John Peterson analysiert die Antrittsrede von Barrack Obama, dem neuen Präsidenten der USA.

„Wir versammeln uns an diesem Tag, weil wir die Hoffnung und nicht die Angst, die Einheit und nicht den Konflikt und den Streit gewählt haben.“ – Barack Obama


Die US-amerikanischen ArbeiterInnen stehen einer seit Jahrzehnten nicht mehr da gewesenen ökonomischen und sozialen Krise gegenüber. Die Säulen des US-amerikanischen Kapitalismus brechen eine nach der anderen ein: alle größeren Banken und Finanzdienstleistungsgesellschaften; alle größeren Autokonzerne; der Traum von einem eigenen Haus und einer sicheren Altersvorsorge; die Aura der Unbesiegbarkeit der US-Militärmacht; das Versprechen von einem Morgen, das besser ist als das Heute. Kurz, der Fels, auf dem der US-Kapitalismus seine fortwährende ausbeuterische Existenz begründete, ist zu Treibsand geworden.

Marx und Engels beschrieben das Leben unter dem Kapitalismus im „Kommunistischen Manifest“: „Alles Solide geht in Luft auf, alles Heilige wird profan, und schließlich ist der Mensch gezwungen, mit nüchternem Sinn die realen Bedingungen seines Lebens und seines Verhältnisses dazu zu erkennen.“ Diese Erschütterung des „American Dream“, die Erkenntnis, dass es tatsächlich nicht besser geht, hat jetzt und in Zukunft tiefgreifende Auswirkungen auf das Bewusstsein aller gesellschaftlichen Klassen, nicht zuletzt der ArbeiterInnenklasse. Schon gibt es Anzeichen einer brodelnden Unzufriedenheit unter der scheinbar ruhigen Oberfläche der Gesellschaft. Wenn sich die Krise vertieft und die Illusionen in Obama an der kalten Realität dieses Systems zerschmettert sind, werden diese Unterströmungen an Stärke und Ausrichtung gewinnen und in dynamischer und unerwarteter Art und Weise an die Oberfläche gelangen.

Die kapitalistische Klasse, an der Spitze des Staates repräsentiert durch die DemokratInnen und RepublikanerInnen, ist in ihrem Vertrauen ebenfalls erschüttert. Das Establishment ist unsicher, wie am besten weitergemacht werden sollte. Einige meinen, dass der Markt sich selbst regulieren können sollte, andere hingegen befürworten keynesianische Staatsintervention und einen neuen „New Deal“. Doch während sie sich streiten, wie die Wirtschaft am besten wieder in Gang gebracht werden kann, sind sie einmütig in ihrer Verteidigung des kapitalistischen Systems als solches. Aus dem Munde von Obama, Bush, Biden, Cheney, den Clintons oder dem Rest wird nie ein Zweifel am System selbst gehört werden. Sie wissen sehr gut, dass ihnen die gesellschaftlichen Konsequenzen der Krise außer Kontrolle geraten könnten. Sie haben daher den besten Mann, den sie für diesen Job finden konnten, gewählt: Barack Obama. Er hat im Gegenzug eine Galaxie prokapitalistischer und imperialistischer Talente zusammengestellt, die ihn in der Ausführung seiner Politik unterstützen sollen. Die historische Aufgabe des 44. Präsidenten ist klar: die Vereinigten Staaten von Amerika so zu erhalten, wie sie heute sind. Das heißt, seine Rolle besteht darin, das US-kapitalistische System in seiner Epoche des imperialistischen Niedergangs zu verteidigen.

Damals und heute

Die ständigen Vergleiche und Hinweise auf Abraham Lincoln sind kein Zufall. Lincoln kam während einer tiefen Krise, die letztlich in einen Bürgerkrieg mit 618.000 Toten geführt hat, an die Macht. Obwohl der Bürgerkrieg im Grunde ein Krieg gegen das System der Sklaverei war, wurde er unter der Losung „Erhaltung der Union“ geführt. Lincoln stützte sich in der Kriegsführung auf die Massen und im Besonderen auf die ArbeiterInnenklasse, auf ihr instinktives Streben nach Einheit und ihre Empörung gegen die Sklaverei. Sein Aufruf zur „nationalen Einheit“ entsprach der Stimmung in der Gesellschaft und den ökonomischen Erfordernissen des kapitalistischen Systems. Der Krieg und die Rolle Lincolns waren revolutionär und wurden von Marx unterstützt.

