Der 3. März war der sogenannte Super Tuesday, jener Tag in den Vorwahlen der US-Präsidentschaft, an dem die meisten Delegiertenplätze innerhalb der demokratischen und republikanischen Partei vergeben werden. Wir veröffentlichen hier die Analyse unserer Schwesternzeitung Socialist Revolution über die Perspektiven nach der relativen Niederlage von Bernie Sanders.
Das Ergebnis der Vorwahlen der Demokratischen Partei am Super Tuesday wurde in den bürgerlichen Medien mit hämischer Freude gefeiert. Aus ihrer Sicht ist Joe Bidens „Comeback“ die beste Möglichkeit, die Dynamik hinter Bernie Sanders, der als bedeutende Bedrohung für die Märkte gilt, zu stoppen.
Erst die Woche davor platzte der CNN-Moderator Michael Smerconish ausversehen heraus, was sich insgeheim viele Strategen des Kapitals fragten: „Können weder Bernie Sanders noch das Coronavirus aufgehalten werden?“
Nach den Ergebnissen in South Carolina vom 29. Februar, wo Biden erstmals als Sieger hervor ging, hatte sich die verzweifelte Panik der Kommentatoren in einen fieberhaften Trommelwirbel für Biden verwandelt. Die New York Times titelte: „Biden gewinnt South Carolina – das Rennen gegen Sanders spitzt sich zu.“
Es scheint so, als gehe es bei den Demokraten darum, gegen Sanders – nicht gegen Trump – zu gewinnen!
Bisherige Ergebnisse der Vorwahlen. Bild: Tony Patt (CC BY-SA-4.0)
All diese politische Instabilität spiegelt die wirtschaftliche und soziale Instabilität des amerikanischen Kapitalismus wider. Dies war bereits 2016 augenscheinlich und drückt sich auch in der diesjährigen Kampagne Sanders‘ aus.
Ein selbstbekennender „demokratischer Sozialist“, der davon spricht, dass seine Wahl eine „politische Revolution“ bringen würde, kandidiert für eine der Großparteien des Klassenfeindes – der kapitalistischen Demokratischen Partei.
Vor 2016 hätte keiner der bürgerlichen Hauptkommentatoren ein wachsendes Interesse an Sozialismus oder die Beliebtheit von Bernies Kampagne vorhergesehen. Die Tatsache, dass jedoch genau das eingetreten ist, hat zweifelsohne eine große, symptomatische Bedeutung.
Allerdings basiert Sanders‘ Kampagne 2016 wie dieses Jahr auf drei falschen politischen Annahmen:
- Ein selbsternannter Sozialist könne in eine der zwei kapitalistischen Großparteien eintreten und dort als Präsidentschaftskandidat für die USA nominiert werden.
- Ein sozialistischer Kandidat könne sich die Logik des geringeren Übels zunutze machen, anstatt selbst von ebendieser Logik erdrosselt zu werden
- SozialistInnen könnten eine Abkürzung gehen, indem sie tatsächlich erwägen, die Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten zu gewinnen, ohne zuerst eine Massenpartei der Arbeiterklasse aufzubauen, die eine Basis in den Gewerkschaften hat und eine Reihe von VertreterInnen auf lokaler, Staaten- und Bundesebene.
Obwohl die Vorwahlen, die die letztendlichen Kandidaten der Partei bestimmen, noch nicht zu ende sind, werden die Chancen für Sanders immer geringer.
Wir sind davon überzeugt, dass sich ernsthafte SozialistInnen und KommunistInnen, die in die Sanders-Kampagne involviert sind, nach diesem Super Tuesday einen Moment Zeit nehmen sollten, um eine Bilanz über ihre Erfahrungen zu ziehen. Sie sollten dabei die oben genannten falschen Annahmen in Erwägung ziehen.
Nach Nevada: Die Demokraten schlagen zurück
Das Debakel in Iowa zeigt, wie tief die Führung der Demokraten bereit ist zu sinken, um Bernies Rückhalt zu brechen, und wie sehr sie seine UnterstützerInnen verachten.
