Am Samstag kündigte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum über das von EU, EZB und IWF verlangte Sparpaket an. Seither überschlagen sich die Ereignisse. Die entstandene Situation analysiert Sandro Tsipouras

Im Vorfeld war der griechischen Verhandlungsdelegation ein „äußerst großzügiger“ (Merkel), in Wirklichkeit aber demütigender und provokanter Vorschlag vorgelegt worden. Dies geschah, nachdem Griechenland am vergangenen Montag einen Vorschlag vorlegte, der selbst schon einer Kapitulation gleichkam (schwere Massensteuern Erhöhungen hätten sämtliche von den Gläubigern ursprünglich geforderten Budgetziele erreicht und teilweise sogar übertroffen) und es einige Tage so aussah, als wäre eine Einigung zum Greifen nahe. Doch die Niederlage der SYRIZA-Regierung war den Gläubigern zu wenig, sie wollen die Zerstörung der Links-Regierung.

Der Troika-Vorschlag war für die griechische Regierung unannehmbar, was genau das Ziel der Institutionen war. Die Troika wollte einen „fliegenden Regierungswechsel“ erpressen, der eine „Regierung der nationalen Einheit“ unter Ausschluss der Syriza-Linken und dafür mit Unterstützung der einen oder anderen bürgerlichen Partei ergeben würde. Dies sollte in der europäischen Öffentlichkeit ein für alle Mal klar stellen, dass ein Widerstand gegen das Spardiktat zum Scheitern verurteilt ist und somit einen Linksruck vor allem in südeuropäischen Ländern zu verhindern.

Als Antwort darauf kündigte Tsipras am Samstag eine Volksabstimmung über den IWF-Vorschlag an. Diese soll am 5. Juli stattfinden. In seinem Aufruf erklärte er, dass der Vorschlag der Troika „nicht nur die Unsicherheit verewigt, sondern die soziale Ungleichheit noch verstärken will. Sie wollen Maßnahmen zur weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Pensionskürzungen, weitere Kürzungen der Löhne im öffentlichen Sektor und eine Steigerung der Mehrwertsteuer auf Essen und Tourismus“. Er stellte fest: „In den Bereichen der Arbeit, Gleichheit und Würde zielen einige unserer Partner offensichtlich nicht auf eine tragfähige und vorteilhafte Einigung zugunsten aller Beteiligten ab, sondern auf die Demütigung des gesamten griechischen Volkes.“ Er beschrieb das Vorgehen der Gläubiger als „Erpressung, damit wir schwere und demütigende Sparmaßnahmen ohne Ende akzeptieren, ohne die Aussicht, uns jemals wieder sozial und ökonomisch zu erholen.“

Tsipras betonte, dass er mit dieser Volksabstimmung, die Verhandlungsposition der griechischen Seite gegenüber der Troika wieder zu stärken gedenke. Dazu passt auch, dass er bei Merkel, Hollande und Draghi um ein paar Tage Aufschub gebeten hat, um das Referendum durchführen zu können. Der Minister für Verwaltungsreform, Katrougalos, sagte: „ein Nein im Referendum wird der Regierung ein Mandat geben, zu den Gläubigern zurückzugehen und bessere Bedingungen auszuhandeln“. „Alles wird sich ändern“, bestätigte Verteidigungsminister und ANEL-Vorstizender Panos Kammenos, „wenn die Institutionen auf der heutigen Eurogruppensitzung den Vorschlag der griechischen Regierung akzeptieren“.

Doch diese strategischen Überlegungen der griechischen Links-Regierung finden im Verhalten der Troika-Institutionen keinen Ansatzpunkt: Die EU akzeptiert nur die völlige Kapitulation der SYRIZA-Regierung, für wirkliche Verhandlungen ist absolut kein Spielraum mehr. Auf der einen Seite steht die Unnachgiebigkeit der Troika mit ihrer Forderung, dass die ArbeiterInnen und PensionistInnen das ganze Gewicht der Kürzungen ertragen sollten und ihre Weigerung, irgendeine Art von Schuldenerleichterung zuzulassen. Auf der anderen Seite reflektiert die Unterstützung für Syriza die Wut der Massen. Die SYRIZA-Regierung kann sich in so einer Situation nicht zwischen die Stühle setzen. Was auch immer Tsipras ursprünglich mit der Volksabstimmung bezweckt hat, das Referendum hat ganz andere Dynamiken ausgelöst.

Merkel, Juncker und Co. waren gegen die Durchführung einer Volksabstimmung, und schüren nun die Angst in der griechischen Bevölkerung, indem sie offensiv vortragen, dass ein „Nein“ zu ihrem Ultimatum schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen würde. Zusammen mit dem griechischen Kapital, der Kirche und den Massenmedien machen die „Institutionen“ schon jetzt das Referendum zu einer „Abstimmung über Europa“. Die Drohung an das griechische Volk ist unverhüllt ausgesprochen. Die Daumenschrauben werden enorm angezogen, die griechische Wirtschaft an den Rande des Zusammenbruchs geführt: Die EZB stellt den griechischen Banken keine zusätzlichen Refinanzierungs-Kredite mehr zur Verfügung. In Folge dessen musste Griechenland Kapitalverkehrskontrollen einführen, die Banken bleiben bis mindestens nächsten Dienstag geschlossen, von Konten können pro Tag nur mehr 60€ abgehoben werden. Die Börse soll ebenfalls die ganze Woche geschlossen bleiben.