Lincolns historische Aufgabe bestand in der Verteidigung des aufkeimenden Kapitalismus im Norden und seiner Ausweitung auf das ganze Land. Zu dieser Zeit war das eine notwendige und fortschrittliche Aufgabe, trotz des Elends und der Ausbeutung, die Teil des Systems sind. Der Kapitalismus befand sich noch in seiner historisch fortschrittlichen Phase und die Abschaffung der Sklaverei im Süden bereitete den Boden für eine nie dagewesene Entwicklung der Produktivkräfte und Stärkung der städtischen ArbeiterInnenklasse, was die materielle Basis für den Sozialismus legte.

Doch heute liegen die Dinge ganz anders. Obama gelangt zu einer Zeit des Niedergangs des Kapitalismus an die Macht. Seine Aufgabe ist es, ein faules System, dessen historische Aufgabe erschöpft ist, aufrecht zu erhalten. Der Kapitalismus hat aufgehört, eine fortschrittliche Rolle für die Mehrheit der Menschheit zu spielen. Er hat seine historische Absicht bereits erfüllt: die materielle Grundlage für den Sozialismus bereitzustellen. Wir werden auf der Technologie und der Arbeitsproduktivität, die von der Menschheit unter kapitalistischen Verhältnissen erreicht worden ist, aufbauen, um eine neue Gesellschaft zu errichten, frei von Ausbeutung und basierend auf den gemeinsamen Interessen der Mehrheit, die die ArbeiterInnenklasse stellt. Die kapitalistische Klasse wird jedoch ihre Macht und Privilegien nicht ohne Kampf aufgeben. Diese Handvoll an Individuen ist entschlossen, ihre Vorherrschaft und die Ausbeutung von Millionen Menschen auf der ganzen Welt fortzusetzen. Ihr System ist zunehmend nicht vereinbar mit dem Weiterbestehen der Menschheit selbst. Wir können es entweder durch weltweiten Sozialismus ersetzen oder dem ganzen „Experiment“ der menschlichen Zivilisation droht ein sehr gewaltsamer und schrecklicher Untergang.

Welche Einheit?

Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf müssen wir das Hauptthema von Obamas Antrittsrede verstehen: ein Aufruf zur nationalen Einheit und zur Erbringung von Opfern in den noch kommenden härteren Zeiten. Doch wir wollen einen Blick zurück auf die ersten Jahre von Bush werfen. Nach dem 11. September 2001 appellierte G.W. Bush ebenfalls an die „nationale Einheit“. Wir erklärten damals in einem Artikel mit dem Titel „Welche Einheit?“ folgendes:

„Wichtiger noch, der schlafende Riese der US-amerikanischen ArbeiterInnenklasse ist nun zu gesellschaftlichem und politischem Bewusstsein erwacht. Im Moment sind sie aufgeregt, trauernd und im Schockzustand. Sie greifen nach Lösungen, die ihnen vertraut sind – militärische Aggression, Religion, abstrakte ‚Einheit’ und so weiter…

Die donnernden Rufe nach Krieg und Rache sind die sichtbarsten Auswirkungen der Angriffe. Über Nacht wurde das Land von Kriegsfieber und nationaler Hysterie ergriffen. Die Verkäufe von US-amerikanischen Flaggen erreichen unbekannte Höhen und es gibt kaum ein Fastfoodlokal oder eine Kirche, wo nicht eine Version von ‚God bless America’ spielt. Religiöse Appelle haben bislang diesbezüglich taube Ohren erreicht, weil die Menschen in einer offensichtlich verrückt gewordenen Welt nach Antworten suchen. Wenn man die PolitikerInnen und NachrichtensprecherInnen hört, möchte man nicht glauben, dass es eine Trennung von Staat und Kirche in diesem Land gibt. Die Aufrufe zur nationalen Einheit sind fast allgegenwärtig und alle oberflächlichen politischen Differenzen zwischen den RepublikanerInnen und den DemokratInnen gehen im Lärm der Kriegstrommeln unter…