Bei der Vorwahl in Iowa am 3. Februar wurde aufgrund von „technischen Fehlern“ bei der Wahl-App das Ergebnis erst 6 Tage nach der Wahl veröffentlicht und konnte nach etlichen Nachzählungen erst beinahe einen Monat später, am 29. Februar, zertifiziert werden, was den führenden Kandidaten Sanders (der die meisten Stimmen erhielt) und Pete Buttigieg (der aufgrund des unausgewogenen Wahlsystems die meisten Delegierten gewann) schadete.
Jegliche Illusionen in die Demokraten sollten jedoch verpuffen, wenn man sich die Debatte in South Carolina am 25. Februar zu Gemüte führt, bei der Sanders ausgebuht wurde:
Der Saal war gefüllt mit Demokraten-Bonzen, die zwischen 1.750$ und 3.200$ für ihre Premium-Tickets bezahlt hatten. Andere Tickets kosteten „nur“ 28,50$ - was zumindest vier Stunden Arbeit gegen Mindestlohn entspricht. Wir können uns vorstellen, wie viele Mindestlohn-BezieherInnen im Publikum saßen.
Das Partei-Establishment der Demokraten war außerordentlich beunruhigt, dass Bernie sie womöglich wirklich in ihrem manipulierten Spiel besiegen und die notwendige Mehrheit der Delegierten für eine Nominierung als Präsidentschaftskandidat erhalten könnte.
Zusätzlich zu seiner Stimmenmehrheit in Iowa und New Hampshire hatte Sanders zu dem Zeitpunkt soeben einen überzeugenden Sieg in Nevada hingelegt, mit beinah 47% der Stimmen. Die Maschinerie des zentralen Parteiapparats, das Democratic National Committee, setzte sich in Bewegung. Es orchestrierte eine Offensive gegen Bernie, in der Hoffnung, ihm in South Carolina eine Niederlage zuzuführen – einem traditionell konservativen Bundesstaat mit fünf Millionen EinwohnerInnen.
Sowohl die Demokraten als auch Trump bemühten sich, die Rahmenbedingungen der Debatte in South Carolina einzuschränken, um Sanders zu behindern und ihn unter Kontrolle zu bringen.
In der Debatte brachten sie die Kubanische Revolution aufs Tapet und konfrontierten ihn mit den positiven Kommentaren, die er in der Vergangenheit über Fidel Castro gemacht hatte. Sie behaupteten, dass dies Florida (wo zahlreiche Exilkubaner leben) zu einer fixen Niederlage für ihn machen würde. Florida ist ein wichtiger „Swing State“ (d.h. ein Staat der keine konstante Parteitradition hat) mit zahlreichen Delegierten. Dies war ein Abschreckungsmanöver, um den Gedanken einsickern zu lassen, dass Sanders „unwählbar“ sei und den Weg zu Trumps Wiederwahl ebnen würde. Dass Kuba vor der Revolution ein verarmter Selbstbedienungsladen für die amerikanischen Großkonzerne gewesen ist fand selbstverständlich keine Erwähnung.
Sie sprachen auch Sanders frühere Unterstützung für die Revolution in Nicaragua an – und vergaßen dabei die Unterstützung der blutigen Diktatur der Somoza-Familie durch die US-Regierung, sowie deren Unterstützung für die darauffolgende Konterrevolution des mörderischen Contras, die von der CIA koordiniert wurde.
Und als Donald Trump sagte, dass er erwarte, im November gegen Biden oder Sanders anzutreten, fügte er hinzu: „Jeder weiß, dass er [Biden] kein Kommunist ist … bei Bernie ist das fraglich.“
So sehr sich das Bewusstsein in den USA über die letzten Jahre auch gewandelt hat, es handelt sich nach wie vor um ein konservatives Land, und insbesondere ältere WählerInnen, die die Vorwahlen meist dominieren, können durch Kommentare wie diese abgeschreckt werden.
