Die Komödie „The big short“ versucht dem Kinopublikum unterhaltsam und kurzweilig die US-Immobilienkrise näher zu bringen. Bruno Pegrowitsch war für uns im Kino.
Der Film stellt Gruppen von Anlage-Managern in den Mittelpunkt, die ab dem Jahr 2005 durch Analyse der wirtschaftlichen Daten nach und nach zu der Erkenntnis gelangen, dass der amerikanische Häuser- und Hypothekenmarkt kollabieren würde. Sie beginnen auf fallende Kurse und gegen Banken zu spekulieren, indem sie Kreditausfallshaftungen abschließen. Anfangs wird diese Anlagestrategie von großem Gelächter der Banken und starkem Widerstand ihrer eigenen Vorgesetzten begleitet. Bald stellt sich allerdings heraus, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes goldrichtig liegen: Ab 2007 beginnt der Immobilienkreditmarkt zu kollabieren, die Anlage-Underdogs steigen mit sehr hohem Profit aus den Geschäften aus.
Die stärksten Szenen des Films ergeben sich nicht aus dem Hickhack in der Finanzwelt, sondern in der Konfrontation ebendieser mit der realen Situation. Um ihre Annahme eines baldigen Platzens der Immobilienblase zu untermauern, besuchen bspw. einige der Manager eine Wohnhaussiedlung in Florida. In dieser sind gerade mal vier von 100 Häusern bewohnt, Alligatoren haben in Swimmingpools ein neues Zuhause gefunden, einige der HausbesitzerInnen nehmen im Namen ihrer Hunde Kredite von Banken auf.
„The big short“ erinnert von der Machart her an die Wurzeln des Regisseurs Adam Mc Kay, der seine Sporen als Sketch und Drehbuchautor bei der Sendung „Saturday Night Live“ verdiente und sich bei einigen Komödien als Regisseur betätigte. Er zieht seinen oft derben Witz aus den Dialogen und absurden Situationen (so versucht ein Banker seine Analysen zu untermauern, indem er einen falschen chinesischen Rechenstaatsmeister als Prüfer für ebendiese Analysen präsentiert), seinem schnellen Schnitt, sowie Einspielungen von Nachrichtenclips und Musikvideos. Die Handlung wird auch des Öfteren für Erklärungen angehalten und springt hier zwischen den AkteurInnen hin und her. So gibt es witzige Einspielungen von unterschiedlichen Berühmtheiten wie Starköchen, Models oder Fernsehsternchen, die versuchen möglichst einfach Börsenbegriffe zu erklären. Da werden dann „Collateral debt obligations“ (CDO) schon mal mit Fischsuppe verglichen, in die versucht wird schlechten Fisch rein zu schummeln.
Dies ist einer der positiven Punkte des Films, er bemüht sich komplizierte und scheinbar mythische Vorgänge wie das Börsengeschäft in eine möglichst verständliche Alltagssprache zu übersetzen. Das Aufbrechen dieser Fetischisierung rund um den Börsenhandel ist durchaus subversiv. Denn im Film wird auch deutlich, dass die Banker der Wall Street nicht zuletzt davon leben, dass aufgrund komplizierter Begrifflichkeiten niemand in der Öffentlichkeit ihr Treiben so wirklich versteht.
In diesem Aspekt, dem Blick hinter die Fassade des Finanzsektors, folgt der Film der Buchvorlage von Michael Lewis, der als „Romancier unter den Wirtschaftsjournalisten“ gilt und seine Bücher als Warnung versteht. Lewis war in den achtziger Jahren selbst Investmentbanker und kennt so das Gesetz des Dschungels der Börse aus nächster Nähe. Auch ein gewisser Hang zu Außenseitern und zum Katastrophismus zieht sich durch seine Bücher. Beides Tendenzen, die sich im Film noch verstärken, da hier zum Beispiel die eigene Doppelmoral der handelnden Figuren – als BankerInnen im Profitinteresse gegen die Bank wettend – noch offensichtlicher wird. Durch die Schnelligkeit des Films sind die meisten Figuren bis auf wenige Ausnahmen holzschnittartige Stereotype: Der Außenseiter, der Banker mit Moral, der aalglatte Banker und die Neulinge, die unter der Ägide des ausgestiegenen Börsenprofis arbeiten, etc.
