USA. Donald Trumps Eskapaden sorgen täglich für neue Schlagzeilen. Dabei werden die realen Probleme der US-Bevölkerung ausgeklammert, meint Willy Hämmerle.

Üblicherweise fahren auf dem Karussell der öffentlichen Berichterstattung nacheinander drei Erscheinungen des US-Präsidenten Donald Trump vorbei: Der Dumme, über den man sich lustig machen kann, der Irre, der kein Tabu ungebrochen lässt, und der kaltblütige Kriegstreiber, vor dem man sich fürchten muss. Tatsächlich machen es die Schrullen von Trump leicht, diese Bilder an die Wand zu malen: Erst stellt der irre Trump seine Sympathien für die Rechtsextremen von Charlottesville offen zur Schau, dann lässt sich der dumme Trump dazu hinreißen ohne Schutzbrille in die Sonnenfinsternis zu schauen, schlussendlich kündigt der Kriegstreiber Trump an, wieder verstärkt in Afghanistan zu intervenieren. Bezeichnend für das ganze Theater ist, dass sich die ganze Aufmerksamkeit auf das Individuum Trump richtet.

Am 12. August marschierten einige Hundert Rechtsextreme unter dem Motto „Unite the Right“ in Charlottesville auf, der unmittelbare Auslöser war die geplante Entfernung eines Denkmals für den Südstaatengeneral Robert E. Lee. Der Aufmarsch erregte zuerst am Abend des Vortages größere Aufmerksamkeit, als bereits hunderte fackeltragende Neonazis durch den lokalen Unicampus zogen und unter den Augen der Polizei eine kleinere Gruppe GegendemonstrantInnen einkreisten und einschüchterten.

Am nächsten Tag entwickelte sich aus vereinzelten Scharmützeln eine größere Auseinandersetzung entlang der Hauptstraße. Bereits um 11 Uhr vormittags sah sich der Bürgermeister dazu genötigt, den Ausnahmezustand auszurufen, was die Polizeikräfte jedoch nicht dazu ermutigte einzugreifen, als die faschistischen Banden mit Knüppeln und Pfefferspray auf die TeilnehmerInnen der Gegendemonstration losgingen. Neben apathischen PolizistInnen prägten nicht nur Hakenkreuzfahnen und „Heil Trump“-Rufe den Aufmarsch der Rechtsextremen, sondern auch eine Reihe von bewaffneten „Milizsoldaten“, die mit Sturmgewehren und in voller Kampfmontur am Marsch teilnahmen.

Den traurigen Höhepunkt der Eskalation bildet der feige Anschlag eines Neonazis, der mit voller Geschwindigkeit in eine Menge der weit größeren Gegendemonstration hineinfuhr und dabei die Antifaschistin Heather Heyer tötete. Neunzehn weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Ausgerechnet Trumps Konkurrenten innerhalb der Republikanischen Partei waren dabei die ersten, die offen aussprachen, dass es sich um einen terroristischen Angriff handelte.

Nach einer ungewöhnlich langen Funkstille versuchte es Trump zuerst mit einer Kombination aus Ablenkungsmanöver und Relativierung – um nur kurz darauf in eine Tirade zu verfallen, dass beide Seiten gleichermaßen, das heißt am Tod von Heather Heyer, schuld seien.

Die öffentliche Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Der „irre“ Trump war wieder einmal herausgekommen und ihn galt es ins Zentrum zu rücken. Demokraten, die großen Medien und viele Republikaner waren sich einig darin, dass die erratischen Stellungnahmen Trumps die weit größere Tragödie darstellen, als die Naziterrorattacke. Die bekannten VertreterInnen des Establishments stören sich vielleicht etwas an den Hakenkreuzfahnen, aber ihr Feuer konzentrieren sie darauf, dass Trump schon wieder die Spielregeln bricht und nicht einmal versucht, die sorgfältig geschürten Illusionen an das „freie und offene Amerika“ aufrechtzuerhalten.

Struktureller Rassismus und Polizeigewalt sind vor allem in den USA zentrale Pfeiler der kapitalistischen Ordnung. Sich dieser Werkzeuge zu bedienen, sind sich auch die liberalsten Demokraten nicht zu schade. Nach einer Erklärung gedrängt, wie die gewalttätigen Übergriffe zugelassen werden konnten, erklärte der (demokratische) Abgeordnete Toscano trocken, dass die Schuld bei „außenstehenden Provokateuren, die zur Gewalt aufriefen“ lag, während er die Arbeit der Polizei lobte. Diese Leute schauen einfach zu, während friedliche DemonstrantInnen niedergeprügelt und zu Tode gefahren werden.

Trumps Selbstdarstellungszwang scheint den braveren KapitalvertreterInnen dabei bis zu einem gewissen Grad entgegenzukommen. So gibt es für gewöhnlich immer kontroverse Tweets oder provokante Pressekonferenzen, auf die man zeigen kann, um von den eigenen „unbequemen Wahrheiten“ abzulenken. Ein Fehler darf nämlich nicht gemacht werden: Zu glauben, dass im stillen Kämmerlein der politischen Kaste nicht dieselben rassistischen Ressentiments und derselbe Hass gegenüber den Verlierern der Gesellschaft vorherrschen würde, die Trump bei jeder Gelegenheit in die Welt hinausposaunt. Gleichzeitig wirkt aber seine Unberechenbarkeit und peinliche Offenheit wie ein Brandbeschleuniger, der die gesamte Verdorbenheit der bürgerlichen Eliten darlegt und die Legitimität ihres Systems immer weiter untergräbt.

Die Demokraten und Liberalen, die nur den Status Quo verteidigen, haben keine Lösungen für die grundlegenden Probleme der Gesellschaft parat. Es bleibt ihnen nur übrig, Trump als Person zu attackieren. Dass diese Strategie (noch) aufgeht ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass es in den USA keine organisierte linke Massenkraft der ArbeiterInnen gibt, die dem etwas entgegensetzen kann. Doch die Ereignisse um Charlottesville zeigen einmal mehr das Potenzial, das in breiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft vorhanden ist. Nur wenige Tage nach den Ereignissen demonstrierten mindestens 40.000 in Bosten gegen eine Handvoll Rechte. Während sich ein paar Hundert der extremen Rechten zuwenden, ziehen immer mehr vor allem Jugendliche zunehmend radikale, antikapitalistische Schlüsse. Gestützt auf ein sozialistisches Programm, das sich keinen Illusionen gegenüber den bürgerlichen Institutionen hingibt, würde diese Bewegung nicht nur problemlos mit jämmerlichen Naziaufmärschen fertig werden, sondern auch schnell die Trump-Regierung in Frage stellen.


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