Elisabeth Dmitrieff wurde 1850 als Tochter eines Aristokraten und einer Krankenschwester in der russischen Provinz Pskov geboren. Bereits in jungen Jahren war sie in der aufkeimenden sozialistischen Bewegung in St. Petersburg aktiv und nahm sich insbesondere ihren Landsmann, den russischen Schriftsteller und Revolutionär Nikolai Tschernyschewski als ideologisches Vorbild, den auch Karl Marx las und bewunderte.
Im Jahr 1868, im Alter von 18 Jahren, entschloss sich die damals schon hoch gebildete Dmitrieff, eine Scheinehe einzugehen, um nach Genf ziehen zu können, wo es Frauen bereits erlaubt war zu studieren. Dort schloss sie sich der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) an, die zu dieser Zeit vom ideologischen Konflikt zwischen Karl Marx und dem Anarchisten Michail Bakunin geprägt war. Dmitrieff begrüßte Marx‘ Ideen und stellte sich – mit der von ihr mitbegründeten russischen Sektion der IAA – klar auf seine Seite. 1870 verbrachte die damals 20-Jährige dann drei Monate in London, wo sie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse erforschte und Karl Marx persönlich kennenlernen konnte.
Zur selben Zeit kam es auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in Paris, zu starken Auseinandersetzungen zwischen den ausgebeuteten und unterdrückten Massen und der Bourgeoisie. Diese ergriff am 18. März 1871 schließlich die Flucht, woraufhin die ArbeiterInnen und die mit ihnen verbündeten KleinbürgerInnen die Kontrolle über die Stadt ergriffen und die Commune ausriefen. Dmitrieff war begeistert von der Entwicklung in Frankreich und ließ sich sofort als Delegierte der IAA nach Paris schicken.
Sie drängte dort darauf, Worten Taten folgen zu lassen, und legte auch bald selbst Hand an. Mithilfe anderer Arbeiterinnen eröffnete sie einige Kantinen und Erstversorgungszentren. Sie begründete am 8. April 1871 dann die Union des femmes pour la defénse de Paris et les soins aux blesses (Union der Frauen für die Verteidigung von Paris und die Verwundetenpflege) mit. Das kurzfristige Ziel der Union war die Verteidigung von Paris gegen die Truppen des französischen Staates aus Versailles, jedoch stellten sich die Frauen der Union auch gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse und setzten sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein.
Innerhalb der zehn Wochen, in denen die Commune bestand, schafften es Dmitrieff und ihre Union, in den Pariser Betrieben die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen durchzusetzen, nachdem sie in ihrem Manifest das „Ende allen Wettbewerbs zwischen männlichen und weiblichen Arbeitern“ verlangt hatten, da „ihre Interessen identisch und ihre Solidarität essentiell für den Erfolg des endgültigen, weltweiten Schlags der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus“ sind.
Die Commune wurde schließlich während der Blutigen Woche im Mai 1871 von preußischen und französischen Truppen zerschlagen, woraufhin Dmitrieff in die Schweiz floh, wo sie anderen RevolutionärInnen Schutz bot. Schließlich folgte sie ihrem zweiten Ehemann ins Exil nach Sibirien, wo sie – enttäuscht vom Scheitern der revolutionären Commune – den Rest ihres Lebens fernab der Politik verbrachte und zwischen 1910 und 1918 verstarb.
von Astrid Schmalzhofer