Dies macht jedoch paradoxerweise eine weitere Stärke des Film aus, denn im Gegensatz zu dem 2013 erschienenen Film „Wolf of Wall Street“ legt er sein Hauptaugenmerk nicht auf den biographischen, beruflichen Aufstieg und Fall einer Hauptfigur, sondern auf gesellschaftliche und systemische Zusammenhänge, um die Rolle der Banken vor und nach dem Finanz-Crash von 2008 verständlich zu machen.
Krisenursachen und Krisenfaktoren
Der Film beginnt mit einem etwas verklärenden Rückblick auf die heile Welt der siebziger Jahre und schildert kurz den Werdegang des Bankengeschäftes zu einer Industrie, die heute scheinbar völlig losgelöst von der materiellen Welt der Warenproduktion agiert. Als zentrales Erklärungsmuster für die Abkoppelung der Finanzindustrie von der produzierenden „Real“-Wirtschaft wird die Durchsetzung neuer Finanzinstrumente angeboten, besonders Lewis Ranieri, der in den 1970er Jahren das Finanzprodukt von hypothekenbesicherten Wertpapieren (mortgage backed securities oder MBS) entwickelte. Generell sind aber die Deregulierung des Bankensektors, die Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs und die Schaffung neuer Instrumente der Finanzindustrie in den 70er und 80er Jahren aber Phänomene, die man als rein ideologische oder individuelle „Schuld“ nur völlig unzureichend erklären kann. Die Ursache für die Aufblähung des Finanzsektors liegt in der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus selbst. Im „Kapital“ fasst Karl Marx die Ursache der Krise so zusammen: „Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegen dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde.“ Die Überproduktionskrise manifestierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals in der ersten Weltwirtschaftskrise im Jahr 1973. Nun galt es für das Kapital die Schranken der Kapitalakkumulation beständig auszuweiten, da profitable Anlagemöglichkeiten in der produktiven Wirtschaft zunehmend rar wurden. Die Freigabe der Wechselkurse der Weltwährungen (selbst Vorbote der angehäuften Widersprüche im kapitalistischen Weltsystem) und die ständige Ausweitung der Arbeitsteilung im Weltmaßstab eröffneten neue Betätigungsfelder für die Finanzindustrie. Mittlerweile widerlegte wirtschaftspolitische Annahmen (stabiler Immobilienmarkt, efficient market hypothesis), staatliche Maßnahmen (Förderungen und Steuererleichterungen) und allgemein genommen die Ideen des Neoliberalismus sind nicht Ursache der Krise, sondern Symptome der Notwendigkeit des Kapitals die Schranken der Kapitalverwertung ständig auszuweiten.
Ursprünglich zeichneten sich Kredite (lateinisch für „das treu Anvertraute“) dadurch aus, dass SchuldnerInnen und KreditgeberInnen eng aneinander gebunden sind. Wechselseitige Vorschüsse der ProduzentInnen und Kaufleute untereinander bilden die eigentliche Grundlage des Kredits.
Die vorher schon erwähnten MBS sind für den Immobilienmarkt zugeschnittene Finanzinstrumente, die aus Wertpapieren, basierend auf Immobilienkrediten, beruhen. Wichtig ist es zu verstehen, dass die InhaberInnen von MBS nicht selbst EigentümerInnen der Immobilien sind, sondern lediglich MiteigentümerInnen eines Bündels von Immobilenkrediten. Als sich herausstellte, dass die den MBS zugrundeliegenden Kredite wegen großer Zahlungsausfälle nicht werthaltig sind, brach die aktuelle Wirtschaftskrise akut aus. Die Form der Zahlungsausfälle ist dabei mannigfaltig: die schiere Zahl der gebauten Häuser fand keine zahlungsfähigen BewohnerInnen, HauseigentümerInnen konnten ihre Kredite nicht bedienen, etc.
Spekulationsobjekt Wohnraum
Immobilien eigneten sich mehrfach hervorragend für Spekulationen, der Produktionsprozess eines Hauses erfordert eine lange Zeit und der Gebrauch und das tatsächliche vollständige Bezahlen dieser wertvollen aber lebenswichtigen Ware liegen weit auseinander. Dies gibt dem in Bewegung gesetzten Kapital viel Bewegungsmöglichkeit. Die MBS sind dabei ein Instrument für die GeldgeberInnen, nicht jahrelang warten zu müssen, bis das in den Bau einer Immobilie investierte Kapital langsam zurückgezahlt wird.