Man muss Sanders zugutehalten, dass er weder in der Frage zu Kuba noch zu Nicaragua nachgab, was der herrschenden Klasse eindeutig unangenehm ist. Er fühlte sich jedoch gezwungen zu sagen, dass er „natürlich kein Kommunist“ sei und dass „Trump wohl den Unterschied nicht kenne.“
Das Establishment vereint sich
Vor diesem Hintergrund zogen die Demokraten ihre Truppen gegen Bernie zusammen. In South Carolina gewann Joe Biden die Vorwahl tatsächlich mit einem gründlichen Vorsprung.
Aber die Art, wie die Medien darüber berichteten offenbart ihre nicht-so-geheime Agenda.
2016 erlitt Bernie Sanders in South Carolina eine heftige Niederlage um 47 Prozentpunkte und erhielt nur 96.500 Stimmen. Diesmal verlor er nur um 28% und seine Gesamtstimmenanzahl betrug mehr als 105.000 Stimmen – das heißt er gewann dazu, obwohl es weitaus mehr KandidatInnen gab. Warren erhielt mehr als 37.000 Stimmen – von denen viele an Sanders gegangen wären, wäre sie nicht mehr im Rennen gewesen. Und Biden erhielt weniger Stimmen als Hillary Clinton 2016, obwohl die Wahlteilnahme dieses Jahr höher war.
Bild: Gage Skidmore via Wikimedia
Wenig überraschend wies keines der Mainstream-Medien darauf hin. Stattdessen trugen sie die frohe Establishment-Botschaft „Biden ist zurück!“ in die Welt, um seiner Kampagne zu helfen, Richtung Super Tuesday weiter Fahrt aufzunehmen.
Unmittelbar nach South Carolina stieg der Milliardär Tom Steyer aus dem Rennen aus. Dann fand ein Treffen zwischen Pete Buttigieg und dem ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter statt. Ehe man sich’s versah, rief Bürgermeister Pete nun zur Wahl Bidens auf.
Dann beendete Amy Klobuchar aus Minnesota – ein wichtiger Super Tuesday Staat – ihre Kampagne und unterstützte prompt Biden. Beto O’Rourke rief ebenfalls für Biden zur Wahl, und zwar in dem kritischen Super-Tuesday-Staat Texas. Andere Establishment-Demokraten wie Harry Reid und Terry McAuliffe taten das Gleiche.
Die herrschende Klasse lässt die Peitsche schnalzen und die Pferde spuren. Wenn jemand einen Job, einen Vertrag oder Zugang zu einer zukünftigen Verwaltung der Demokraten will, dann tut er gut daran, auf den Biden-Zug aufzuspringen.
Ex-Präsident Obama spielt indes das As im Ärmel und enthält sich einer öffentlichen Stellungnahme zu Biden bisher noch. Er wird später mit tröstenden Worten die Millionen enttäuschten Sanders-WählerInnen davon zu überzeugen versuchen, dass sie keine andere Wahl hätten, als für Biden zu stimmen.
Elizabeth Warren hat eine besonders clevere Rolle für das Establishment gespielt. Sie hat ihre Kampagne inzwischen eingestellt, doch als sie noch im Rennen war, zog sie mehr Stimmen von Sanders ab, als von Biden. Sie half auch in zwei Debatten, dem Hype um den Milliardärs-Kandidaten Mike Bloomberg einen Dämpfer zu versetzen, was Biden zugutekam.
Was geschah am Super Tuesday?
Es war der Politik-Berater James Carville, der den Demokraten den Takt vorgab. Er sagt das Ziel sei es, dass Bernie Sanders unter 1.991 Delegierten bleiben müsse.
Denn das ist die Grenze, über der man am Nominierungsparteitag der Demokraten in der ersten Runde sofort die Präsidentschafts-Nominierung erhält. Insgesamt gibt es 3.979 Delegierte, und vor besagtem Super Tuesday hatte Sanders 60, während sich die zusammengewürfelte Truppe an „Moderaten“ 95 teilten.
