Am Samstag dem 12.12. um 15 Uhr, genau als viele ihre Weihnachtseinkäufe in der Wiener Innenstadt machten, trafen sich gut versteckt 1500 Studenten im Universitätshof des alten AKHs um unter dem Motto „Deine Rechte brennen!“ gegen die geplante „Novelle des Universitäts- und des Hochschulgesetztes“ (UG-Novelle) zu demonstrieren. Ein Bericht von HochschulaktivistInnen des „Funke“.
Umgeben von Mauern harrten wir trotz eisiger Kälte aus, um den vielen Reden der StudivertreterInnen zuzuhören. Nach über einer Stunde tontechnisch schlecht verständlicher Reden, setzten wir uns schließlich in Bewegung. Da war es allerdings schon so spät und dunkel, dass man sicher sein konnte, keine PassantInnen mehr auf dem kurzen Weg zwischen Altem AKH und Heldenplatz anzutreffen. Die Stimmung war entsprechend gedrückt.
Es drängte sich langsam die Frage auf: Wollen wir überhaupt gesehen und gehört werden?
1500 DemoteilnehmerInnen kurz vor Weihnachten und inmitten der zweiten Corona Welle sind keine unbedeutende Größe. Doch wenn wir die UG-Novelle noch abwenden wollen, müssen wir ehrlich sein: 1500, einmal auf der Straße, werden nicht reichen. Wir brauchen eine österreichweite Unibewegung, um die UG-Novelle der Regierung zu verhindern und nach Jahrzehnten der Angriffe auf das Bildungssystem selbst in die Offensive zu gehen. Und die Bedingungen für so eine Bewegung wären gegeben. Alleine in Wien gibt es an die 200.000 Studierenden, die potentiell von den drohenden Verschlechterungen betroffen sind, und nach Monaten des Corona-bedingten Bildungschaos ist die Geduld vieler StudentInnen mit der Politik der Regierung am Ende.
Wie kann eine Massenbewegung organisiert werden? Als allererstes braucht es konkrete Forderungen und Perspektiven, die Lösungen für die realen Problemen der Studierenden bieten, die sich in den letzten Monaten und Jahren schon zugespitzt haben, und für die die UG-Novelle nur die Spitze des Eisberges ist: Immer größerer Druck schnell zu studieren bei immer weniger finanziellem Spielraum, Studiengebühren, Jobverlust und Kurzarbeit vieler der 2/3 Studis, die arbeiten müssen. Der Gegner, der uns hier gegenübersteht, muss offen benannt werden: die Bundesregierung, die unter Bedingungen der kapitalistischen Krise die Studierenden systematisch angreift – und wir müssen zurückschlagen!
Mit der Klarheit der Aufgaben ist eine starke Bewegung durch systematische, öffentliche Mobilisierung in einem Zusammenschluss aller linken und kämpferischen Kräfte möglich. Nur durch eine zielgerichtete, aber breite und demokratische Debatte sowie größtmöglicher Transparenz der Entscheidungsfindung können wir alle StudentInnen auf die Straße bringen.
Hauptorganisatorin der Demo war die HochschülerInnenschaft der Uni Wien, die durch eine Koalition von GRAS und KSV-Lili geführt wird. Und sie setzte so eine Perspektive leider nicht in die Tat um. In ihrer Rede vermisste man jede Opposition zur schwarz-grünen Regierung – man war offenbar darauf bedacht, ja niemanden in der Bundesregierung zu vergraulen, hatte doch die eigene Mutterpartei der GRAS besagte Uni Novelle ausverhandelt… Stattdessen wurde der „Koalitionsvertrag der türkis-grünen Bundesregierung“ als Kronzeuge angerufen, der ja eigentlich eine andere Politik vorsehe. Statt die realen sozialen Probleme der Studierenden aufzugreifen, die mit der Novelle noch verschärft werden, fragte sich das Vorsitzteam der ÖH Wien: „Warum darf die Uni kein Ort für Träumer:innen, Unentschlossene oder Faulenzer:innen sein?“
Und auch im Vorfeld der Organisierung zeigte sich dieser völlig falsche Kurs schon: Zuerst hatte die ÖH der Uni Wien tatsächlich zu einem ‚offenen Bündnistreffen‘ eingeladen. Doch statt einer demokratischen Diskussion darüber zu führen, welche Schritte und Slogans es braucht, um perspektivisch eine große Masse von Studierenden zu mobilisieren und diese unsägliche Novelle zu stoppen, beschloss ein kleiner Zirkel das gesamte Vorgehen: Welche Forderungen erhoben wurden, wie mobilisiert würde, wer reden dürfte (und wer nicht). So wurde uns und anderen linken Organisationen der Redebeitrag entzogen – den grünen Vorfeldorganisationen (Schülerorganisation „verde“ und „Grüne Alternative Jugend“) aber nicht.