Dies geschieht indem viele hypothekenbesicherte Immoblienkredite (MBS) zusammengefasst und in ein handelbares Wertpapier CDO (colateral debt obligations) umgewandelt werden. Der/die KäuferIn eines CDO wird GläubigerIn der neuen HausbesitzerIn. Die Bank hat damit statt vergebenem und gebundenem Kapital wieder frisches, zirkulationsfähiges Kapital, und treibt damit den Zirkulationsprozess des Kapitals als Gesamtes an. Diese CDO werden in verschiedene Tranchen aufgesplittet und von Ratingagenturen nach dem Grad des Risikos bewertet. Die oberen Tranchen („Mezanine“ und „Senior“) gelten als sicherer, dadurch sind sie aber auch weniger ertragreich und nur begrenzt vorhanden. In der unteren Tranche, der „Equity Tranche“, ist zwar ein hohes Risiko, aber auch hohe Zinsen und damit mehr Profit zu erwarten. Da auch hier der Markt sehr schnell gesättigt war, kam es vor allem im unteren Bereich zu einer Ausweitung des Immobilienmarktes und der damit verknüpften Finanzprodukte. Dies sind nun die berüchtigten Subprimes, die zur Finanzierung einer Immobilie vor allem für sogenannte NINJA- SchuldnerInnen („no-income, no-job, no-asset“) herangezogen worden sind. Als Sicherheit für diesen Teil der Bevölkerung wurde einfach der Wert der (kreditbesicherten) Immobilie herangezogen. Man ging davon aus, dass sich durch steigende Immobilienpreise der Kredit quasi selbst finanzieren würde, da selbst Menschen ohne Einkommen ständig neue Kredite auf ihr Haus bekommen würden. Es wurde auch bewusst so gedeichselt, dass Leuten Subprime Kredite mit unlauteren Mitteln (sog. „predatory loans“) angedreht wurden, da hier einfach mehr Zins verlangt werden konnte. Dies wird auch im Film klar, wenn ImmobilienmaklerInnen ihre Spezialisierung auf einkommensschwache Schichten eben damit begründen. Am Ende beruhten rund 85% der Subprimekredite auf falschen Angaben.
Da diese Finanzvehikel immer noch nicht ausreichten um für das vorhandene Geldvermögen profitable Anlagemöglichkeiten zu schaffen, wurden weitere Finanzmittel wie synthetische CDOs geschaffen. Dabei handelt es sich um auf Hypothekenindizes basierende Derivate, oder, einfacher formuliert, um Wetten auf die Kursentwicklung der CDOs. Ein weiteres Finanzinstrument sind die sogenannten credit default swaps (CDS). Mithilfe dieser Finanzinstrumente können sich einerseits EigentümerInnen gewisser Kredittranchen gegen den Ausfall dieser Kredite versichern, andererseits können aber Personen, die diese Kredittranchen nicht besitzen, gegen die Zahlung der gleichen „Versicherungsprämie“ darauf spekulieren, dass diese Kredite platzen.
Wer zahlt?
Diese ganzen Entwicklungen führten zu einer enormen Konzentration im Bankensektor, sowie dem Anwachsen des Hypothekenhandels. 2007 hatten die MBS einen gigantischen Rahmen von rund 4,1 Billionen Dollar erreicht (BIP der USA 2007: 14,5 Billionen USD), der Preis von Häusern hatte sich seit 1996 verdoppelt. Alles in Allem ein Koloss auf tönernen Füßen, der irgendwann einstürzen musste. In „The big short“ geht es vor allem darum, wer diese Einsicht hatte und davon profitierte und am Schluss auch um die Frage, wer die Kosten für das alles trägt. Schließlich wurden die Banken in den USA mit einem 700 Milliarden Dollar Paket (sprich Steuergeld) vom Staat gestützt, während sich der Bankensektor und seine Repräsentanten relativ ungeschoren aus der Affäre ziehen konnten und der Akkumulationskreislauf von Neuem beginnt. Die Kosten in Form von Schulden, steigender Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit aufgrund von Zwangsräumungen und allgemeiner Armut wurden auf die Arbeiterklasse und bankrotte KleininvestorInnen abgewälzt. Ein bitterer Beigeschmack bleibt am Ende des Films, und der Wunsch nach Gerechtigkeit.