Es ist daher notwendig, dass wir uns darüber klar sind, was G.W. Bush mit ‚nationaler Einheit’ meint. Wonach er ruft, ist die Unterordnung der ArbeiterInnenklasse unter die Interessen der herrschenden Klasse. Das ist immer so im Kapitalismus, doch in Zeiten der Krise, des Kriegs und der Revolution gewinnt die Wichtigkeit, die Millionen ArbeiterInnen mit frischem Bewusstsein auf der Seite der UnternehmerInnen zu halten, an Bedeutung. Besonders wenn die ‚Führenden’, die ‚unsere Nation’ schützen sollten, sich als völlig unfähig dazu erwiesen haben, muss der spontane Ausbruch der ArbeiterInnenklasse ‚sicher’ kanalisiert werden – gegen einen Außenfeind.

Und obwohl die unmittelbare Reaktion vieler war, die Flagge im Interesse der ‚nationalen Einheit’ auszustecken, streben sie in Wahrheit nach der Einheit der Menschheit und einem Ende solch schrecklicher Ereignisse. Der tiefste Effekt der Angriffe bestand in einem alarmierenden Weckruf an die ArbeiterInnen bezüglich der Grausamkeiten dieser Welt. Millionen Menschen in den USA wissen jetzt, wie es ist, in Unsicherheit und Angst zu leben – und sie mögen es nicht. Sie wurden konfrontiert mit der Tatsache, dass sie die Außenwelt nicht einfach ignorieren können – die Probleme des Rests der Welt sind auch die Probleme der US-amerikanischen ArbeiterInnenklasse. Und genau der Mangel an Stabilität im Leben unter dem Kapitalismus wird Millionen Menschen dazu zwingen, ihr Leben und ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen.“


Was ist das Ergebnis dieser „Versammlung unter der Flagge“ fast acht Jahre später? Zwei imperialistische Kriege, die jede Woche Milliarden kosten, während Schulen und Spitäler geschlossen werden; etwa 47 Millionen sind ohne Zugang zu Gesundheitsversorgung; Trillionen von Pensionsersparnissen gingen verloren und Millionen Menschen haben ihr Heim verloren, während die Gehälter und Prämien der Firmenvorstände astronomische Höhen erreichten. Kurz, die Reichen haben gewonnen und die Armen und die ArbeiterInnenklasse haben verloren.

Warum ist das so? Warum können wir nicht einfach „alle miteinander auskommen“? Der Grund ist einfach: die Interessen der kapitalistischen Klasse und der ArbeiterInnenklasse sind einander diametral entgegengesetzt. Im Kapitalismus halten die KapitalistInnen die Asse in Händen. Sie kontrollieren die Medien, die Regierung, die Gerichte, die Polizei, das Militär, die Banken und das Bildungswesen. Sie schreiben die Gesetze. Sie treffen all die realen Entscheidungen, wer arbeitet und wer ein Haus besitzt. Mit anderen Worten, sie nutzen jedes ihnen zur Verfügung stehende Werkzeug, um ihre eigenen Interessen zu verteidigen, die mit den Interessen der die Mehrheit darstellenden ArbeiterInnenklasse nicht vereinbar sind.

Abstrakte „nationale Einheit“, die die in der Gesellschaft bestehenden klaren Klassenunterschiede und -widersprüche verwischt, ordnet die Interessen der ArbeiterInnenklasse den Interessen der kapitalistischen Klasse unter. Es ist die „Einheit“ von Pferd und Reiter, von Lord und Diener, von Master und Sklave. Als MarxistInnen sind wir für Einheit. Doch wir brauchen eine Klasseneinheit, ungeachtet der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion oder Nationalität. Nur die Macht der vereinten ArbeiterInnenklasse kann die Vorherrschaft des Kapitals entscheidend herausfordern.

Können wir an die Veränderung glauben?

