Trotz des Reichtums der USA, der genüge um allen Menschen einen hohen Lebensstandard zu ermöglichen, herrscht dort eine erschütternde Ungleichheit und das Gift des Rassismus gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung vor. Martin Gutlederer beschreibt den Kampf dagegen.

AfroamerikanerInnen stellen zwar nur 13% der US-Bevölkerung, ihr Anteil an den Gefängnisinsassen ist aber weit höher. Richter verhängen bei Schwarzen auch viel häufiger die Todesstrafe. Afroamerikanische Jugendliche sind überproportional häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, und es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht von Schikanen, Einschüchterungen oder offener Gewalt durch die Polizei oder rassistische Gruppen betroffen sind.

Gerade die Polizeigewalt hat zu einem Wiederaufflammen des Kampfes für Gleichberechtigung geführt. Angesichts der Ermordungen von Michael Brown in Ferguson (Missouri) und Eric Garner in New York City bildete sich die „Black Lives Matter“-Bewegung, die gegen die Tötungen unbewaffneter, unbescholtener Schwarzer mobil macht. Die Demonstrationen in Ferguson waren so stark und militant, dass der Staat sich nur noch mit massivster polizeilicher und militärischer Repression zu wehren wusste. Die Ermordungen von Schwarzen durch weiße Polizisten konnten trotz dieser engagierten Proteste nicht gestoppt oder verringert werden. Es ist aber sehr wohl gelungen, dieses Thema ins öffentliche Interesse zu rücken, was sich auch im US-Vorwahlkampf 2016 auswirkte.

Zweierlei Maß

Eine neuerliche Eskalation fand statt, nachdem am 20. September in Charlotte (North Carolina) ein unbewaffneter afroamerikanischer Familienvater, der auf seine Tochter wartete, von einer Polizistin erschossen wurde. Die Polizei und die Stadtverwaltung behaupteten anfänglich, der Ermordete wäre bewaffnet gewesen und veröffentlichte erst unter dem Druck der Proteste ein Video, auf dem das Gegenteil zu sehen war. Bei den aufstandsähnlichen Protesten die folgten, kam es einmal mehr zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden, Tränengas wurde eingesetzt, und mittlerweile wurde der Ausnahmezustand verhängt und die Nationalgarde entsandt.

Das ist besonders zynisch, wenn man bedenkt, dass angesichts des Hurrikans Katherina im Jahr 2005, der besonders die schwarze Bevölkerung in Louisiana getroffen hat, die Nationalgarde nur verspätet und nicht in vollem Umfang eingesetzt wurde, weil damals die Priorität auf dem imperialistischen Abenteuer im Irak lag: Rund 40% der Nationalgarde von Louisiana waren dort stationiert und nicht verfügbar und auch das Hinzuziehen der Nationalgarde von benachbarten Bundesstaaten wurde erst verzögert gebilligt. Der US-amerikanische Staat, egal ob unter der Administration von George W. Bush oder des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama, zeigt also klar, wo seine Prioritäten liegen.

Der Fall Kaepernick

Großes Aufsehen erregt derzeit die öffentliche Medienkampagne gegen afroamerikanische SportlerInnen, die sich als Zeichen des Protests gegen Polizeigewalt weigern die US-Nationalhymne zu singen. Beispielhaft sei hier der Quarterback der San Francisco 49ers Colin Kaepernick genannt. Donald Trump forderte den NFL-Star sogar auf, das Land zu verlassen, nachdem sich dieser geweigert hat bei der Hymne aufzustehen. Kaepernick schaltet sich seither offen in die politische Debatte ein und kritisiert dabei beide PräsidentschaftskandidatInnen. So hielt er Hillary Clinton vor, dass sie in der Vergangenheit „schwarze Kinder und Teenager als Bedrohung bezeichnet hat“. Er weist dabei auf ein Zitat von Clinton aus dem Jahre 1996 hin, als sie im Rahmen des „Violent Crime Control and Law Enforcement Act“ schwarze Jugendliche unter anderem „als Raubtiere ohne jegliches Gewissen und Empathie“ bezeichnete. Trump bezeichnet er hingegen zu Recht als einen „offenen Rassisten“. Dieser liefert dafür auch regelmäßig Stoff. Angesichts der Unruhen in Charlotte sprach er sich für die umstrittene und vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene „Stop and Frisk“-Politik aus, die beinhaltet, dass PolizistInnen ohne Angabe von Gründen Personen aufhalten und durchsuchen können. In New York wird diese Methode schon seit Jahren praktiziert und die überwältigende Mehrheit der angehaltenen Personen sind AfroamerikanerInnen und Latinos.