Das bedeutete, dass Sanders vor dem Super Tuesday zumindest 50.5% aller verbliebener Delegierte gewinnen hätte müssen, um sich die Mehrheit zu sichern. Biden muss Bernie lediglich davon abhalten, die 1.991 zu erreichen, denn ihm sind die Delegiertenstimmen der anderen Kandidaten so gut wie sicher.
Wenn niemand die magische Grenze in der ersten Runde überschreitet kommen die 771 Superdelegierten – von denen die meisten strikt gegen Sanders sind – in der zweiten Abstimmungsrunde zum Zug.
Es ist unschwer zu erraten, wie die Sache ausgehen wird.
Was die potenzielle Trumpfkarte der Demokraten, Michael Bloomberg betrifft, fiel dieser am Super Tuesday kräftig auf die Nase. Trotz der vielen hundert Millionen Dollar, die er aus seinem persönlichen Vermögen für diesen Tag ausgab, erwiesen sich seine rassistische Vergangenheit und seine erbärmlichen Auftritte in Debatten als zu große Nachteile.
Mike Bloomberg. Bild: Gage Skidmore via Flickr
Nach Headlines wie „Bloomberg hatte keinen Super Tuesday“ fiel er aus dem Rennen wie eine heiße Kartoffel. Das schaufelt den Weg ein weiteres Stück für Biden frei, und die prallen Geldbeutel Bloombergs können nun dazu genützt werden, Sanders‘ Versuch die Demokratische Partei zu reformieren ein Ende zu bereiten.
Die Ergebnisse des Super Tuesday zeigen, dass die Medienkampagne gegen Bernie, das Zusammenrücken der „Moderaten“ rund um Biden, und Warrens weitergeführte Kampagne (sie verließ das Rennen erst nach dem Super Tuesday) Wirkung zeigten: Biden gewann mehr Delegierte als Sanders. Um 1.991 Delegierte zu erreichen, müsste Sanders nun noch mehr als 50.5% der übrigen Delegierten gewinnen.
Das ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, insbesondere mit der komplizierten Wahlarithmetik der Partei. Die bürgerlichen Medien und die Parteimaschinerie der Demokraten wiegen schwer auf Staaten wie New York und New Jersey. Und da wären auch noch die mächtigen Gewerkschaften und die Kirchen der schwarzen Communitys, deren Führungen volle Kraft für den Establishment-Liebling Biden eintreten werden.
Sanders könnte das Ruder zwar noch irgendwie rumreißen, aber sein Weg zur Nominierung ist nun extrem kompliziert. Und wir alle wissen: Selbst, wenn Bernie die Nominierung und auch die Präsidentschaft selbst gewinnt, würden die meisten gewählten Demokraten seine Reformen ablehnen und ihn in eine Krisenregierung schlittern lassen.
Die Lehren der Sanders Kampagne und der Weg nach vorne
Wie wir zu Beginn umrissen haben, lagen Bernies Strategie viele falsche Annahmen zugrunde. Manche SozialistInnen sahen eine Kandidatur für die Demokraten als eine Abkürzung zum Sieg.
Sie hielten an diesen Illusionen fest, da Sanders in den Vorwahlen 2016 so gut abschnitt, und vergaßen, dass ein guter Teil davon auf das weitverbreitete „alles nur nicht Hillary“-Sentiment zurückzuführen war.
Indem Bernie als Demokrat kandidierte, überließ er sein Schicksal den WählerInnen dieser Partei – nicht der breiten Bevölkerung. Einige dieser WählerInnen sind ArbeiterInnen, aber nicht alle von ihnen. Und nicht alle ArbeiterInnen sind sich ihrer Lage in der Gesellschaft als Teil der Arbeiterklasse, oder der wahren Natur der Demokratischen Partei bewusst. Die meisten derjenigen, die sich an Partei-Vorwahlen beteiligen sind eben jene, die überhaupt erst Illusionen in diese Partei haben.
