Die USA waren lange Zeit das Heimatland des Antikommunismus und -sozialismus. Doch bei den Vorwahlen der Demokraten für die im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen kann mit Bernie Sanders gerade ein selbsterklärter Sozialist große Erfolge feiern. Was die Bedeutung davon ist, erklären Daniel Ghanimi und Florian Keller.
Dass die Angst vor „Sozialismus“ verflogen ist, schlägt sich in herausragenden Ergebnissen für Sanders in mehreren Staaten nieder. Der Erdrutschsieg in Nevada am 22.02 (46% der Stimmen gegenüber 19,6% für Ex-Vizepräsident Joe Biden, der als Liebling des Establishments antritt), steht exemplarisch für den Erfolg seiner Kampagne.
Den Grund für ebendiesen Erfolg der Kampagne ist die Veränderung des Bewusstseins der amerikanischen ArbeiterInnen, Jugendlichen und Armen aufgrund der Krise des Kapitalismus. Während mit Hunderten Milliarden US-$ die Banken gerettet wurden, fand eine Verarmung breiter Schichten in den USA statt, Schulden aus Gesundheitsversorgung und den horrenden Studienkosten bei stagnierenden oder gar sinkenden Löhnen führen eine ganze Generation an den Rande des Bankrotts.
Die antikommunistische Propaganda, die in der Zeit des Kalten Krieges durch alle Medien ging und bis heute nachwirkt, greift daher immer weniger. Laut einer Harris - Umfrage aus dem Jahr 2019 bevorzugen 40% der AmerikanerInnen den Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus. Auch wenn noch Verwirrung über die Frage herrscht, was Sozialismus konkret bedeutet, zeigt sich ein deutliches Anwachsen kapitalismuskritischer Haltungen. 36% der 23-38-Jährigen gehen sogar so weit, den Kommunismus als gerechteres System einzustufen, wie ironischerweise eine Umfrage der antikommunistischen „Victims of Communism Memorial Foundation“ aus dem November 2019 zeigt.
Die Demokraten: Eine Partei der Banken und Konzerne
Bernie Sanders kandidiert bei den Vorwahlen innerhalb der Demokraten und hat es mit seinem Slogan von einer „politischen Revolution gegen die Milliardärsklasse“ geschafft, an der verbreiteten Stimmung anzusetzen. Dabei gibt es jedoch ein Problem: Die Demokraten haben den Ruf, die linkere der beiden großen Parteien zu sein. Tatsächlich haben sie sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder an die Spitze von Bewegungen für gesellschaftliche Reformen gestellt, wie der Bürgerrechtsbewegung der 1960er, und waren im Gegensatz zu den Republikanern manchmal bereit, in Fragen des Sozialsystems („Obamacare“) oder der Gesellschaftspolitik gewisse Zugeständnisse zu machen. Doch das bedeutet nicht, dass sie ein Instrument zur Veränderung der Gesellschaft sein könnten – ganz im Gegenteil.
In Wirklichkeit spielt die demokratische Partei seit den 60er Jahren (davor repräsentierte sie weitgehend den rechten Flügel des amerikanischen Kapitals!) immer wieder die Rolle, dass sie sich an die Spitze von gesellschaftlichen Bewegungen stellt, um sie zu bremsen und in für die Bourgeoisie ungefährliche Bahnen zu bewegen.
Trotzdem haben auch demokratische Präsidenten immer Kriege geführt und tiefe Sozialkürzungen umgesetzt. Ihre gesellschaftlichen Reformen sind letztendlich nichts anderes als der Versuch, alles beim Alten zu lassen, aber einen „netteren“ Anstrich zu geben: Die Bewegung der Frauen, der Schwarzen und später der Latino-Bevölkerung wurde systematisch in ein System der „Repräsentanz“ gegossen, bei dem einige Wenige aufsteigen können, aber sich für die große Masse nichts ändert. Das gefeierte „Obamacare“ ist letztendlich nichts anderes als eine gewaltige Subvention an private Versicherungsunternehmen, die nur die gröbsten Auswüchse des desaströsen Gesundheitssystems ein wenig kaschiert, aber im Kern alles beim Alten lässt.
