Die Welt schaute gebannt die Wahlen für das mächtigste politisch-militärische Amt der Welt. Beide Kandidaten sind würdige RepräsentantInnen der herrschenden Klasse. Martin Gutlederer über Aufstieg und Niedergang der USA.

Die Situation der USA ist von ihrer global führenden Rolle geprägt. Dabei trat sie USA als imperialistische Macht relativ spät auf die Bühne der Geschichte. Es begann mit einigen kleineren erfolgreichen Interventionen gegen die Reste des bereits untergegangen spanischen Imperiums am amerikanischen Kontinent. Leo Trotzki beschrieb diesen Prozess 1922 und machte ihn an der stark veränderten globalen wirtschaftlichen Situation nach dem 1. Weltkrieg fest: 1872 erwirtschafteten die vier Weltmächte Großbritannien, Deutschland, Frankreich und die USA ungefähr dasselbe Volkseinkommen. 50 Jahre später im Jahr 1922 haben sich die Volkseinkommen Großbritanniens und Frankreichs mehr als verdoppelt, während das deutsche Volkseinkommen geschrumpft, und das US-amerikanische auf den elffachen Wert explodiert ist (die Darstellung Deutschlands stimmt für die Jahre der Nachkriegs-Depression und Geldentwertung, tatsächlich aber verschleiert diese punktuelle Darstellung den tatsächlichen Aufholholprozess des vereinigten Deutschland in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg, Anm). Trotzki resümiert treffend: „Amerika war vor dem Kriege Europas Schuldner. Europa war vor dem Kriege die Fabrik der Welt. Europa war das zentrale Warenlager der Welt. Europa, und vor allem England, war die Zentralbank der Welt. Diese drei entscheidenden Funktionen hat Europa jetzt an Amerika abgetreten. Europa ist die Vorstadt der Welt geworden. Die Fabrik der Welt, das Handelslager der Welt, die Zentralbank der Welt sind jetzt die USA.“

Dieser fulminante wirtschaftliche Aufschwung hat sich nach dem 2. Weltkrieg noch verstärkt und spätestens aus diesem gingen die USA als Supermacht globalen Ausmaßes hervor. Dies gilt sowohl militärisch, wirtschaftlich und auch politisch. Allein die Planwirtschaft der stalinistischen Sowjetunion bildete ein (wirtschaftlich unterlegenes) Gegengewicht. Die Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg hatte einen völlig anderen Charakter als die Zwischenkriegszeit. Im Gegensatz zu Krisen, Revolutionen und Reaktion etablierte sich eine globale Periode des Aufschwungs und der Erweiterung der Industrie, des Welthandels und der Technik. Die politische Vorbedingung für diese einzigartige Goldene Epoche des Kapitalismus lag in der Integration der Arbeiterklasse ins politische System des Westens. Diese wurde durch die von Moskau befohlene die Entwaffnung der PartisanInnen Frankreichs, Italien und Griechenlands manifestiert, der britische Marxist Ted Grant bezeichnete diese Kapitulation des Stalinismus als „demokratische Konterrevolution“, die die materielle politische Voraussetzung für das Überleben des Kapitalismus in Europa bildete. Die massive Zerstörung Europas und der notwendige Wiederaufbau bot die wirtschaftliche Grundlage für das Überleben des Kapitalismus in West-Europa. Darüber hinaus wurden während des Krieges neue Technologien für die Massenproduktion entwickelt: Plastik, Aluminium, Atomenergie, Elektronik, usw.. Alle diese Elemente befeuerten den Nachkriegsboom. In diesem Aufschwung spielten die vom Krieg kaum betroffene USA eine zentrale Rolle als Kapitalgeberin und Überschussexporteurin. Aus Angst vor der „kommunistischen Revolution“ wurde mittels des Marschallsplans der Wiederaufbau Europas finanziert und dabei neue Absatzmärkte gesichert. Die nationalen Befreiungsbewegungen in Afrika und Asien begriff die USA als Chance um die alten europäischen Kolonialreiche zu verdrängen. Auf diesem Weg wurden die USA zur Super- und Imperialmacht Nr. 1 der Welt.

