Wahlen. Am 26.9. gibt es die Chance, den ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl auf die Oppositionsbank zu verbannen und eine rot-rote Dominanz in der Stadt zu erobern. KPÖ und SPÖ streben dies jedoch nicht an. Von Mario Wassilikos.

Bei einer OGM-Umfrage vom heurigen Februar lag der schwarze Bürgermeister nur noch bei 30% (-7,8% im Vergleich zu 2017), die FPÖ, mit der die Grazer ÖVP seit der Wahl 2017 ein Arbeitsübereinkommen in der Stadtregierung hat, bei 13% (-2,9% im Vergleich zu 2017). Im Frühsommer kündigte die ÖVP vorgezogene Neuwahlen an.

Dass die Umfragewerte der ÖVP sich seither wieder erholen konnten, zeugt davon, dass niemand die Bürgerlichen offensiv herausfordert und eine echte Alternative für Graz aufstellt. Gründe für eine Entmachtung des seit 18 Jahren im Amt befindlichen Bürgermeisters gäbe es jedoch genug: Tausende GrazerInnen sind armutsgefährdet und wissen nicht, wie sie sich Wohnen sowie tägliches Leben leisten können. Im Juli dieses Jahres waren 15.252 EinwohnerInnen der steirischen Landeshauptstadt beim AMS als arbeitslos vorgemerkt – um fast 8% mehr als im Vergleichsmonat von 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie.

Die Antwort des Rathaus-Bürgerblocks darauf: höhere Belastungen, Klientelpolitik zugunsten von Konzernen, Steigerung des Arbeitsdruckes für die in den städtischen Betrieben Beschäftigten, Erhöhung der Richtwertmieten, Verschärfung der Vergaberichtlinien sowie schnellere und leichtere Kündigung der Mietverhältnisse im Bereich der Gemeindewohnungen, Erschwernis des Bezuges von Weihnachts- und Energiekostenzuschuss für Sozialcard-BesitzerInnen, automatische Tarif- und Gebührenerhöhungen, teure U-Bahn-Pläne (Kosten: 3,3 Mrd. Euro), Bauprojekte zugunsten von Immobilienkonzernen und reichen AnlegerInnen, Errichtung des Murkraftwerks, das ein budgetäres und ökologisches Desaster darstellt, strenge Law-and-Order-Maßnahmen gegen die Jugend (der jüngste Streich: Skateverbot auf öffentlichen Plätzen), um nur einige Beispiele zu nennen.

Arbeiterbewegung in die Offensive!

Die KPÖ ist die stärkere Kraft der Arbeiterbewegung in Graz, was sich durch die linkere Positionierung und vor allem die verspielte Glaubwürdigkeit der SPÖ aufgrund ihrer „Reformpartnerschaften“ mit der ÖVP auf steirischer Landesebene erklären lässt. Die KPÖ konnte als engagierte Helferin in sozialen Notlagen sowie als parlamentarische Opposition in Stadt und Land gegen den Sozialabbau der Reformpartnerschaft und gegen die Politik der schwarz-blauen Rathauskoalition reüssieren. Gegen den Rathaus-Bürgerblock tritt sie mit dem Slogan „Soziales darf nicht untergehen“ an.

Doch ihrer bisherigen Politik sind klare Grenzen gesetzt. Die Hauptschlagrichtung der KP ist, sich als „Helfer in Not“ zu präsentieren. Elke Kahr, KP-Spitzenkandidatin, erklärt den Erfolg ihrer Partei so: „Ihr seid die einzigen, die man anrufen kann, wenn man Hilfe braucht.“ Helfen ist wichtig, aber eine politische Partei der Klasse sollte Ziele und Strategien formulieren, um die Lebensbedingungen im Allgemeinen anzuheben. Sprich: ein mobilisierendes Programm der Offensive popularisieren. Der Wahlkampf der KP ist jedoch das gerade Gegenteil: Man beschränkt sich von vornherein auf die Minderheitsposition gegenüber den Bürgerlichen. „Das erklärte Wahlziel für Kahr ist das Behalten des zweiten Stadtsenatssitzes“, sagt die KPÖ. Und die Rolle der KPÖ sei es, „ein wichtiges Korrektiv zur Grazer ÖVP“ zu sein, „da Bürgermeister Nagl schon so manches Mal bewiesen hat, dass er zu übermütig agiert.“