Dass auch Hillary Clinton keine Hoffnung für die schwarze Bevölkerung darstellt, illustrieren nicht nur die bereits angeführten Zitate. Sie schafft es kaum, die Wählerschichten, für die Trump aufgrund seines Rassismus unwählbar ist, zu mobilisieren: Die Jugend und die ethnischen Minderheiten.

Martin Luther King hat einmal gemeint, dass Krawalle, wie wir sie nach jedem Polizeimord sehen, die Sprache derer sind, die sonst kein Gehör finden. Im heutigen Parteiensystem der USA hat die Masse der AfroamerikanerInnen kein politisches Sprachrohr. Hier zeigt sich einmal mehr die Notwendigkeit einer starken Arbeiterpartei in den USA, die ohne Wenn und Aber gegen den vorherrschenden (Staats-)Rassismus ankämpft.

Die Hydra

Die noch immer verheerende Lage der Schwarzen zeigt auch die Begrenztheit der bisherigen heldenhaften Kämpfe für das Ende der Unterdrückung in den USA auf. Der Bürgerkrieg wurde zwar gewonnen und die Sklaverei abgeschafft, danach setzte man im Süden der USA jedoch die menschenverachtende Segregation und die Rassentrennungsgesetze von Jim Crow durch. Diese wurden Jahrzehnte später zwar seitens der Bürgerrechtsbewegung und auch der Black Panthers erfolgreich bekämpft, jedoch wurden letztere durch Staatsgewalt, Terror und Verseuchung mit Drogen durch den CIA in die Knie gezwungen. Die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung legten die Basis dafür, dass eine Minderheit von AfroamerikanerInnen in die Mittelschicht oder gar die Bourgeoisie aufsteigen konnte, doch die Masse war den weiter bestehenden sozialen und politischen Ungerechtigkeiten ausgesetzt. Es scheint fast so, als sei der Rassismus in den USA eine unbezwingbare Hydra. Kaum schlägt man einen Kopf ab, wächst ihr ein neuer. Das liegt daran, dass die bisherigen Kämpfe, so heroisch sie auch waren, immer eine fundamentale Beschränkung hatten: Sie zielten „nur“ darauf ab, einen Kopf der Hydra abzuschlagen, anstatt wie der altgriechische Held Herakles den Stumpf des abgeschlagenen Kopfes mit einer Flamme auszubrennen und auch den Körper zu töten. Der Körper, aus dem die unzähligen Köpfe der Unterdrückung wachsen, ist das kapitalistische System. Die Krise des Kapitalismus lässt auch in den USA immer mehr Menschen die Bühne des Klassenkampfs betreten. Der Wunsch nach einer gerechteren Gesellschaft ist gerade unter der Jugend in den USA deutlich spürbar. Die unmittelbare Aufgabe besteht heute im Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der Arbeiterbewegung und der Jugend, die den Kämpfen gegen Rassismus und Polizeigewalt eine revolutionäre, eine sozialistische Perspektive geben kann. Nur so kann es gelingen die kapitalistische Hydra endgültig loszuwerden und ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte ohne Unterdrückung aufzuschlagen.


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