Provinzialität

In starkem Kontrast zur Tatsache, dass wir von der dominanten Nation der Erde sprechen, stehen die Repräsentanten der herrschenden Klasse, die sich durch eine besondere Provinzialität und Beschränktheit auszeichnen. Ein besonderes Beispiel wäre hierbei Theodore „Teddy“ Roosevelt. Der spätere Präsident zog mit einer Freiwilligen-Einheit von Cowboys und Sportreitern in den „prima kleinen Krieg“ (so der Botschafter und spätere Außenminister John Hay) um in Kuba 1898 die sturmreife spanische Kolonialmacht zu vertreiben und die Insel fortan zu dominieren. Roosevelt prägte den Spruch: „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen.“ Hier handelte es sich um den typischen US-amerikanischen Millionär, stolz auf seine mangelnde Kultur und voll Verachtung gegenüber dem Wankelmut der Gebildeten und Berufspolitiker. Seine moralischen Ansichten unterschieden sich wohl kaum von jenen Atillas des Hunnen. Er war gegen Scheidung, Verhütung und Geburtenkontrolle, die er als „bewusste Sterilität“ betrachtete. Große Literatur seiner Zeit wie beispielsweise Tolstoi betrachtete er als „dreckig und obszön“. Präsidenten wie George W. Bush oder auch die KandidatInnen um dieses Amt, die bei den Wahlen 2016 zur Auswahl standen, stehen ganz in dieser Tradition. Im heurigen Wahlkampf hat ein Skandal den nächsten gejagt. Der Milliardär Trump, der wegen rassistischen und sextischen Aussagen immer wieder mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, toppte dies alles noch mit der Aussage, dass man als Star mit Frauen alles machen könne („grab them by the pussy”). Doch trotz willfähriger Presse kam auch der Clinton-Klan immer mehr unter Druck. Von kleinen Gefälligkeiten, wie der Begnadigung des Steuerflüchtlings Marc Rich durch Bill Clinton bis hin zu schmutzigen Details ihrer Entscheidungen über die US-Interventionen im Nahen Osten liegt nun einiges offen. Clinton bekam in der Zeit von Januar 2015 bis Februar 2016 von insgesamt 50 US-Firmen aus der Rüstungsbranche 454.994 Dollar, ein kleiner Lichtstrahl auf ein schrecklich lukratives Familienunternehmen: Hillary und ihr Ehemann Bill haben ihre „Dienste für die Öffentlichkeit“ genützt um ein Privatvermögen von 111 Mio. Dollar und eine zwei Mrd. Dollar schwere Beratungs- und Finanzfirma anzuhäufen.

Egal ob Trump oder Clinton: was sie von Teddy Roosevelt unterscheidet, ist nicht der kulturelle Fortschritt ihrer Klasse, sondern die Epoche des Kapitalismus, in der sie den Interessen ihrer Klasse dienen. Teddy Roosevelt war Präsident der USA, als sich diese und der Kapitalismus der Vereinigten Staaten gerade im Aufstieg befanden, während Trump und Clinton im Niedergang und Krise des sterbenden Kapitalismus um dieses Amt rittern.

Die schwankende Supermacht

Die Methoden, mit denen die herrschende Klasse bisher das Proletariat bei der Stange gehalten hat, fruchten immer weniger, da sie keine ökonomische Basis mehr haben. Der Gründungsmythos der USA ist von einer Mentalität des Pioniergeistes, des erfolgreichen Individuums und seines Rebellentums durchdrungen. Religiöse Flüchtlinge, junge Menschen, die der Perspektivlosigkeit der rückständigen Gebiete des alten Europas entflohen, haben diesen Mythos mitgeprägt. Die herrschende Klasse nutzte diese Heilsidee, um ihre sehr privaten Interessen zu legitimieren. Man verhüllte die eigene Schamlosigkeit in den „amerikanischen Traum“ des Aufstieges vom Tellerwäscher zum Millionär. Dieser entpuppt sich angesichts der Krise des Kapitalismus in den USA als Fata Morgana. Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Perspektivlosigkeit und Armut gehören in den USA immer mehr zum Alltag. Die heute Jungen sind die erste Generation seit dem 2. Weltkrieg, die schlechter als ihre Eltern leben wird. Symbolisiert wird dies durch die „Student-Loans“, die aktuell bei 1260 Milliarden ausstehenden Krediten für Studiengebühren stehen. Ein Studienabgänger/in tritt mit Privatschulden von durchschnittlich 37.172 $ in ein eigenständiges Arbeitsleben.