Der Sieg der Bürgerlichen wird rhetorisch vorweggenommen und Kahr schreibt ihm schon vor der Wahl bereitwillig den Bürgermeisterposten zu, wenn sie sagt „demokratisch ist es legitim, dass der Stärkste den Bürgermeister-Anspruch stellt. Die zweite Kraft sollte das Vizebürgermeister-Amt kriegen.“ Mit diesem Minimalanspruch sollen also die eigenen Posten im Stadt-Apparat gesichert werden, um die ÖVP sozial zu „korrigieren“. Dabei ist die Lage für Nagls ÖVP bei weitem nicht so komfortabel, wie man glauben könnte. Eine bürgerliche Zweier-Koalition, wie sie Nagl gerne mit den Grünen oder FPÖ eingehen würde, ist keine ausgemachte Sache. Das für ihn unliebste Szenario ist eine „schwer regierbare Stadt mit Dreierkoalition oder freiem Spiel der Kräfte.“ Die Wahlen könnten jedoch genau ein solches Szenario ermöglichen. Für die Arbeiterparteien ist eine solche politische Instabilität eine historische Möglichkeit, die zweitgrößte Stadt Österreichs in naher Zukunft „zu erobern“.

Die Grazer SPÖ tritt mit ihrem schon im Juni 2020 präsentierten bzw. am heurigen 1. Mai noch einmal stark beworbenen Programm „Graz 2035“ an. Mit diesem will sie die Arbeits- und Lebensqualität in der steirischen Landeshauptstadt verbessern. Im Rahmen der Bewerbung ihres Kommunalprogrammes erteilt Stadtparteiobmann Michael Ehmann der Nagel’schen Politik der Verbote, des Sozialabbaus und der Erfüllung der Konzerninteressen eine Absage. Doch Worte sind geduldig, glaubwürdiger wäre es, sich klar gegen den sozialen Kahlschlag der schwarz-roten Reformpartnerschaft im Land zu positionieren. Wird dies – wie in der Vergangenheit – unterlassen, so droht der 10-Prozent-Partei SPÖ das Absinken in die Bedeutungslosigkeit.

Es sind die selbstauferlegten politischen Beschränkungen der Führungen von KPÖ und SPÖ, die eine sozialistische Offensive, die Nagls Albtraum wahr werden lässt, verhindert. Die KPÖ sollte die SPÖ mit ihren sozialen Forderungen beim Wort und in die Pflicht nehmen und ein rot-rotes Graz propagieren, das mit der rassistischen und Korruptions-Skandal ÖVP aufräumt. Die Grazer ÖVP ist nicht durch eine chinesische Mauer von der Politik ihrer Bundespartei getrennt. Die türkis-grüne Partie betreibt eine rassistische, spalterische Politik, die nur dazu dient, von der eigenen Freunderlwirtschaft und den massiven Geldgeschenken an die Reichen abzulenken.

Ein offensiver, linker Wahlkampf sollte gerade jetzt die Katastrophe in Afghanistan und den skandalösen Rassismus und die Selbstbereicherung der Bundesregierung aufgreifen. Dass die KPÖ diese „heiße Kartoffel“ nicht angreifen will, ist direktes Resultat ihres „Sozialpatriotismus“, mit dem der Rassismus als Spaltung der Arbeiterklasse nicht offen bekämpft wird, wohl damit man es sich mit etwaigen Überläufern aus der FPÖ-Wählerschaft nicht verscherzt. Dabei müsste man gerade jetzt die Einheit der Arbeiterklasse betonen: Für Bleibe- und Arbeitsrecht für alle bei Löhnen, von denen man leben kann, eine öffentliche Wohnbauoffensive, öffentliche Gesundheitsversorgung durch Rekommunalisierung aller Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen inklusive Personal- und Lohnerhöhungen.

Ein solches kämpferisches Programm und Auftreten hätte eine Strahlkraft über Graz hinaus und würde Nagls Demagogie verblassen lassen. Wir rufen dazu auf, bei den Gemeinderatswahlen die KPÖ mit dem Ziel zu wählen, so eine rot-rote Stadtregierung zu ermöglichen. Jetzt gilt es für KommunistInnen sowie kampfbereite SozialdemokratInnen, den gesellschaftlichen Widerstand gegen die soziale Abrissbirne auf allen Ebenen zu inspirieren und zu organisieren. Damit Soziales nicht nur nicht untergeht, sondern auch siegen kann!

(Funke Nr. 196/1.9.2021)


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