wird als divers präsentiert, eine Interviewte nennt es sogar explizit als Stärke des Feminismus, dass es keine theoretische Einigkeit und von allen geteilte Analyse gebe. Es werden liberaler, anarchistischer und der sogenannte „marxistische Feminismus“ als Spielarten erwähnt, allerdings scheinen alle Interviewten dem linksliberalen und postmodernen Spektrum zuzuordnen zu sein. Es werden nur AkademikerInnen interviewt und bis auf einige Nebensätze kommt Kapitalismus nicht vor. Eine Interviewte weist darauf hin, dass der Kapitalismus die Frauenunterdrückung braucht. Doch sie zieht daraus keine antikapitalistischen Schlüsse, sondern meint nur man müsse „die Binaritäten“ (also die Kategorisierung von Menschen in Mann und Frau) aufheben (?), um damit alle Unterdrückung per definitionem unmöglich zu machen.

Auch hier wird die Ursache des Problems in einem falschen Denken gesucht, statt in der Funktionsweise des Kapitalismus. So wird dann darüber philosophiert, dass es so viele Geschlechter gäbe wie Menschen. Dieser Drang, die Existenz von Geschlechtern und Kategorien überhaupt leugnen zu wollen, stammt aus der falschen Grundannahme, dass es eben Geschlechter sind, die unterdrückerisch sind, statt die Klassengesellschaft, und dass weiter alle Kategorien, die wir haben, rein ideologische Konstrukte wären.

Nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Stellen ist die postmoderne Ideologie deutlich spürbar. Es geht hauptsächlich um eine Veränderung des Denkens. Begrifflichkeiten wie „Privilegien“ sind Gang und Gebe. „Privilegien“ hat in dieser Diktion jede Person, die eine bestimmte Form der Unterdrückung nicht selbst erfährt, d.h. Männer, Weiße, Heterosexuelle, Cis-Personen, etc. Tatsache ist jedoch, dass sich z.B. ein Arbeiter durch sein Privileg als Mann nicht von kapitalistischer Ausbeutung befreien kann. Letztlich schneidet er sich mit Sexismus, Homophobie etc. ins eigene Fleisch, denn er schwächt dadurch den Klassenkampf gegen die Kapitalisten, die auch ihn ausbeuten.

Die einzigen Privilegien aber, die im gesamten Film keine Erwähnung finden, sind die der KapitalistInnen! Die Bürgerlichen sind die einzigen, die ein objektives Interesse an der Unterdrückung der Frau, an Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie und allen anderen Spielarten von menschenfeindlichen Ideologien haben, die dazu dienen die Masse der Lohnabhängigen – die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung – gespalten zu halten.

Reale Probleme von arbeitenden Frauen kommen im Film kaum vor. Kapitalismus wird zwar erwähnt, aber als ein Problem von vielen gesehen und betont, dass Kapitalismus, Sexismus und Rassismus auf einer Ebene gesehen werden müssten. So wird die Unterdrückung der Frau zum Sexismus und Kapitalismus scheint kein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem mehr, sondern nur noch eine von vielen Ideologien. Der Weg zum wirklichen Verständnis von Ausbeutung und Unterdrückung bleibt und den Kampf dagegen versperrt. Dieses Problem, das alle Schulen des Feminismus teilen, wird im Film durch seine selektive Auswahl der dargestellten Feminismus-Ansätze besonders deutlich.

Für die Regisseurin und die Interviewten dürfte das nicht relevant sein, da es ihrer Ansicht nach nur darum geht möglichst viele Perspektiven zu geben. Aber in Wirklichkeit passiert nicht einmal das, denn niemand stellt den postmodernen Konsens in Frage.

Im Werbeflyer des Films wird Feminismus als „die erfolgreichste soziale Bewegung des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet und gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, Feminismus wäre so etwas wie eine allgemeine Befreiungsbewegung aller Unterdrückten und Diskriminierten. Ich hätte große Lust gehabt zu fragen: „Habt ihr schon einmal etwas von der Arbeiterbewegung, von Sozialismus und Kommunismus gehört?!“

(Funke Nr. 213/24.4.2023)


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