Die SPÖ-Spitze in Wien gibt weiter dem Druck des österreichischen Kapitals nach und hält am Transitprojekt in der Lobau fest. Der gesellschaftliche Unmut findet auch seinen Widerhall in der Parteibasis. Eine Momentaufnahme der Dynamiken von Felix Bernfeld.

Während SPÖ und ÖVP weiterhin an den Bauprojekten in der Lobau festhalten, verbiegen sich die jeweiligen Juniorkoalitionspartner im Bund (die Grünen) und in der Stadt (Neos), um einerseits ihre Koalitionspartner zufriedenzustellen und andererseits ihr Image als Klimaparteien nicht verlieren zu müssen. So hört man von der Grünen Bundespartei mittlerweile kein Wort mehr zu der Frage, wie sie zu dem Projekt stehen, nur die Wiener Grünen „dürfen“ noch Opposition in Worten machen.

Noch größer ist der Spagat der Neos: Diese stellen sich im Nationalrat offensiv und medienwirksam gegen den Lobautunnel. Umweltsprecher Michael Bernhard hatte im Juli angekündigt, sich gegebenenfalls vor die Bagger in der Lobau zu setzen. Im April hatten sie noch gemeinsam mit der SPÖ im Wiener Stadtrat den Bau der Stadtstraße Aspern, der Zubringerstraße zum zukünftigen Lobautunnel beschlossen.

In allen Fällen ist klar: Umweltschutz ist hier nur politisches Kleingeld auf der großen Show-Bühne der bürgerlichen Politik, wo Macht, Posten und die Profitinteressen der Bauunternehmen und Konzerne an erster Stelle stehen.

Im Moment ist die Baustelle der Stadtstraße besetzt. Diese Besetzung ist symbolischer Natur, aber die Bagger stehen vorerst trotzdem. Die Bauherrin Stadt Wien hat Angst, dass eine polizeiliche Räumung die Lunte ans Pulverfass legen kann. Denn in der Stadt gibt es eine breite Stimmung gegen das Projekt, und diese gilt es zu politisieren und organisieren. Die Besetzung aber versteht sich als geschaffener Freiraum für das Ausleben von „Utopien wie Kostnixläden, Urban Gardening und offenen Bücherschränken“. Auch wenn diese Projekte edle Ziele haben, man wird mit diesen Methoden keinen Sieg über die Beton-Lobby erzielen. Es gälte vielmehr, eine intensive Debatte darüber zu führen, wie die politischen Konflikte und Widersprüche in den politischen Parteien, der Bundesregierung und v.a. der Wiener Landesregierung bewusst genutzt werden können, um das Projekt zu Fall zu bringen.

Immerhin ist eine erste Annäherung zwischen Bauarbeitern und den BesetzerInnen gelungen. Als Bauarbeiter berichteten, dass ihnen wegen Stillstand auf der Baustelle Löhne vorenthalten werden, haben die BesetzerInnen ihnen einen Solidaritätsfond eingerichtet. Aber wo bleibt die Positionierung der Gewerkschaft Bau-Holz zum Lohnraub? Hier müsste man Nachhaken. Die Klimabewegung darf ArbeiterInnen generell nicht als passives Element oder sogar als Hindernis für ihre Aktionen betrachten, sondern als einzige gesellschaftliche Kraft, die die Klimakatastrophe tatsächlich verhindern kann. In letzter Analyse ist es die Arbeiterklasse, die die Industrie übernehmen muss, damit die Wirtschaft auf Basis eines rationalen Plans demokratisch neuorganisiert werden kann.

Der Unmut gegen das Bauprojekt artikuliert sich auch in der Parteibasis der Sozialdemokratie. Dort beginnt sich Widerstand gegen die Parteiführung zu formieren. Ende September hat die Bezirkskonferenz der SPÖ Alsergrund mit einer großen Mehrheit einem Antrag zugestimmt, der sich gegen den Bau der Stadtstraße und der Lobauautobahn ausspricht. Derselbe Antrag wurde auch bereits auf der Konferenz der Jungen Generation Wien angenommen, und wird daher am kommenden Landesparteitag der SPÖ zur Abstimmung stehen. Als unsere nächste Aufgabe in der politischen Auseinandersetzung ‚Lebensqualität vs. Transitlobby‘ verstehen wir es, dass auch die Sozialistische Jugend Wien eine klare Haltung gegen das Projekt einnimmt.

(Funke Nr. 197/30.9.2021)


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