US-Wahlkampf. Die Anti-Establishment Stimmung wird deutlich. Rund um Trump und Sanders findet eine Polarisierung statt, die dem Zwei-Parteien-System hart zusetzt. Agnes Friesenbichler analysiert.

Vor allem der deutliche Sieg von Sanders bei den Vorwahlen der Demokraten in New Hampshire hat die Begeisterung um seine Person ordentlich befeuert. Er gilt seither als ernsthafter Gegner Hillary Clintons. Vor allem junge AmerikanerInnen unterstützen begeistert den 74-jährigen Kandidaten, der eine „politische Revolution gegen die Milliardärsklasse“ fordert. In New Hampshire erhielt Bernie Sanders 86% der demokratischen Stimmen der 18 bis 24-jährigen.

Doch auch das republikanische Lager zeigt sich sehr polarisiert. Donald Trump, der rechts-populistische Kandidat, dominiert bislang die Vorwahlen hier ganz klar, obwohl die gesamte Parteielite gegen ihn arbeitet.

Polarisierung

In den USA erleben wir momentan also eine Polarisierung zwischen einem „Sozialisten“, der sich gegen die „Agenten der Wall Street“ stellt und 15$ Mindestlohn fordert, auf der einen Seite und einem milliardenschweren Business Man, der verspicht, „Amerika wieder groß zu machen“, auf der anderen Seite.

Die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus seit 2008 markiert einen historischen Wendepunkt in der politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung. Die seither sinkenden Familieneinkommen, die Unsicherheit am Arbeitsmarkt, der massive Anstieg privater Verschuldung, der Verlust sicherer Industriearbeitsplätze, die extreme Anhäufung des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen einer kleinen Minderheit von Superreichen etc. sind alles Entwicklungen, die gegen das Bewusstsein der Menschen hämmern. Das ist auch die Grundlage dafür, dass die öffentliche Meinung extrem polarisiert ist.

Nach dem erfolglosen „Krieg gegen den Terror“ und dem hohlen Patriotismus von George W. Bush fiel der „Hope and Change“-Wahlkampf von Obama 2007/08 auf fruchtbaren Boden. Der Amtsantritt des ersten schwarzen Präsidenten war mit vielen Hoffnungen verbunden. Doch schon bald war von „Yes, we can“ nicht mehr viel übrig. Obwohl die Demokraten die ersten zwei Jahre die Administration komplett dominierten, sind die erhofften Veränderungen ausgeblieben. Politische Frustration mit den Demokraten und dem politischen Establishment machte sich breit. In den letzten Jahren gab es in den USA eine Reihe von radikalen Bewegungen: Die Generalstreikbewegung in Wisconsin (2011), der Konflikt um die Südstaatenflagge, Occupy Wall Street bis hin zur Black Lives Matters-Bewegung gegen rassistische Polizeigewalt.

Diese Radikalisierung sucht nun einen politischen Ausdruck. Vor 8 Jahren haben noch Slogans wie „Hoffnung“ und „Veränderung“ Begeisterung ausgelöst, heute sind es Worte wie „Sozialismus“ und „Revolution“. Sanders Programm beinhaltet Forderungen nach einem Mindestlohn, allgemeiner Gesundheitsversorgung, gleichem Lohn für Frauen und Maßnahmen gegen Polizeigewalt. Damit spricht er der Jugend direkt aus dem Herzen. Ist es doch die erste Generation seit dem Zweiten Weltkrieg, die den Lebensstandard ihrer Eltern nicht mehr halten kann. Mittlerweile sehen sich in den USA 31% der demokratischen WählerInnen als SozialistInnen, bei den unter 35-jährigen sind es sogar über die Hälfte.

Erstaunlich mag dabei erscheinen, dass Sanders und Trump teilweise aus demselben sozialen Wählerreservoir schöpfen. Es deuten etwa Umfragen aus New Hampshire darauf hin, dass dort bis kurz vor den Vorwahlen ein Großteil der UnterstützerInnen von Bernie Sanders noch nicht entschieden hatten, ob sie sich für Sanders oder doch für die Trump-Kampagne einschreiben sollten. So unterschiedlich ihre Programme auch sind, die Kandidaten haben eines gemein, was ihren Erfolg ausmacht. Beide werden als Antithese zum verhassten Establishment wahrgenommen.

Während in der älteren Generation viele sind, denen eine Radikalisierung bürgerlicher Politik à la Trump ein gangbarer Weg zum Erhalt des Lebensstandards erscheint, überwiegt in der jungen Generation die Forderung nach einem Bruch mit dem herrschenden System. Die Bewegung „Shut down Trump“ ist dabei das jüngste Phänomen der politischen Polarisierung. Tausenden AktivistInnen gelang es am 11.3., einen Auftritt Trumps in Chicago zu verhindern, seither musste der Milliardär „aus Sicherheitsgründen“ weitere Veranstaltungen absagen. Nicht Hillary oder die liberalen Medienkonzerne können eine ultra-reaktionäre Wende stoppen, sondern nur die tätige Bewegung, die aktiv einen Ausweg aus der Sackgasse US-amerikanischer Politik sucht.