Außerdem muss morgen, am Dienstag die nächste Tranche an den IWF bezahlt werden, was für Griechenland ohne die Unterstützung der Gläubiger unmöglich ist. All das wird genutzt werden, um die GriechInnen und die Syriza-Regierung zu erpressen. Aus diesem Grund muss die Zeit bis zu Durchführung des Referendums genutzt werden, um mit Mobilisierungen auf der Straße eine stabile Mehrheit für ein „Nein“ zu garantieren. Doch es ist auch klar: jede weitere Provokation wird die Situation nur noch weiter polarisieren und die griechischen ArbeiterInnen weiter radikalisieren.

Die Massen haben von jeglicher Art Memorandum entschieden genug und werden das in den kommenden Tagen auch kraftvoll zum Ausdruck bringen. Ein Beispiel war das Sonntagsgebet in Thessaloniki: Der dortige Bischof sagte in seiner Sonntagspredigt, dass er auf jeden Fall „für Europa“ stimmen werde. Daraufhin wurde mit „Oxi! Oxi! (Nein!)“- Rufen unterbrochen und die Predigt wurde schlagartig beendet. Viele ArbeiterInnen, Jugendliche und PensionistInnen haben auch keine Angst mehr vor einem Bruch mit der EU. Sie halten den Austritt für keine Lösung, aber sie lehnen das „Angebot“ der Troika entschieden ab. Sie haben aus eigener Erfahrung gelernt, welche Auswirkungen die Kürzungspakete haben, und sie wissen, dass all die Opfer und Leiden in dem Sinne umsonst sind, dass sie weder die Krise noch die Schuldenfrage lösen können.

Eine Ablehnung des Spardiktats durch Tsipras, ist nach Monaten des Zurückweichens vor den ErpersserInnen, ein gewaltiger Schritt vorwärts. Die Situation erfordert aber einen kompletten Bruch mit den ErpresserInnen der Institutionen und der kapitalistischen Wirtschaft an sich.

Aus Athen wird berichtet, dass es Versorgungsschwierigkeiten etwa bei Treibstoff gibt, solche Meldungen werden sich häufen. Es wird sich zeigen, dass politische Sabotage-Akte der Bourgoisie hinter solchem Mangel stecken. Abgesehen davon sind funktionierende Banken eine Grundlage des modernen Kapitalismus, und wenn es die nun nicht gibt, muss man die Schwierigkeiten, die sich aus einer gestörten Geld-Zirkulation ergeben eben durch den bewussten Willen und Tat der ArbeiterInnenklasse ersetzen. Die Bedürfnisse der Menschen vor die Profitinteressen der Eigentümer: Treibstoff, Nahrung, Medikamente für die griechische Bevölkerung, ganz egal wie das die Konzerne sehen!

Die Dynamik der Ereignisse ist klar: jetzt in die Offensive gehen, der politische und ökonomische Gegner geht aufs Ganze, und wird nur die Kapitulation der ArbeiterInnenklasse akzeptieren. Es wird sich in Griechenland eine fünfte Kolonne des europäischen Kapitals bilden, die aktiv für die Niederlage der SYRIZA-Regierung agieren wird. Angst vor der Ungewissheit wird das zentrale Argument für die Akzeptanz der Kapitulation sein. Dem gilt es entschieden entgegen zu halten: in Griechenland und international. Die Kampagne für das „Nein“ muss frei von Halbheiten sein, und die Stimmung der Zuversicht erzeugen.

Unsere GenossInnen der Kommunistischen Strömung der SYRIZA argumentieren in der Partei und in der Öffentlichkeit bereits seit geraumer Zeit für:

  • Massenkundgebungen und offene Diskussionen in jeder Stadt und jedem Viertel, um für ein „Nein“ zu kämpfen.
  • Sofortige Verstaatlichung der Banken zum Schutz der Einlagen der kleinen und mittleren BankkundInnen vor der Sabotage der Troika und der griechischen Oligarchie.
  • Die ArbeiterInnen sollten ihre Betriebe besetzen und selbst dafür sorgen, dass es nicht zu wirtschaftlicher Sabotage kommt. Die Gewerkschaften sollten hier eine organisierende Rolle spielen.
  • Enteignung der KapitalistInnen, die versuchen, das Volk zu erpressen und zu terrorisieren.

Auch die ArbeiterInnen und Jugendlichen in Österreich müssen sich bewusst sein, dass die Spaltung in Europa nicht zwischen Griechenland und Europa verläuft, sondern zwischen den großen Bank-und Konzernbesitzern und ihren Handlangern und dem Rest der Bevölkerung. Die „Hilfszahlungen an Griechenland“ waren und sind nichts anderes, als versteckte Bankenrettungspakete für die heimischen Banken. Jetzt sind sie auf der sicheren Seite, und die Zeche sollen sowohl die Menschen in Griechenland zahlen, deren Leben weiter zerstört werden soll, als auch die ArbeiterInnen im Rest von Europa, die mit ihren Steuern für die Zeche der Banken aufkommen sollen. Deswegen zeigen wir auch hierzulande unsere Solidarität mit den griechischen Massen und den Widerstand gegen die Pläne unserer eigenen Erpresser-Regierung!

Die kommunistische Strömung in SYRIZA in Griechenland, der Funke in Österreich und die IMT weltweit kämpfen entschlossen dafür, dass ein Sieg der arbeitenden Massen im Referendum zum ersten Schritt im sozialistischen Bruch mit den Erpressern wird. Mit den Sparpaketen und Memoranden muss auch der Kapitalismus beseitigt werden, der sie hervorgebracht hat.

Nieder mit der Troika. Brecht mit dem Kapitalismus. Hoch die Internationale Solidarität!


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