Kurz vor Prozessbeginn wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss musste noch schnell ein Propagandafilm her, um das Image von Altkanzler und „Staatsmann“ Sebastian Kurz aufzupolieren. Raphael Lins und Miriam Schaller waren im Kino.

Dort waren wir dann aber ziemlich allein. Bei unserem Besuch in einem großen Wiener Kino waren gerade einmal zehn Leute im Saal. Die wenigen, die sich ins Kino verirrt haben, machen sich auch eher lustig über die Hochglanz-Doku mit den vielen „dramatischen“ Slow-Motion-Effekten.

Zur Premiere im Artis-Kino musste zwar die gesamte ÖVP-Führung antanzen, und auch Kanzler Karl Nehammer kam noch zum Bier auf die Premierenfeier nach. Abgesehen von dieser PR-Aktion dürften aber nicht allzu viele ZuschauerInnen den Film gesehen haben.

Laut dem „Falter“ reagierte die Produktionsfirma prompt auf den eher bescheidenen Andrang und versuchte die Zahlen künstlich aufzubessern, indem sie bei Cineplexx Gruppentickets für ihren eigenen Film gekauft hat – aufgetaucht ist aber keiner, die Plätze blieben leer. Stolz verkündete die Produktionsfirma nach dem ersten Wochenende, dass 4000 in den Film gestürmt seien. Allein am vermeintlich besucherstärksten Tag wurden aber mindestens 270 Karten laut Billeteuren bei Cineplexx nicht eingelöst. In mindestens zwei Fällen wurden anscheinend erst eine halbe Stunde nach Filmbeginn noch 90 Tickets zu einem vergünstigten Preis eingebucht – auf Anweisung der Cineplexx-Zentrale.

Gutes Timing

Auch der Zeitpunkt des Filmstarts ist interessant: knapp vor Beginn des U-Ausschuss-Prozesses, in dem sich Kurz wegen Falschaussage verantworten muss. Am 18. Oktober geht’s los. Aber das ist natürlich reiner Zufall, genauso zufällig wie das reingewürgte und überraschende Erscheinen (der Film wurde erst eine Woche vor der Premiere überhaupt angekündigt) präzise vor dem Start einer kritischen Doku über Sebastian Kurz („Projekt Ballhausplatz“). Einen solchen „einseitigen“ Film kann man natürlich nicht unbeantwortet lassen, eine absolut objektive Dokumentation musste her, in der „beide Seiten“ (Regisseur Köllnreitner) „gezeigt werden“ sollen.

Die „beiden Seiten“ sind in diesem Fall: Kurz auf der einen, seine Getreuen auf der anderen Seite. Es zahlt sich kaum aus, zu viele Worte über den Film an sich zu verlieren. Er reiht sich nahtlos in die schon langweilig gewordene Dauerinszenierungskampagne ein, mit der dieses Land jetzt schon seit fast einem Jahrzehnt belästigt wird. Vertraute, Mitarbeiter, Fans und allen voran Kurz selbst schwärmen über den größten Teil der 89 Minuten vom „good looking boy“ (Schwarzenegger) und seiner „Affinität zur Bevölkerung“ (Spin-Doktor Fleischmann).

Durch die Mitwirkung von der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper, SPÖ-Altkanzler Christian Kern und sogenannten unabhängigen Experten gaukelt der Film einen dünnen Schleier an Objektivität vor. Manche Stimmen dürften dann aber doch zu kritisch geworden sein, wie beispielsweise die des Medienhistorikers Fritz Hausjell. Der wird zwar im Abspann erwähnt, jedoch sucht man im Film vergeblich nach einem Fetzen seines anderthalbstündigen Interviews, in dem er (laut eigener Aussage) die Mechanismen der Kurzschen „Message Control“ darlegte. Dazu gehörte allerdings auch der Film selbst, weshalb dieser Teil leider herausgekürzt wurde.

Die berühmt-berüchtigten Chatverläufe und der Ibiza-Skandal (Kurz bedauert hier das Ende der „extrem erfolgreichen Koalition“ mit der FPÖ) bleiben zwar nicht unerwähnt, werden aber sehr schnell abgehandelt. Das Vergehen von Kurz wird auf eine Beschimpfung (‚Oasch‘) gegen Ex-Vizekanzler Mitterlehner runtergekürzt. Das war alles. Also war eh nix. Und überhaupt sei das nur eine Trotzreaktion gegen Mitterlehners Biographie gewesen.

Auf der großen Filmplattform IMDb erreichte der Film kurzzeitig die sensationelle Bewertung von 9.6 (von 10) Punkten – alle (!) diese Bewertungen wurden von Benutzerkonten erstellt, die erst im September registriert wurden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Mittlerweile ist der Film gerechterweise auf einen von zehn Punkten abgestürzt.

Gehen wir einmal das höchst fragwürdige Finanzierungsmodell durch. Eine gewinnorientierte Firma (Opus-R) produziert auf eigene Kosten (angebliche 500.000 €) und ohne (die sonst üblichen) Förderungen einen Film, bei dem der Misserfolg vorhersehbar war. Um die Besucherzahlen zu schönen, investiert die Firma dann sogar noch einmal extra in ihren eigenen Film und kauft Tickets. Das alles passiert natürlich nicht aus politischer Überzeugung oder gar mit politischer Unterstützung, betont Regisseur Köllnreitner. Der will von einer etwaigen Nähe zu Kurz und der Volkspartei nichts wissen. Diesen Eindruck könnte man aber gewinnen, wenn man sich daran erinnert, dass fertig gedrehte – aber kritische – Kommentare, wie die von Hausjell, es „leider“ aufgrund von „dramaturgischen Entscheidungen“ (so Köllnreiter) nicht in den Film geschafft haben. Höchst erstaunlich ist auch die Mitgliedschaft des Produzenten Reisch im Tiroler Wirtschaftsbund. Wer hätte das gedacht.

Wehleidig wie ein geschlagener Hund wird am Schluss des Filmes über den Vernichtungskrieg (!) der Medien gegen „Sebastian“ gejammert, der viele zarte türkise Seelen in ihrem tiefsten Inneren getroffen haben muss. Überhaupt durchzieht ein melancholisch-gekränkter Zustand den ganzen Film, samt nachdenklicher Rückschau auf „die wilden Tage“, die nur durch das gemeine Wirken bösartiger politischer Kräfte ein unfaires Ende gefunden haben. Die eine oder andere mitleidige Träne soll geflossen sein.

Nachtrag

Am 22. September wurde ein weiterer Kurz-Film für 9,90€ auf der Streaming-Plattform Vimeo veröffentlicht. Regie führt Jakov Sedlar, dessen Spezialgebiet kroatisch-nationalistische Propagandafilme sind. Das Filmmaterial stammt von Kurz persönlich und von der ÖVP. Hier kommen nicht einmal Alibi-Kritiker zu Wort. Besonderes Augenmerk wird auf den „Einsatz von Kurz gegen den Antisemitismus“ gelegt. Offene Frage bleibt, wer hier die Fake-ZuschauerInnen finanzieren wird.

(Funke Nr. 217/26.9.2023)


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