1500 Studenten auf der ersten Demo sind somit ein zwiespältiges Zwischenergebnis. Einerseits zeigt es die Kampfbereitschaft der Studierendenschaft, der aufgestauten Wut der letzten Jahre und Monate Ausdruck zu verleihen und die ständigen Angriffe nicht mehr weiter zu dulden. Andererseits ist es Zeichen dafür, dass die ÖH sie nicht systematisch mobilisierte und organisierte, weil sie nicht riskieren wollen, in direkte Konfrontation mit der gesamten Regierung zu treten. Der zaghafte Demoaufruf, versteckt in einer ÖH E-Mail, ist dafür symptomatisch.
Eine offene Konfrontation mit der Regierung und eine demokratische Debatte über unserer Vorgehensweise ist jedoch essentiell. Die ÖH als solche hat dies versäumt und hat nach der Demo auch keine unmittelbaren nächsten Schritte aufgezeigt. Seither gab es von „Uns Reicht’s“ und „Bildung brennt“ kleinere Aktionen, wie zum Beispiel einer weiteren Demo am vergangenen Samstag, deren Reichweite allerdings begrenzt war. Wir müssen uns jedoch im Klaren sein: wenn wir gewinnen wollen, führt kein Weg daran vorbei, die Massen der StudentInnen zu mobilisieren und zu organisieren. Alles andere ist Symbolpolitik.
Was es jetzt braucht sind Online-Vollversammlungen aller Studienzweige auf allen Fachhochschulen und Universitäten zur UG-Novelle, die breit beworben werden. Auf solchen Versammlungen könnten die nächsten notwendige Schritte demokratisch diskutiert und organisiert werden und Delegierte gewählt werden, die den Kampf demokratisch legitimiert auf Hochschul-, Stadt- und Bundesebene koordinieren könnten.
Die ÖH hätte die finanziellen Ressourcen und die notwendige Infrastruktur für einen solchen Schritt, es wäre ihre Verantwortung, dies zu organisieren. Doch sowohl auf Bundesebene (wo die Vorsitzende jetzt von der ÖVP-Vorfeldorganisation AG gestellt wird) als auch an der Uni Wien ist ihre Führung zu eng mit den Interessen der schwarz-grünen Bundesregierung verknüpft, um ein Interesse an so einer Zuspitzung der Bewegung zu haben. Mehr als symbolische Aktionen kann man von ihnen nicht erwarten.
Es wäre daher die Aufgabe der linken Fraktionen (insb. VSStÖ und KSV, aber auch anderen die kampfbereit sind), eine gemeinsame Linke Opposition auf Basis des Kampfes gegen die Uninovelle zu formen und systematisch die StudentInnen zu organisieren. Auch die AktivistInnen vom „Funke“ an den Hochschulen würden natürlich so eine Initiative mit voller Energie unterstützen.
Eine Kampagne von Vollversammlungen, organisiert durch eine Reihe von Studienvertretungen, kann unter den jetzigen Bedingungen sehr schnell eine eigene Dynamik bekommen. Mit den richtigen Forderungen hätte sie auch das Potential, weit über die Studierendenschaft hinaus auf SchülerInnen, Beschäftigte im Bildungssektor und darüber hinaus als Ansatzpunkt zu wirken.
So könnten wir gemeinsam die Rücknahme der geplanten Novelle erzwingen und die Basis für eine Gegenoffensive gegen das Kapital und seine Regierung legen!