Die Krise der Republikanischen Partei

Donald Trump ist ein wirtschaftlicher und politischer Abenteurer, der einige Jahre lang auch die Demokraten unterstützt hat. Kandidaten wie Ted Cruz, ein evangelikaler Fundamentalist, oder der erzreaktionäre Exilkubaner Marco Rubio entsprechen viel eher dem Klischee des typischen Republikaners. Mit Jeb Bush, dem klar favorisierten Kandidaten der Parteielite, ist das republikanische Zentrum in den Vorwahlen aber bereits komplett gescheitert.

Die Unberechenbarkeit Trumps und seine provokante Rhetorik machen aus ihm einen sehr ungemütlichen Kandidaten. Die Republikaner stehen vor einer Zerreißprobe: Kann man Trump unter Kontrolle der Partei bringen, oder riskiert man eine Spaltung der Republikaner, indem man am Parteikonvent einem anderen Kandidaten das Ticket für die Wahl gibt? Immer mehr namhafte Vertreter der Partei äußern sich öffentlich und vehement gegen einen potentiellen Spitzenkandidaten Trump. Die krasseste Aussage formulierte hier Max Boot, der außenpolitische Berater Marco Rubios, der erklärte: „Ich würde eher für Josef Stalin stimmen als für Donald Trump. … Ich würde sogar viel eher Hillary Clinton unterstützen.”

Ob es zu einer Spaltung kommt, ob Trump die Partei übernimmt oder als Ein-Mann-Show ohne Unterstützung des Apparats antritt, all das werden die kommenden Ereignisse zeigen. Doch eines ist sicher: Die Turbulenzen innerhalb des rechten, bürgerlichen Lagers haben gerade erst begonnen.

Ist Sanders der amerikanische Corbyn?

Aus Sicht der Arbeiterbewegung sind die Entwicklungen im Vorwahlkampf der Demokraten aber natürlich viel interessanter. Bernie Sanders schafft es immer breitere Unterstützung zu bekommen, im Zuge seiner Wahlkampagne konnte er schon Zehntausende mobilisieren. Als gesellschaftliches Phänomen ist er dabei mit Jeremy Corbyn in Großbritannien zu vergleichen.

Ein wesentlicher Unterschied zu Corbyn ist jedoch, dass die Demokratische Partei in den USA nicht dasselbe wie die Labour Party in Großbritannien ist. Die Demokraten sind keine Partei im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine gigantische Wahlkampfmaschinerie, in der es keine Basisstrukturen gibt, in denen man über Programme diskutieren könnte, oder versuchen könnte ein alternatives Programm durchzusetzen. Vor allem aber ist sie eine der beiden traditionellen Parteien, die direkt unter der Kontrolle der Wall Street stehen. Der US-amerikanische Historiker Gore Vidal beschrieb einst das Zweiparteiensystem in den USA treffend mit dem Satz: „Es gibt nur eine Partei in den Vereinigten Staaten, die Partei des Privateigentums (…) und die hat zwei Flügel: einen republikanischen und einen demokratischen.“

Die Herausbildung einer eigenständigen Massenpartei der Arbeiterklasse ist eine historische Notwendigkeit in den USA. Dies setzt jedoch voraus, dass die amerikanischen Gewerkschaften den völligen Bruch mit den Demokraten vollziehen.

Wie weiter?

Sanders spricht offen an, dass es egal sei, ob er, Hillary Clinton oder Trump die kommenden Wahlen gewinnen würden, denn „entscheiden werden immer die Banken.“ Wenn es Sanders mit der „Revolution gegen die Milliardärsklasse“ ernstnimmt, dann muss er politisch mit dieser Klasse brechen, die auch die Demokratische Partei kontrolliert. Es ist positiv, dass er angekündigt hat, dass er den Vorwahlkampf ungeachtet der Ergebnisse in den einzelnen Staaten bis zum Ende durchziehen wird. Entscheidend wird dann die Frage sein, ob die Bewegung, die hinter ihm steht, ihn dazu bringt, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Wenn es dazu käme, dann könnte dies die Basis für eine dritte politische Kraft, eine Massenpartei der Arbeiterklasse, ebnen. Unterstützt er letztendlich aber Clinton, diente seine Kampagne nur zur Mobilisierung linker Stimmen für eine Kandidatin der herrschenden Klasse.

46% der unter 25-jährigen würden heute in den USA ein sozialistisches System dem bestehenden kapitalistischen vorziehen. In der Epoche des kapitalistischen Niedergangs wird das politische und soziale System der USA komplett auf den Kopf gestellt werden. Lange waren sozialistische Ideen in den USA eine gesellschaftliche Randerscheinung und die Propaganda des Kalten Krieges zeigte in allen Schichten der amerikanischen Gesellschaft ihre Wirkung. Diese Ära ist jedenfalls nunmehr bereits Vergangenheit, und der Maulwurf der Geschichte gräbt unaufhörlich weiter.


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