In den USA sorgen Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und andere „Democratic Socialists“ immer mehr für Furore. Wir befragten Tom Trottier von unserer US-Schwesternzeitung zur Rolle dieser neuen linken HoffnungsträgerInnen.

In letzter Zeit attackierte US-Präsident Donald Trump bevorzugt den „Squad“, vier prominente Abgeordnete der Demokraten. Was repräsentieren sie? Mit welchem Programm kamen sie ins Parlament und welche Rolle spielen sie jetzt?

MT: Der „Squad“ sind Alexandria Ocasio-Cortez (AOC), Rashida Tlaib, Ilhan Omar und Ayanna Pressley, die alle in den Zwischenwahlen im November 2018 zum ersten Mal in den Kongress gewählt worden, in Bezirken, in denen üblicherweise die KandidatInnen der Demokratischen Partei gewinnen. Der wahre Erfolg dieser vier war also, dass sie die Vorwahlen innerhalb der Demokraten gewonnen haben.

Alle vier gehören zum linken Flügel der Demokraten, aber nur zwei von ihnen bezeichnen sich selbst als Sozialistinnen. AOC und Rashida Tlaib sind Mitglieder der DSA (Democratic Socialists of America). Weil sie alle „linke“, junge Frauen sind, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen, werden sie gerne zusammengefasst und als „Squad“ bezeichnet.

Sie teilen nicht in allen Dingen dieselbe Meinung und sind auch nicht mit dem gleichen Programm angetreten. Ein Beispiel: Ilhan Omar hat sich klar gegen eine US-Intervention in Venezuela ausgesprochen. Ocasio-Cortez hat die Position der DSA zu Venezuela links liegen gelassen und sich der Führung der Demokraten in dieser Frage untergeordnet. Omar ist auch in ihrer Kritik gegenüber dem US-Verbündeten Israel viel direkter. AOC nimmt auch hier nicht die gleiche Haltung wie die DSA ein, die die Boykottkampagne BDS unterstützen, ohne eine bessere Alternative zu liefern.

Sie sind alle gegen Trump und seine Einwanderungspolitik und unterstützten die Kampagne für den 15-Dollar-Mindestlohn sowie für ein staatlich finanziertes Gesundheitssystem für alle. Sie sind auch alle in irgendeiner Form Anhängerinnen der Identitätspolitik und argumentieren, dass die Wahl von mehr Frauen und nicht-weißen Personen an sich eine gute Sache sei. Letztendlich stimmten sie für Nancy Pelosi als Sprecherin des Repräsentantenhauses, der Schlüsselposition, über die man im Unterhaus den Ton angibt. Es war Nancy Pelosi, die gesagt hat, dass die Demokraten „kapitalistisch sind“ und dass „das nun mal so ist“.

Der “Squad” gibt vielen, die sich als Linke sehen, einen gewissen Ausdruck, sowohl inner- als auch außerhalb der Demokraten. Sie versuchen Trump – und in gewissen Fragen sogar die Führung der Demokraten – herauszufordern, aber sie versuchen nicht wirklich, eine politische Bewegung oder Organisation außerhalb des Parlaments aufzubauen und ordnen sich den Regeln des Systems unter.

AOC und Tlaib beteiligen sich als Mitglieder der DSA nicht am Aufbau dieser Organisation. DSA versucht ihrerseits auch nicht, sie für ihre Politik zur Verantwortung zu ziehen. Wenn der „Squad“, oder zumindest die beiden in der DSA organisierten Abgeordneten, ihre gewählten Positionen nutzen würden, um eine Bewegung aufzubauen, könnten sie viel mehr erreichen. Stattdessen kooperieren sie mit Nancy Pelosi, um an irgendwelchen Ausschüssen teilnehmen zu können, und arbeiten genauso wie alle anderen Kongressabgeordneten – außer dass sie mehr mediale Aufmerksamkeit als die meisten anderen bekommen.

Die vier sind alle als Demokraten angetreten. Welche Haltung sollten SozialistInnen gegenüber der Demokratischen Partei und den Democratic Socialists, die innerhalb dieser Partei arbeiten, einnehmen? Das schließt z.B. auch Bernie Sanders mit ein.

MT: Wir streichen immer unsere Gemeinsamkeiten mit diesen Kräften hervor: die Forderungen nach einer Gesundheitsversorgung für alle und nach einem höheren Mindestlohn und unsere Unterstützung für den Sozialismus. Allerdings werden Bernie Sanders, auch wenn er zum Präsidenten gewählt wird, und die Demokraten, sofern sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat haben, nicht in der Lage sein, diese Reformen auch umzusetzen.

Für MarxistInnen ist klar, dass die Demokraten, genau wie die Republikaner, eine bürgerliche Partei sind. Beide Parteien repräsentieren die herrschende Klasse und verteidigen die Interessen des US-Imperialismus, auch wenn sie vielleicht Meinungsverschiedenheiten in Fragen wie dem Abtreibungsrecht haben. Die Arbeiterklasse macht die überwältigende Mehrheit der US-amerikanischen Gesellschaft aus und diese Klasse braucht ihre eigene Partei.

Es ist nicht der Kongress, der die Verhältnisse umkrempeln wird, dazu braucht es die Organisierung und Mobilisierung der Arbeiterklasse. MarxistInnen erklären, dass wenn Sanders, AOC, Tlaib und alle anderen, die sich als Linke sehen, unabhängig von den Demokraten antreten würden, den Hass der Massen auf die beiden großen Parteien zum Ausdruck bringen könnten. 62% wollen eine dritte Partei, 71% bei den „Millenials“. Vier von fünf Personen, die 2018 die Demokratische Partei gewählt haben, stimmten nicht FÜR die Demokraten, sondern GEGEN Trump. Sanders &Co. könnten zur Gründung einer sozialistischen Massenpartei aufrufen, mit den DSA als Teil dieses Prozesses.
Viele auf der Linken argumentieren, dass man pragmatisch sein muss: Bei den Demokraten anzutreten, heißt, dass man auch gewinnen kann, was als Unabhängiger nicht möglich sei. Das widerspricht völlig der politischen Geschichte von Sanders, der bis 2016 immer als Unabhängiger gewählt wurde. Und welchen Zweck hat eine gewählte Funktion, wenn man damit letztlich nur das herrschende System stützt?

Bernie und der „Squad“ sollten Gesetzesentwürfe einbringen, die niemals vom Kongress verabschiedet würden, aber die helfen könnten, die Arbeiterklasse zu organisieren, wie z.B. eine 20-Stunden-Woche bei 40-Stunden-Bezahlung. Sie könnten erklären, dass die Arbeitsproduktivität sich seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als verdoppelt hat, während in den letzten 30 Jahren das Vermögen der reichsten 1% um 21 Billionen Dollar gestiegen – und das der unteren 50% um 900 Milliarden gesunken – ist! So könnte man die Arbeiterklasse zum Kampf gegen den Kapitalismus vereinigen, und helfen eine Arbeiterpartei aufzubauen.

(Funke Nr. 176/28.8.2019)


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