Jetzt ist Obama an der Reihe, zu nationaler Einheit aufzurufen. In seiner Antrittsrede machte er klar, was er unter „nationaler Einheit“ versteht. Er bestätigte das „belebende Vertrauen“ von Millionen, die dem Wirtschaftsdesaster ausgesetzt sind. Er benannte die „nagende Angst, dass der Abstieg Amerikas unvermeidlich ist und dass die nächste Generation ihre Ansprüche reduzieren muss.“ Er identifizierte sich einfühlsam mit jenen, die ihre Jobs und ihre Häuser verlieren und wandte sich an „wir, das Volk“ und an „diese Generation von AmerikanerInnen“, auf dass sie sich „ihr Vertrauen in die Ideale unserer Vorfahren und ihr Bekenntnis zu unseren Gründungsdokumenten erhalten“ sollten. Er appellierte auch an das Schreckgespenst des Terrorismus und die Gefahr, sich bezüglich der Energieversorgung auf „unsere Gegner“ zu verlassen. Er dämpfte die Erwartungen der Menschen bezüglich einer raschen Wiederherstellung des Wohlstands und sagte, dass die Herausforderungen ernsthaft, viele und wahrhaftig seien und „nicht in einer kurzen Zeitspanne leicht besiegt werden können.“ Er berief sich auf die Heilige Schrift und die Unabhängigkeitserklärung und fügte das „gottgegebene Versprechen, dass alle gleich und alle frei sind und alle eine Chance, ihr volles Maß an Glück zu erstreben, verdienen“ hinzu.

Und aus all dem Wirbel hochfliegender Rhetorik schimmert hervor, was er wirklich meint:

„Unsere Reise war nie eine mit Abkürzungen oder der Genügsamkeit. Sie war nie der Weg für Zaghafte – für jene, die Muße der Arbeit vorziehen oder nur das Vergnügen der Reichen und Berühmten suchen. Vielmehr war sie immer die der Risikofreudigen, der Tätigen, der Macher – einige gefeiert, doch öfter unbemerkt in ihrer Arbeit, die uns den langen, rauen Pfad zu Wohlstand und Freiheit entlang gebracht haben.

…für uns schufteten sie schweißtreibend und besiedelten den Westen; ertrugen sie die Peitsche und pflügten sie die harte Erde…

Immer wieder kämpften und opferten und arbeiteten diese Männer und Frauen, bis ihre Hände blutig waren, damit wir ein besseres Leben haben. Sie sahen in Amerika mehr als die Summe individueller Bestrebungen und mehr als die Unterschiede der Geburt oder des Wohlstands oder der Parteizugehörigkeit…

Wir bleiben die wohlhabendste, mächtigste Nation der Erde. Unsere ArbeiterInnen sind nicht weniger produktiv als zu Beginn der Krise. Unser Geist ist nicht weniger innovativ, unsere Güter und Dienste werden nicht weniger gebraucht als letzte Woche oder letztes Monat oder letztes Jahr. Unsere Kapazität besteht unverringert. Doch unsere Zeit, engstirnige Interessen zu schützen und unbequeme Entscheidungen vor uns herzuschieben – die ist mit Sicherheit vorbei. Ab heute müssen wir uns selbst am Kragen packen, den Staub abschütteln und mit der Arbeit beginnen, Amerika neu zu schaffen.“


Mit anderen Worten müssen wir unsere Klassendifferenzen beiseite lassen („Unterschiede der Geburt oder des Wohlstands oder der Parteizugehörigkeit“), aufhören uns über unser Los zu beklagen und die Bedingungen, unter denen wir zu leben gezwungen sind, akzeptieren („engstirnige Interessen und unbequeme Entscheidungen“) und uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, um das Chaos, das die KapitalistInnen und ihr System fabriziert haben, zu bereinigen („uns selbst am Kragen packen, den Staub abschütteln und mit der Arbeit beginnen, Amerika neu zu schaffen“). Mit so vielen Worten wird gesagt: „arbeitet hart!“ gesagt. Das ist der wahre „Geist Amerikas“.

Doch wer soll die harte Arbeit erledigen? Ist es wahr, dass die Millionen „unbemerkt in ihrer Arbeit“, die sich für niedrige Löhne abrackern, um sich das Leben zu leisten, einfach nicht hart genug arbeiten? Wir könnten auch fragen: wessen Vergnügen, Reichtum und Ruhm? Wessen Wohlstand? Wessen Freiheit?