Ein Kandidat, der sich für die Demokraten aufstellen lässt, wird unweigerlich in den Sumpf der Logik des geringeren Übels hineingezogen – statt sich auf Klassenpolitik zu orientieren. Nach dieser Logik hat Trump die Schuld an allen Problemen, die sie haben, anstatt diese auf das kapitalistische System zurückzuführen.
Diese Logik des geringeren Übels richtete sich schließlich gegen Sanders selbst.
„Trump ist die Wurzel der Probleme, wir müssen ihn loswerden, koste es, was es wolle! Ein ‚moderater‘ Kandidat wird sicherlich bessere Chancen haben, zu gewinnen. Deshalb müssen wir Biden unterstützen!“
Das ist die Logik, die überhaupt erst zu Trumps Sieg geführt hat – und sie könnte auch zu seiner Wiederwahl 2020 führen.
Eine wirklich sozialistische Kampagne würde die Widersprüche des Systems und welche Rolle die Demokraten und Republikaner darin spielen aufzeigen.
Keine dieser Parteien kann die Probleme der Arbeiterklasse lösen – das muss unsere Botschaft sein.
Die Mehrheit der AmerikanerInnen spüren das instinktiv. Selbst wenn heute Viele noch nicht mit uns übereinstimmen, werden ihre Erfahrungen sie in unsere Richtung drängen, wenn wir nicht nachgeben und weiterhin geduldig erklären.
Der Niedergang des US-Kapitalismus, insbesondere seit 2008, hat zu einem enorm ansteigenden Interesse an radikalen Ideen geführt, aber diese Entwicklung steckt noch in ihren Kinderschuhen.
Es ist nicht realistisch, dass eine Bewegung, die gerade erst begonnen hat, aus dem nichts einen Präsidenten wählen kann, ganz zu schweigen von den vielen Widersprüchen, die der bürgerlichen Demokratie innewohnen.
Unglücklicherweise wird der Sozialismus nicht einfach dadurch errichtet werden können, dass wir für einen Kandidaten stimmen, der ein paar Reformen verspricht – und mit Sicherheit nicht, wenn er für eine kapitalistische Partei antritt.
Diejenigen, die wirklich eine sozialistische Zukunft wollen, müssen hier und jetzt eine solide Grundlage aufbauen und falschen Verlockungen von Abkürzungen widerstehen. Das sind harte Worte und eine harte Realität, aber ein solcher Realitätscheck ist in Zeiten wie diesen notwendig.
Wie geht es jetzt weiter?
Alle ernsthaften SozialistInnen müssen sich die Situation genau ansehen und die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.
Marxistische Theorie ist die Verallgemeinerung vergangener Kämpfe der Arbeiterklasse. Sie erlaubt uns den Stürmen der kapitalistischen Propaganda und des Drucks der Gesellschaft standzuhalten. Der wichtigste Schritt vorwärts ist der Aufbau der notwendigen Infrastruktur für die Zukunft.
In unserem Dokument „Perspektiven für die US-Revolution“ von 2014 erklärten wir:
„Wir müssen mit der mühevollen Arbeit des Aufbaus einer Kaderorganisation beginnen, die auf der Grundlage künftiger Ereignisse ihre gesammelte Qualität in neue (zahlenmäßige) Quantität umwandeln kann. Wir können es uns nicht leisten, auf irgendeine Weise mit Reformisten verwechselt zu werden. Wir dürfen die Grenzen zwischen reformistischer und revolutionärer Politik nicht verwischen. Wir müssen immer und jederzeit ein klares Banner hochhalten, das uns von anderen abhebt und als zukünftiger Referenzpunkt dient. Andernfalls werden die ArbeiterInnen nicht aus ihren Erfahrungen lernen und wissen nicht an wen sie sich wenden sollen, wenn die Ereignisse unsere Perspektiven bestätigen.“
Dies wurde lange vor dem Sanders-Phänomen geschrieben, noch vor dem Aufstieg der DSA (Democratic Socialists of America, einer Gruppe innerhalb der Demokraten) und vor Trumps Wahl zum Präsidenten. Diese Zeilen bezeugen die Überlegenheit der marxistischen Perspektiven über das Erstaunen des Bürger- und Kleinbürgertums. Was wir brauchen ist eine solide Kaderorganisation – ein landesweites Netzwerk von fähigen revolutionären AktivistInnen, die in marxistischer Theorie und Agitation geschult sind und in der Lage sind, ein Programm für die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft in breiten Teilen der Arbeiterklasse zu verankern.