Das alles zeigt, was die Demokraten wirklich sind: Eine riesige Wahlmaschine, eine bürgerliche Partei, die ausschließlich durch „Big Business“ finanziert wird und rein nach dessen Wünschen funktioniert. Die Demokraten sind keine linke oder sozialdemokratische Partei und auch nicht der Ansatz dazu, sondern eine der beiden zentralen bürgerlichen Parteien der USA, eine „liberale ÖVP“, die systematisch versucht soziale Bewegungen durch eine Todesumarmung unschädlich zu machen.
Ohne sozialistische Partei kein sozialistischer Kurswechsel
Das eigentliche Programm von Bernie Sanders ist nicht radikal, so umfasst es Dinge, die in Europa (bis vor Kurzem) Standard waren, wie eine öffentliche Krankenversicherung. Doch die Sorge des Kapitals über Sanders wachsende Popularität spiegelt ihre Angst vor den ArbeiterInnen, Jugendlichen und Armen wider, die hinter ihm stehen.
Doch die Milliardäre sind nicht untätig und haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten und schier unbegrenzte Mittel, um die Sanders-Kampagne zu blockieren, wie der Eintritt des New Yorker Milliardärs Michael Bloomberg in das Rennen um die demokratische Nominierung zeigt.
Sollte das nicht reichen, hat die letzte Runde der Vorwahlen 2016 gezeigt, dass das Kapital auch voll und ganz auf die Parteimaschinerie der Demokraten zählen kann, die systematisch die Rechten bevorzugt und sogar vor offenem Wahlbetrug nicht zurückschreckt. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, beim Parteitag der Demokraten selbst mithilfe der sogenannten „Superdelegates“, das heißt Delegierten, die letztendlich vom Parteiapparat selbst bestimmt werden, einen rechten Kandidaten als Präsidentschaftskandidaten zu nominieren.
Selbst wenn Sanders gegen all diese Hürden die Nominierung gewinnen sollte, werden die großen Banken und Konzerne mit Hilfe der demokratischen Partei alles tun, um seinen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen zu verhindern.
Sie könnten etwa einen „dritten Kandidaten“ wie Bloomberg ins Rennen führen. Dabei steht jetzt schon niemand anders als Hillary Clinton an der Spitze. In einem Interview mit „the Hollywood Reporter“ bezeichnete sie Sanders' Programm als „Unsinn“, behauptete, dass ihn niemand unterstützen würde und weigerte sich zu sagen, ob sie ihn als demokratischen Kandidaten unterstützen würde. Die New York Times hat bereits die identitätspolitische „Es ist Zeit für eine Präsidentin“ Karte ausgespielt und unterstützt in den Vorwahlen sowohl Warren als auch Klobuchar, von denen sie sich wesentlich sicherer sein können, dass sie ihre liberal-kapitalistische Agenda voranbringen.
Doch selbst wenn alle Stricke reißen und Sanders Präsident werden würde, würde ein von Demokraten und Republikanern dominierter Kongress jede wirkliche Reform blockieren – und so gewaltigen Druck auf Sanders selbst ausüben, sein Programm aufzugeben.
Und ohne eine starke, tasächlich linke, sozialistische Partei wäre er dem schutzlos ausgeliefert. Dass dieser Druck einen Effekt hat merkt man bereits jetzt – so hat Sanders schon angekündigt, jeden demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen (also auch den 9.- reichsten Menschen der Welt, Michael Bloomberg!) – 2016 hatte er diese Frage noch lange offengelassen , bis er schließlich doch Hillary Clinton unterstützte und damit auch viele seiner UnterstützerInnen enttäuschte.
Daher argumentieren die MarxistInnen von „Socialist Revolution“ in den USA dafür, dass Sanders mit den Demokraten brechen und eine unabhängige Kandidatur anstreben sollte, um mit einer Kampagne dazu genau so eine Partei aufbauen zu können.
Wenn Personen wie Sanders oder die sozialistische Abgeordnete Ocasio-Cortez das tun, eine neue Partei gründen und die Gewerkschaften dazu aufriefem, sie zu unterstützen, würde das die politische Landkarte in den USA massiv verändern und der kapitalistischen Klasse im mächtigsten Land der Welt tatsächlich einen schweren Schlag versetzen.
(Funke Nr. 181/25.2.2020)