Der Erdrutschsieg der KPÖ Graz erschütterte die bürgerlichen Parteien. Nun ist der Weg zur ersten KPÖ Bürgermeisterin offen. Mario Wassilikos berichtet.

Noch am Wahlabend des 29.9. trat der abgewählte türkise Bürgermeister Nagl zurück, mittlerweile stolperte auch die FPÖ-Spitze rund um den ehemaligen Vizebürgermeister Eustaccio über einen Korruptionsskandal bezüglich Parteienförderung. Die Bürgerblock-Verwaltung hat abgewirtschaftet und steckt in der Krise. Doch Elke Kahrs Wahl zum Bürgermeisteramt war damit nicht gesichert. Die Grünen im Bund machen Druck, dass die grüne Lokalpartei Kahr verhindert, und die SPÖ Steiermark versuchte die Grazer GenossInnen auf eine Anti-Kahr-Position festzulegen, um die Koalition mit der ÖVP auf Landesebene „nicht zu stören“. Die Grazer SPÖ widersetzte sich diesem Druck jedoch klar.

Rosen werden der kommenden Dreierkoalition jedoch nicht gestreut. Elke Kahr schildert:

„Die Verwaltung der zweitgrößten Stadt Österreichs in einer Koalition mit den Grünen und der SPÖ ist keine leichte Aufgabe, vor allem, weil man sich immer wieder daran erinnern muss, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse sich ja nicht geändert haben. Und es gibt sehr, sehr viele Kräfte an den Schalthebeln der Macht, die alles daransetzen werden, uns scheitern zu sehen. Mit Besonnenheit, Freundlichkeit und dem stetigen Bemühen, den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, werden wir aber auch diese Aufgabe meistern. Dafür brauchen wir aber gerade jetzt die Solidarität und auch die Hilfe der Grazer Bevölkerung. Gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam können wir die kommenden Herausforderungen erfolgreich bestehen.“

Führung entscheidend

Der Ansatz ein Bündnis mit der Grazer Bevölkerung zu suchen ist eine wichtige Idee, aber den Takt muss die KPÖ vorgeben. Sie muss die politischen Ziele formulieren für die man eine gesellschaftliche Auseinandersetzung führt.

Eine Kommune organisiert das tägliche Leben der Stadt: den Verkehr, die Müllabfuhr, die Wasserversorgung, das Stromnetz, … Daher fordert die KPÖ seit Jahren eine Rekommunalisierung dieser Leistungen. Aktuell werden diese Leistungen von einem ausgelagerten Betrieb (der Graz Holding) erbracht. Dieser Konzern erwirtschaftet einen Umsatz von 450 Mio. €, hat fast 3000 Angestellte und ein Anlagevermögen von 1,3 Mrd. € (2020). „Die Auslagerung und Privatisierung von stadteigenen Betrieben und Beteiligungen hat Einkommensquellen versiegen lassen. Jetzt sind die Kassen leer!“ analysierte die KPÖ vor der Wahl. Scheinbar soll es auch dabei bleiben, denn es wird kolportiert, dass die Dreierkoalition sich darauf geeinigt hat, es bei der Auslagerung zu belassen.

„Man könnte unter den Abteilungen keine Gegenrechnungen mehr machen und wir müssten Körperschaftsteuer zahlen. Man hat uns erklärt, dass das eine Belastung in der Höhe von zwei bis drei Millionen Euro im Jahr bedeuten würde“, erklärte der designierte KPÖ-Finanzstadtrat Manfred Eber den Bruch mit einer Kernforderung des Wahlprogrammes. „Das wäre viel zu kostenintensiv und wirtschaftlich keine gute Idee“, sekundierte SPÖ-Graz-Chef Michael Ehmann. Auch die Grünen sind von einer kommunalen Wiedereingliederung aller ausgelagerten Unternehmen als städtische Eigenbetriebe nicht sonderlich angetan.

Wir halten es für einen schweren Fehler unter dem Druck der Bürgerlichen sich ihre fadenscheinigen Argumente anzueignen. Auslagerungen kommen der Allgemeinheit immer teurer, weil sie zu Preissteigerungen führen, welchen Privatisierungen der Filetstücke vorangehen, weil Leistungen zugekauft, die Führungseben vervielfacht und Managergehälter gezahlt werden, die Vergaben undurchsichtig sind etc. Eine Gemeinde die im Sinne der Arbeiterklasse funktioniert, braucht eine politische Kontrolle über kommunale Leistungen und wie sie erbracht werden. Ohne die Trockenlegung dieser Sümpfe kann es nur Symbolpolitik geben. Wir appellieren an die KPÖ ihre politische Haltung zur Widereingliederung nicht zu verändern, sondern einen gesellschaftlichen Gegendruck um diese Frage zu organisieren.

Desgleichen finden wir es richtig, hart in der Frage des leistbaren Wohnen zu sein. Leerstandsabgaben, Gemeindewohnungsprogramm und eine Raumordnungspolitik, die die Investorenprojekte zurückdrängt, können jetzt durchgesetzt werden.

Im Bündnis mit den Arbeitenden und der Jugend: Mutig voran!

Am 19. Oktober organisierte die KPÖ Graz mit Unterstützung der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter eine Kundgebung mit hunderten Pflegebeschäftigten vor der Sitzung des steirischen Landtags. Dieser Umstand alleine sorgte bis in die Gewerkschaftsspitzen nach Wien (die es als ihr Privileg sieht Beschäftige nicht zu mobilisieren oder schon) für mächtige Unruhe. Es ist gut sich nicht an die „Spielregen“ zu halten, denn diese sind so gemacht, dass die Interessen der Herrschenden sich immer behaupten können. Wenn die Bürgermeisterin zentrale politische Forderungen der KPÖ aufrechterhält, und die gestärkte Partei eine breite Auseinandersetzung darum organisiert, kann Graz zum Fokus-Punkt einer politischen Trendumkehr in der Arbeiterklasse werden. Dafür setzen wir uns mit ganzer Kraft ein.

(Funke Nr. 198/5.11.2021)


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