Ist diese Grundlage einmal errichtet, können SozialistInnen unabhängige KandidatInnen für den Kongress, Abgeordnete in den Staaten und Bezirksräte in Arbeiterbezirken aufstellen. Viele solcher Bezirke sind unter klarer Kontrolle entweder der Demokraten oder der Republikaner. Ein unabhängiger, sozialistischer Kandidat/Kandidatin würde den Menschen eine tatsächliche Wahl geben. Noch wichtiger als zu gewinnen, würden diese Kampagnen SozialistInnen eine Plattform verschaffen, um unser Programm und unsere Ideen an breite Schichten der Arbeiterklasse zu vermitteln.
Diese Strategie ist kein Sprint, aber es ist der einzige Weg nach vorne. Diejenigen, die darauf bestanden haben, dass die Demokraten übernommen werden können, oder dass SozialistInnen einen Flügel innerhalb dieser Partei aufbauen sollten und später einen „unsauberen Bruch“ mit dem Parteiestablishment vollziehen sollten, schauen nach diesem Super Tuesday recht blöd aus der Wäsche.
Wenn Sanders auf die Bank geschoben wird und Biden Kandidat wird, wie wird das dabei helfen, einen „sozialistischen Flügel“ der Demokratischen Partei aufzubauen?
Die Arbeiterklasse stellt die große Mehrheit der Bevölkerung dar und hat enorme potenzielle Macht, wenn sie sich dieser bewusst wird – das schließt auch die Macht ein, eine eigene Massenpartei aufzubauen.
Viele ArbeiterInnen und Jugendlichen haben den Schluss gezogen, dass die Demokraten nicht ihre Partei sind und sie daher nicht bei den Vorwahlen mitstimmen werden. Wenn sie für Bernie stimmen tun sie dies, obwohl er Kandidat der Demokraten ist, nicht weil er es ist. Diejenigen, die dafür argumentieren, für die Demokraten anzutreten, wollen solche WählerInnen in diese Partei hineinziehen.
Das stellt jedoch einen Rückschritt dar. Es ist eine Strategie, die außerdem bisher mit nicht sonderlich viel Erfolg gekrönt war. In den bisherigen Vorwahlen machten die unter 30-Jährigen weniger als 20% der Wählerschaft aus – in den meisten Staaten nur 15%.
Viele Sanders-UnterstützerInnen werden von den Ergebnissen des Super Tuesday enttäuscht sein. Sie werden auch genau gesehen haben, wie ihr bevorzugter Kandidat von „seiner“ Partei behandelt wurde. Es gibt klare Beweise für Wahlbehinderung und andere „Unregelmäßigkeiten“. Nicht ohne Grund trenden die Hashtags #RiggedPrimary und #RiggedDNC auf Twitter.
Diejenigen, die die Gesellschaft wirklich verändern wollen, müssen sich die Aufgaben, vor denen SozialistInnen stehen, tief zu Herzen nehmen: die Vorbereitung für eine sozialistische Massenpartei und eine Arbeiterregierung in der kommenden geschichtlichen Periode. Wir haben keine Zeit zu verlieren, um eine sozialistische Zukunft aufzubauen.
Das ist es, worum es der IMT geht, und wir laden euch dazu ein, mitzumachen!