Nachdem er einen ehrgeizigen Plan zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Senkung der Kosten im Gesundheitsbereich und zur Kürzung irgendwelcher ineffizienten Regierungsprogramme dargelegt hat, bekannte er Farbe als Apologet und Verteidiger des Kapitalismus:

„Es ist nicht die Frage, ob der Markt eine gute oder böse Macht ist. Seine Kraft zur Erzeugung von Wohlstand und zur Erweiterung der Freiheit ist unbestritten, doch diese Krise erinnert uns daran, dass der Markt ohne ein wachsames Auge außer Kontrolle geraten kann – und dass eine Nation nicht lang gedeihen kann, wenn sie nur die Wohlhabenden bevorzugt. Der Erfolg unserer Wirtschaft hing immer nicht nur von der Größe unseres BIP ab, sondern von der Reichweite des Wohlstands; von unserer Fähigkeit, jedem guten Willens die Gelegenheit dazu zu gewähren – nicht als Almosen der Barmherzigkeit, sondern weil es der sicherste Weg zum gemeinsamen Wohl ist.“

Nach Beklagung der „Exzesse“ des Systems und einem Rundumschlag auf die „Wohlhabenden“ enthüllt er die mythologische Kreation eines freundlicheren, netteren Kapitalismus, der „jedem guten Willens die Gelegenheit gewährt“.

Nach Berufung auf die „Herrschaft des Gesetzes“ und die „Rechte des Menschen“ erinnerte er die AmerikanerInnen, dass sie „Faschismus und Kommunismus nicht nur mit Raketen und Panzern, sondern mit soliden Allianzen und nachhaltigen Urteilen niedergerungen“ haben. So viel zum „Kommunisten“ Obama!

In einer Äußerung, die auch G.W. Bush getätigt haben könnte, sagte Obama in Anspielung auf den Irakkrieg: „Wir werden uns für unsere Art zu leben nicht entschuldigen, wir werden in ihrer Verteidigung nicht schwanken, und jenen, die ihre Ziele über Terror und Abschlachtung Unschuldiger zu erreichen trachten, sagen wir, dass unser Geist stärker ist und nicht gebrochen werden kann; ihr könnt uns nicht überdauern und wir werden euch niederstrecken.“

Und zur Festigung seines Themas der nationalen Einheit:

„So viel die Regierung auch tun kann und muss, es ist letztlich der Glaube und die Entschlossenheit des amerikanischen Volks, worauf diese Nation beruht. Es ist die Freundlichkeit, Fremde aufzunehmen, wenn die Dämme brechen, die Selbstlosigkeit der ArbeiterInnen, die eher Kurzarbeit machen als einen Freund seinen Job verlieren zu sehen, was uns die dunkelsten Stunden durchstehen lässt. Es ist der Mut des Feuerwehrmannes, der ein raucherfülltes Stiegenhaus erklimmt, aber auch der elterliche Wille zur Versorgung eines Kindes, was letztlich unser Schicksal entscheidet.“

Mit anderen Worten sollen wir den Opfern der NiedriglohnempfängerInnen und Teilzeitarbeitenden, die die kapitalistische Kargheit und Armut unter sich um des „höheren Guts willen“ teilen, applaudieren. Doch was wichtiger ist – Obamas Worte haben eine unbeabsichtigte Botschaft: es sind die Millionen durchschnittlicher ArbeiterInnen Amerikas, die dieses Land am Laufen halten. Da erhebt sich die Frage: warum haben diese Millionen amerikanischer ArbeiterInnen in diesem Land nicht das Sagen?

In Krisenzeiten ist es für die Menschen normal, sich zusammenzuschließen, Schutz, Sicherheit und Trost in der Menge zu suchen. Doch die grundlegende Frage ist die Klassenfrage. Wessen Interessen verteidigt Obama? Die der Mehrheit, der ArbeiterInnenklasse, oder die der Minderheit, der kapitalistischen Klasse? Und wenn die USA wirklich eine Demokratie sind, sollten dann die Interessen der Mehrheit wirklich den Interessen einer winzigen Minderheit untergeordnet sein?

