Mathias macht Techno unter dem Namen Specific Objects – legt auf, produziert und hat ein eigenes Label. Er ist Resident bei Meat Market, einer Veranstaltungsreihe mit Fokus auf LGBTQ-Publikum. Wir haben mit ihm über die Auswirkungen der Pandemie gesprochen, und was Clubkultur im Kommunismus besser machen würde.
F: Seit dem Lockdown war die Clubszene die erste die schließen musste und die letzte, die wieder aufmachen darf. Meat Market und andere haben ja auch einen gewissen politischen Anspruch – welche Forderungen gibt es von eurer Seite?
Der politische Anspruch besteht vor allem darin, den Club zu einem safer space zu machen, auch für marginalisierte Gruppen. Einerseits wollten wir diese Räume natürlich erhalten, aber andererseits war uns bewusst, dass es angesichts der Pandemie gegenüber der Gesamtgesellschaft total unverantwortlich wäre. Es war schon klar, dass Clubs geschlossen werden. Aber was man natürlich ermöglichen hätte können, was auch sicherer ist – gerade im Sommer – ist das Feiern draußen. Bisher konntest du das nur machen, wenn du diese Veranstaltungen als Demonstrationen anmeldest.
F: Was waren eure Erfahrungen mit dem Anmelden von Demonstrationen?
Es ist schon ein ziemlicher Krampf, das durchzubringen, weil du mit der Polizei kooperieren musst. Du reichst eine Kundgebung ein und musst einen Zweck angeben – das ist meistens kein Problem, weil man ja tatsächlich für solche Dinge wie mehr Freiraum, mehr Raum für nicht-kommerzielle Kultur demonstriert. Aber dann wirst du vorgeladen, in einer Art Verhör. Ein Freund hat letztendlich trotz Anmeldung mit einer Anzeige zu rechnen, weil die Polizei dann vor Ort war und gemeint hat, ihrer Ansicht nach sei es keine Demonstration. Deswegen seien die Lärmbeschwerden von irgendwelchen Schrebergärten in 1km Entfernung legitim. Und deshalb muss er jetzt mehrere hundert Euro Strafe zahlen – obwohl das untertags war. Geld hat er mit dem Event natürlich keins gemacht und muss jetzt aus eigener Tasche die Strafe bezahlen.
F: In den Medien wurde oft versucht, Party-Jugendlichen die Schuld an Corona-Clustern zuzuschieben. Gab es ein Bewusstsein für gesundheitliche Risiken in der Szene?
Ich glaube, in meiner Szene gab’s ein hohes Bewusstsein, aber das gilt natürlich nicht für alle Leute, die zu solchen Partys kommen. Ich kann den Vorwurf einerseits verstehen, andererseits find ich ihn problematisch, weil der Jugend auch sonst keine Möglichkeit gegeben wurde, in einem sicheren Rahmen zu feiern. Wenn du jung bist, gerade fertig mit der Schule und endlich Zeit hast, mal dein Leben zu genießen, dann ist es ein krasser Einschnitt, wenn du die ganze Zeit daheim hocken sollst. Eigentlich wär’s besser, Feiern draußen zu ermöglichen, weil die Ansteckungsgefahr da viel geringer ist. Aber wenn man draußen nicht darf und Angst haben muss, von der Polizei bestraft zu werden, dann geht man eben nach Hause und lädt ein paar Leute ein – und das haben auch viele gemacht.
F: Was sind die generellen Probleme von Clubkultur und Musikproduktion im Kapitalismus? Und wie würde „Clubkultur im Kommunismus“ aussehen?
Im Kapitalismus können sich die Clubbesitzer schon finanzieren. Aber diejenigen, die in Clubs arbeiten, sind oft prekär angestellt – immer nur zum Mindestlohn, immer zu scheiß Bedingungen, ohne, dass es z.B. Nachtzuschläge gibt. Und sie sind generell leicht kündbar. Das wird von manchen Clubs ausgenutzt, die ihr Personal nicht besonders fair behandeln. Ich glaube nicht, dass es eine Gewerkschaft für die Nachtgastronomie gibt. Dann gibt es natürlich auch sexistische oder rassistische Clubbetreiber, die unmögliches Verhalten an den Tag legen, wovon man vor den Kulissen mal mehr, mal weniger mitbekommt.
