USA. In den US-Amerikanischen Vorwahlen hat sich Hillary Clinton die Kandidatur der Demokraten  gesichert und den rebellischen Gegenkandidaten Bernie Sanders erfolgreich gemaßregelt. Von Caspar Leeb.

Die diesjährigen Vorwahlen wurden mehr als sonst mit Spannung in allen Medien, Parteien und der ganzen Welt verfolgt: Auf republikanischer wie demokratischer Seite zogen untypische Kandidaten ins Rennen, die zum Schrecken der Herrschenden mehr Erfolg hatten, als erwartet. Beide haben eines gemeinsam: Sie präsentierten sich als Kandidaten gegen das Establishment. Ihr Erfolg spiegelt den wachsenden Unmut der Menschen mit dem bestehenden System und die Wut gegen das oberste Prozent wider. Auch in den USA gibt es eine Polarisierung der Gesellschaft, die sich in den Vorwahlen ausdrückte.

Auf der einen Seite stand der Milliardär Donald Trump, der auf die Sorgen der Menschen mit Hetze gegen Muslime und illegale Einwanderer antwortet, und der nach den Vorwahlen nun offizieller Kandidat der Republikaner ist. Auf der anderen Seite ging Bernie Sanders, der 74-jährige Senator und selbsternannte Sozialist aus Vermont, ins Rennen um die Demokratische Kandidatur.

Bernie Sanders, ein gebürtiger New Yorker mit polnischen Wurzeln, ist seit Jahrzehnten linker Aktivist und war die längste Zeit der einzige Kongressabgeordnete sowie später Senator, der nicht Mitglied der beiden Großparteien war.Als er März 2015 seine Kampagne als Präsidentschaftskandidat der demokratischen Partei verkündete, wurde er als Witzfigur bezeichnet und sein Name wurde oft nicht einmal in den Zeitungen erwähnt. Aber Sanders erschütterte die politische Ordnung, als er über die Monate hinweg 23 Staaten gewann und fast 13 Millionen Stimmen bekam, und somit sogar zu einem Risiko für die neokonservative und Establishment-Favoritin Hillary Clinton wurde.

Obwohl das Establishment mit allen möglichen Tricks versuchte, die Massenbewegung aufzuhalten, die sich um seine Kampagne entwickelte, indem sie Debatten absagten, ihm Positionen innerhalb des von Republikanern dominierten Kongress versprachen, bishin zu offenem Wahlbetrug, gab sich Sanders in seiner Rhetorik und seinen Ansichten nur noch radikaler: er schloss sich einem Streikposten gegen dem Massenkonzern Verizon an und verlangte die Verhaftung jener, die für die weltweiten Krise des Kapitalismus seit 2007 verantwortlich waren.

Vermeintlicher Pragmatismus

Letztlich verlor Sanders mit 43% der Stimmen die Vorwahlen, doch er gewann die Unterstützung Millionen politisierter ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und Jugendlicher. 65% seiner WählerInnen unter 35, und 52% seiner WählerInnen insgesamt hätten ihn gerne als unabhängigen Präsidentschaftskandidaten gesehen. Sanders hat seinerseits wiederholt klar gemacht, dass er nach einer Niederlage in Vorwahlen Clinton unterstützt, um „die Partei nicht zu spalten“. Die Parteispitze will nun Sanders so schnell wie möglich aus dem Rennen drängen, so dass Clinton sich auf Trump konzentrieren kann, aber gleichzeitig wollen sie so viele UnterstützerInnen Sanders wie möglich auf die Seite Clintons ziehen. Nach all seiner Anti-Wall Street-Rhetorik fällt Sanders nun die Aufgabe zu, die Kandidatin der Wall Street an linke Jugendliche und ArbeiterInnen zu vermarkten. Eine bewährte Strategie: Seit den 1990er Jahren ließ man immer einen „kritischen“ Kandidaten bei den Demokraten zu, nur um seine Stimmen letztlich dem Establishment-Kandidaten zuzuspielen. Die herrschende Klasse in Amerika kontrolliert beide Großparteien. Wenn eine Partei sich diskreditiert, verwenden sie die andere, und die Arbeiterklasse stimmt zähneknirschend für das „geringere Übel“. Doch beide Parteien sind in den letzten vier Jahrzehnten so weit nach rechts gegangen, dass man kaum von einem „geringeren Übel“ sprechen kann.

Die IMT hat von Anfang an argumentiert, dass Sanders unabhängig von den Demokraten antreten hätte sollen, und dass seine Illusionen darüber, das Programm der Partei beeinflussen zu können, an der Macht der Wall Street zerschellen würden.

Viele rechtliche Hürden, Geld und die Medien erschweren den Aufstieg neuer Parteien in den USA. Dies war wohl der Grund, warum Sanders den pragmatischen Weg ging und als Kandidat der Demokraten antrat, obgleich er diese immer stark kritisiert hatte. In der Praxis hat er auch in der Vergangenheit die Demokraten „von außen“ unterstützt und im Kongress mit ihnen zusammengearbeitet.
Als demokratischer Kandidat erhielt er wesentlich mehr Medienpräsenz als ein Unabhängiger, aber der Preis dafür ist, dass er nun nach den Regeln des Kapitals spielt, und dieses will der Arbeiterklasse keine Chance auf eine unabhängige Stimme lassen. Da Sanders aus seinen linksreformistischen, sozialen Forderungen und dem Ruf nach einer „politischen Revolution“ nicht die notwendigen praktischen Schritte zieht, verdammt ihn sein Pragmatismus nun zur Passivität.

Für eine Partei der ArbeiterInnen

Sanders Unterstützung für Clinton wird große Enttäuschung und Demoralisierung, aber auch eine enorme Wut auslösen und Menschen dazu bewegen, auf die Suche nach Antworten zu gehen und die Schlüsse aus dieser Erfahrung zu ziehen. Diese Wahlen stehen erst am Anfang eines Prozesses, in dem sich die Widersprüche in der Gesellschaft zuspitzen und die Arbeiterklasse nach einem Ausweg sucht. Für die Arbeiterklasse der USA wäre eine linke Massenpartei, ein organisatorischer Ausdruck der Interessen der ArbeiterInnen, eine historische Errungenschaft. In einer solchen würden wir für ein sozialistisches Programm kämpfen. Wir leben in einer Epoche, in die Bedingungen für eine Revolution überall auf der Welt heranreifen: Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse, und eine Arbeiterklasse, die bereit ist, das System zu stürzen. In den USA sind diese Entwicklungen noch in ihren Anfängen, aber auf der Basis der gegenwärtigen Situation können sie sich schnell zuspitzen. Über den Sieg oder die Niederlage einer sozialistischen Revolution entscheidet letztlich, ob die ArbeiterInnen eine revolutionäre Organisation mit ausreichendem Einfluss haben.


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