Der Tag nach der Landtagswahl. Gut gehe es ihm natürlich nicht, aber Max Lercher blickt frohgemutes nach vorne. Was er anstrebt, ist die Fortsetzung der Koalition mit der ÖVP. Emanuel Tomaselli hat sich sein Interview mit der Kleinen Zeitung angehört.
Für die Sozialdemokratie gibt es aktuell nur eine Richtung: nach unten. Man glaubt der Partei schlicht nichts mehr. Ausgerechnet der „Parteirebell“ Max Lercher liefert nun den lebenden Beweis dafür, dass jene ArbeiterInnen, die die SPÖ momentan als nutzlos begreifen, völlig Recht haben. Im Nachwahlinterview mit der Kleinen Zeitung fühlte die erfahrene Journalistin Claudia Gigler mehrmals nach und enthüllt den Vertreter einer Politik der „roten Identität“ als prinzipienlosen Märchenonkel.
Die Interview-Konstellation ist gut gewählt. ÖVP-Gesundheitslandesrat Drexler trifft auf den Nationalratsabgeordneten Max Lercher. Der Abbau der medizinischen Versorgung in der Steiermark basiert auf einem ÖVP-SPÖ-Abkommen namens „Gesundheitsplan 2035“ und ruft insbesondere in den ländlichen Regionen einen breiten Widerstand der Bevölkerung hervor. Die Themen Gesundheit und Spitalswesen waren bestimmende Wahlmotive und sorgten lokal für massive Wählerverschiebungen. Für die WählerInnen der SPÖ war dieses Thema sogar das wichtigste Wahlmotiv diese Partei zu wählen, wie SORA herausgefunden hat.
Im bergigen Bezirk Liezen soll es sowohl zum Abbau von Krankenhausbetten (durch Standortschließungen) als auch zur Reduktion der Zahl an Hausärzten mit Kassenvertrag kommen, so der Plan der Landesregierung. Aufgrund des heftigen Widerstandes seitens der Bevölkerung, der von der KPÖ vor Ort unterstützt wurde, stellte die SPÖ ihre Haltung zu diesem spezifischen Kahlschlag-Projekt wenige Tage vor der Wahl in Frage. Unter Umständen könnte man die medizinische Infrastruktur in Rottenmann ausbauen statt niederzureißen, so SP-Spitzenkandidat Schickhofer.
Befragt nach der aktuellen Position der SPÖ, gibt Lercher dieses Statement ab: „Natürlich passieren in Wahlkämpfen Dynamiken, die sich in dieser oder jener Spitze ausdrücken, wie zum Beispiel diese Aussage.“ Aufgrund des massiven Wahlverlustes der SPÖ in Rottenmann „sei eigentlich eine Entscheidung getroffen“. Diese Logik Max Lerchers ist bestechend: Weil uns die BewohnerInnen Rottenmanns nicht geglaubt haben, dass wir uns für sie entgegen unserer ursprünglichen Komplizenschaft zum Sozialkahlschlag nun doch für ihren Zugang zu medizinischer Versorgung einsetzen, sind wir jetzt ungebunden und können nun guten Gewissens unseren nächsten Verrat begehen.
Folgerichtig gibt sich Max Lercher zuversichtlich und offen für Regierungsverhandlungen. Das Spital wird geschlossen, und damit gibt es jetzt „keine großen Unterschiede zwischen ÖVP und SPÖ“. Über Personalien wolle er jetzt nicht spekulieren, denn zuerst mal „die Inhalte“.
Schluss mit der Lüge!
In seinem eigenen Bezirk Murau konnte Max Lercher die Stimmen für die SPÖ beinahe stabil halten. Die Sozialdemokratie verlor nur ein Prozent und erzielte damit ein passables Ergebnis. Dies ist das Resultat von Lerchers identitätsstiftender „roter Erzählung“, die er landauf landab trommelt und posaunt (wir berichteten). Die ArbeiterInnen wollen eine „rote SPÖ“, die auf den Tisch haut und ihre sozialen Interessen konsequent verteidigt und ausbaut. Max Lercher gibt vor, dies zu verkörpern – aber nur um in der Praxis bei der erstbesten Gelegenheit die Hosen vor den Bürgerlichen runterzulassen, um weiterhin in der Landesregierun den Sozialabbau mitzuverwalten. Max Lercher startete seine Politkarriere als „Kind der Reformpartnerschaft“, als er für Sparpakete von SPÖ und ÖVP gestimmt hatte. Diesen Kurs trägt er bis heute in der Praxis mit.
Die ArbeiterInnen brauchen eine glaubwürdige und prinzipienfeste Opposition zur bürgerlichen SPÖ-Spitze. Der Neuanfang der Sozialdemokratie muss ein sozialistischer sein, nur dafür lohnt es sich zu kämpfen. Die von Max Lercher geforderte „große Erzählung“ hingegen macht niemanden gesund, im Gegenteil im wahren Leben entpuppt sie sich schnell als blanke Lüge.
ArbeiterInnen sind nicht blöd, sondern machen in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen konkrete Erfahrungen mit politischen Parteien. Je nach ideologischem Standpunkt verschieben sie ihr Wahlverhalten nach links oder rechts:
SPÖ: 28,8 % (-12,44 %), FPÖ: 27,81 % (+5,5%), KPÖ: 16,76 (+12,54%), ÖVP: 14,7 % (-8,2%), Grüne: 8,8 % (+ 3,2 %), NEOS 3,2 (+ 1%) [Eigene Grafik]