Die Jugend radikalisiert sich zunehmend durch die kapitalistische Krise, die auch die Unterdrückung von Frauen erheblich verschärft. Auf der ganzen Welt sehen wir Bewegungen von Millionen Männern und Frauen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung wehren. Was sagen uns „Barbie der Film“ und noch viel mehr sein Hype unter Linken? fragt Smilla Gander.
Der Film entführt die Zuschauer nach Barbieland, wo die Frau nicht unterdrückt wird, sondern herrscht und in dessen Mittelpunkt unsere Protagonistin „Stereotypische Barbie“ steht. In ihrem Barbie-Traumhaus, umgeben von einer Gruppe von anderen Barbies (Präsidenten-Barbie, Wissenschaft-Barbie, usw.) und ihrem treuen Begleiter Ken an ihrer Seite, scheint das Leben makellos zu sein.
Diese malerische Existenz nimmt eine Wendung, als unsere Heldin die reale Welt bereist. Zu ihrem eigenen Schock muss Barbie lernen, dass ihre Existenz als hyperkompetente Spielpuppe, die Mädchen vermitteln sollte, dass sie alles werden können, die Frauen nicht von Sexismus befreit hat. Während sie versucht ihren Platz in dieser von Männern beherrschten Welt zu finden, lernt Ken das sogenannte Patriarchat kennen und lieben.
Doch so genau scheint niemand zu wissen, was dieses Patriachat sein soll. Nicht mal Ken, der sich als großer Fan dessen bekennt, scheint zu verstehen, was genau dieses Konzept beinhaltet. Sexismus wird uns nur als weiteres Hirngespinst präsentiert, genau wie die Barbie-Puppe, entstanden aus einem Unbehagen heraus. Woher kommt diese Unzufriedenheit, die uns Menschen dazu bringt Frauen zu unterdrücken und Plastik-Puppen zu verkaufen? Darauf hat der Film keine Antwort. Der Feminismus, wie auch der Film, begreifen die Unterdrückung der Frau als etwas, das auf der Ebene des Individuums auftritt und sich aus der Wahrnehmung anderer ergibt.
Die Kens führen das Patriarchat in Barbieland durch Gehirnwäsche ein, die Barbies besiegen es, indem sie sich durch Mund-Propaganda aus ihrer Unterdrückung „herausdenken“. Es ist ein Kampf der Ideen, zwischen zwei Geschlechtern, deren Ziele unvereinbar wirken.
In gewisser Weise muss der Film seine Machtlosigkeit und damit die Machtlosigkeit der Identitätspolitik selbst adressieren. Barbie und Ken scheitern daran, die reale Welt bzw. Barbieland zu verändern und der Status-quo in Barbieland, die Herrschaft der Frau, wird durch eine einfache Abstimmung wieder eingeführt. Deswegen verlässt man das Kino mit dem Gefühl, einen Film gesehen zu haben, indem nicht groß etwas passiert ist.
Denn wie soll sich auch etwas materiell verändern, wenn keiner in Barbieland erklären kann, was die Wurzeln der Spaltung in der Gesellschaft sind und wie die systematische Unterdrückung der Frau mit dem Kapitalismus und der Klassengesellschaft verflochten ist?
Auf den ersten Blick wirkt Regisseurin Greta Gerwigs Film beinahe selbstreflektiert: Der liberale Feminismus hat die Welt nicht gerettet. Unser Konsum und Diskurs haben keinen Effekt auf die materielle Welt. Egal wie viele Barbies verkauft werden, die Frauenunterdrückung bleibt beständig. Barbie der Film ist selbstironisch und selbstkritisch, soweit es ihm erlaubt ist. Denn er ist in erster Linie noch immer ein Werbespot, finanziert und produziert von Mattel, dem zweitgrößten Spielzeugkonzern der Welt. Man kann gerne Barbies sexistische Vergangenheit referenzieren, doch es ist wohl kein Zufall, dass im Film keine Anspielung darauf existiert, wie in Mattel-Fabriken in China sexualisierte Gewalt zur Unterdrückung weiblicher Billig-Arbeitskräfte eingesetzt wird. Das höchste der Gefühle ist etwa, dass Barbie, als sie in der realen Welt ihre „Schöpfer“ kennenlernt, sich wundert, dass es keine einzige Frau im Konzernvorstand gibt.
Der Feminismus befindet sich in einer Sackgasse, denn er kann den Ursprung der Frauenunterdrückung nicht erklären und ist deshalb nur in der Lage, oberflächliche und symbolische „Lösungen“ anzubieten, auch im Hollywood-Format.
Natürlich kann man diese Kritik belächeln, weshalb sollte man sich Klassenanalyse vom Barbie-Film erwarten? Doch diese identitätspolitischen Ansätze sind sehr real und sie desorganisieren den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Barbie ist ein weiterer Film, der uns erklären möchte, dass sich unsere gesellschaftlichen Grundlagen für eine bessere Welt nicht zu verändern brauchen. Wir verstehen, dass das nicht der Fall ist. Somit bleibt unser Appell: Barbies und Kens der Arbeiterklasse vereinigt euch, ihr habt nichts zu verlieren als eure Ketten.
(Funke Nr. 216/30.8.2023)