Die alten Methoden des US-amerikanischen Kapitalismus und seiner herrschenden Klasse funktionieren nicht mehr. Die politische Einbindung des Proletariats und seiner Gewerkschaften basierte auf dem Aufschwung der US-amerikanischen Wirtschaft seit dem 1. Weltkrieg. Außer in den Jahren der „Großen Depression“ (1929-41), die von Arbeiterklassemilitanz geprägt waren, bestand gar keine Notwendigkeit einer ausgefeilten politischen Strategie. Der wachsende gesamtwirtschaftliche Kuchen war die materielle Grundlage für opportunistische Gewerkschaften, die sich voll und ganz der Klassenkollaboration verschrieben. Die Gewerkschaftsspitzen waren darüber hinaus mit der Demokratischen Partei (des „progressiven“ Flügels der Bourgeoisie) eng verwoben. Mit der Erosion der wirtschaftlichen Stabilität verschwindet auch die politische Ruhe zunehmend. Sinkende Wahlbeteiligung, eine gesellschaftliche Polarisierung („we are the 99 %“) und zunehmende Frustration mit dem politischen System zeigen Veränderungen im Bewusstsein der Massen und sind Vorboten einer herandämmernden revolutionären Situation.

Der Gigant Vereinigte Staaten steht auf den tönernen Füßen des Endes des Aufschwunges des Kapitalismus und zunehmendemn außenpolitischen Niedergangs. Die militärischen Expansionsbestrebungen im Afghanistan, Irak, Syrien, im Kaukasus, der Ukraine Irak und Afghanistan endeten im militärisch-diplomatischen Desaster. Der Aufstieg Chinas im Pazifik, das Ende des Embargos gegen den Iran, wachsende Spannungen mit Israel und eine zunehmend schwierige Situation in den reaktionären Scheichtümern am Persischen Golf zeugen von diesem Prozess des Verfalls der Macht des US-Imperialismus.

Das verrottete 2-Parteien-System wird zunehmend in Frage gestellt. Wurden frühere Vertreter der herrschenden Klasse wie, Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy oder der rohe Teddy Roosevelt noch geachtet, schlägt den aktuellen KandidatInnen der Bourgeoisie allgemeine Verachtung entgegen. Mit dem verfaulenden Kapitalismus in seiner Krise tritt die Verkommenheit der führenden VertreterInnen der Bourgeoisie immer offener zu Tage. Die Lüge vom amerikanischen Traum wird immer unhaltbarer: Das Bewusstsein der Menschen verändert sich oft scheinbar gar nicht, doch gerade eine praktisch veranlagte Gesellschaft wie die US-amerikanische wird aus den erlebbaren empirischen Erfahrungen revolutionäre Schlüsse ziehen.

Diese fand in der Kampagne von Bernie Sanders und seinem Versprechen für eine „politische Revolution gegen die Milliardärs-Klasse“ politischen Ausdruck. Auch jüngste Studien belegen, dass junge AmerikanerInnen sich nach Alternativen zur jetzigen Gesellschaft umsehen. So verbinden heute 49% der 18 -29-Jägrigen Sozialismus mit etwas Positiven. 45% der zwischen 16 und 20-Jährigen geben an, dass sie einen Sozialisten wählen würden, 21% würden einen Kommunisten unterstützen.

Die schwankende Supermacht der Erde wird ihr wahres schöpferisches Potenzial erst dann nutzen, wenn das Proletariat sich als neue herrschende Klasse durchsetzt, die Kommandozentralen der Wirtschaft übernimmt und das Kapital enteignet. Dies wird die eine Entfesselung der Produktivkräfte und Kultur hervorbringen, gegen den die bisherigen Erfolge der USA unbedeutend erscheinen werden.


Unsere Arbeit kostet Geld. Dabei sind wir exklusiv auf die Unterstützung unserer LeserInnen und UnterstützerInnen angewiesen. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, zögere nicht und lass uns deine Solidarität spüren. Ob groß oder klein, jeder Betrag hilft und wird wertgeschätzt.

Der Funke  |  IBAN: AT48 1513 3009 5102 5576  |  BIC: OBKLAT2L

Artikel aus der Kategorie