Perspektiven für die Zukunft

Die USA sind heute ein anderer Ort, als sie es vor acht Jahren waren. Eine Menge Wasser ist unter der Brücke durch (und über die Dämme hinweg) geflossen. Das Bewusstsein verändert sich rasant. Die alten Stereotypien über Amerika passen nicht mehr. Beispielsweise wird es nicht so einfach sein, Amerikas Aufmerksamkeit hysterisch nach außen, gegen einen externen Feind zu lenken. Sieben Jahre Krieg und Krise haben ihre Wirkung. Besetzungen von Universitäten und Betrieben stehen wieder auf der Tagesordnung. Mehr als je zuvor besteht akute Gefahr, dass angesammelte Frustration und Verärgerung gegen den Feind daheim gewendet wird: die Bankiers, die Geschäftsführungen, die PolitikerInnen des Big Business und das kapitalistische System selbst. Deshalb ist Obamas Aufgabe so heikel und aus Sicht der herrschenden Klasse entscheidend.

Die KapitalistInnen setzen in Obama große Hoffnungen. Sie erwarten von ihm, dass er ihr System rettet. Millionen ArbeiterInnen setzen ebenso große Hoffnungen in Obama. Sie hoffen auf ein Ende der Instabilität, auf einen sicheren Arbeitsplatz mit existenzsicherndem Gehalt, auf ein Daheim, auf Zugang zur Gesundheitsversorgung und Alterssicherung. Die Hoffnung auf Veränderung ist eine mächtige, inspirierende Kraft, doch die Wahrheit ist immer konkret. Die Wirklichkeit ist: trotz dieser oder jener kosmetischen Veränderung wird das Leben unter Obama nur ein „more of the same“ sein: Gürtel enger schnallen für die ArbeiterInnenklasse, während sich die Reichen weiter bereichern, wenngleich mit einem bescheideneren öffentlichen Auftreten.

Bush beendete seine Präsidentschaft mit einer Beliebtheitsrate von 22%, was einen enormen Abstieg von seinem Höhepunkt in den Umfragen nach dem 11. September darstellt. Obama betritt das Oval Office mit über 80% Zustimmung: es kann nur schlechter werden. Obamas Aufruf zur nationalen Einheit ist ein Aufruf an das Lamm, sich zum Löwen zu legen. Wir haben die Auswirkungen solcher „Einheit“ in den Jahren seit dem 11. September gesehen. Wir müssen aus dieser Erfahrung lernen und uns auf die Grundlage der Klasseneinheit stellen. Wir können uns nur auf unsere eigene Stärke und Organisierung verlassen, um den fundamentalen Wandel, den wir brauchen, zu erreichen.

Im kleinen Maßstab findet die gesellschaftliche Krise bereits auf den Straßen, in den Fabriken und auf den Universitäten ihren Ausdruck. Dieser Prozess wird sich in der kommenden Periode beschleunigen. In letzter Analyse steht das Überleben des kapitalistischen Systems als solches und der Erfolg oder das Versagen der sozialistischen Revolution in den Vereinigten Staaten auf dem Spiel. Das mag weit hergeholt klingen, nach gerade mal ein paar Tagen von Obamas Präsidentschaft, doch die Ereignisse der kommenden Jahre werden die Richtigkeit dieser Perspektive beweisen. Die anfängliche Begeisterung hat bei vielen ArbeiterInnen und jungen Menschen, die auf mehr gehofft hatten, bereits nachgelassen. Tausende haben bereits mit Obama und den DemokratInnen gebrochen und sind sich der Notwendigkeit einer MassenarbeiterInnenpartei bewusst, sie suchen nach einer revolutionär-sozialistischen Lösung für die Krise. Wir laden dazu ein, Kontakt mit der Workers International League aufzunehmen, sich uns im Kampf für eine wirkliche Veränderung und nicht nur die Hoffnung darauf anzuschließen. Kämpf mit uns für den Sozialismus!


23. Jänner 2009
Von John Peterson, USA


Quelle: Workers International League


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