Clubkultur im Kommunismus würde natürlich ganz anders aussehen. Wenn du frei von ökonomischem Druck bist, kannst du ganz anders gestalterisch tätig werden. Ich könnte mir vorstellen, dass es sowohl mittels Künstlerkollektiven, als auch durch die Bereitstellung von kulturellen Räumen, die man nutzen kann, funktionieren würde. Es gibt in Deutschland z.B. schon Clubs, die von Kollektiven geführt werden, wie das about blank in Berlin und das Institut für Zukunft in Leipzig. Dort wird jede Entscheidung im Kollektiv gefällt, jede Person bekommt gleich viel bezahlt, egal ob Reinigungskraft, an der Bar oder in der „Geschäftsführung“.
F: Elektronische Musik ist ja vergleichsweise ein „demokratisches“ Genre, im Vergleich z.B. zur klassischen Musik. Wie groß sind die Hürden, sich auszuprobieren?
Die Hemmschwelle ist sicher geringer, als anderswo. Die Produktionsmittel sind im Prinzip ja schon insofern demokratisiert, dass es gratis Software gibt oder welche, die leicht gecrackt werden kann. Auch beim Auflegen gibt es Equipment zu sehr günstigen Preisen, mit dem man sehr viel machen kann. Aber die Schwelle, dranzubleiben, ist durchaus hoch. Es ist vor allem eine Zeitfrage: Neben einem 40 Stundenjob Musik zu machen, ist nicht einfach. Du musst aber eine gewisse Stundenanzahl pro Woche reininvestieren, sonst geht nichts weiter.
F: Wie viele Stunden investierst du so?
Ich würde sagen zwischen 10 und 20 Stunden. Keine Ahnung wie man das [im Kommunismus] genau organisieren kann oder soll. Aber ich fände es nicht dramatisch, wenn eine Person für das Allgemeinwohl 10-15 Stunden pro Woche – wie viel dann eben notwendig sein wird, wenn auch vieles automatisiert ist, etc. – arbeiten muss. Wenn dafür der Lebensunterhalt gesichert ist, ist kulturelle und kreative Arbeit wesentlich leichter möglich, weil man sich weniger Gedanken über die Verwertbarkeit der Dinge machen muss, die man künstlerisch erschafft.
F: Du hast ja lange nach einem Studioplatz gesucht – ist das ein generelles Problem?
Man kann auch zu Hause gute Sachen machen. Aber wenn du willst, dass die Produktionen eine gewisse Qualität erreichen, führt an einem Studio kein Weg vorbei. Eines zu finden, ist in Wien geradezu unmöglich. Man sollte Flächen, die jetzt als Spekulationsobjekte freistehen, nutzen. Es gibt extrem viel Wohnraum, der nicht genutzt wird. Und natürlich sollte man ihn vorwiegend natürlich erstmal als Wohnraum nutzen, aber eben auch als kulturellen Raum.
Foto: Sophie Hanke.
F: Was ist die Musik der Zukunft, in welche Richtung entwickelt sich Techno weiter? Und wie hat er sich bisher verändert?
Wenn ich wüsste, wie die Musik der Zukunft aussieht, wäre ich froh, weil ich sie dann einfach machen würde. Früher war Techno wirklich die Musik der Zukunft: Die Leute haben sich Gedanken darüber gemacht, wie die Zukunft aussehen kann, wie Musik in einer Welt klingen kann, die freier von Diskriminierung und sozialen Zwängen ist und haben versucht, das in Musik umzusetzen. Techno ist in Detroit entstanden, eigentlich nur von Schwarzen, die dort unter schlechten Bedingungen gelebt haben, Rassismus ausgesetzt waren, keine Perspektive gesehen haben und sich überlegt haben: Wir wollen etwas ganz anderes machen, etwas, das darauf abzielt, die Musik einer Welt zu sein, die für uns ein besserer Ort ist. Das war der Grundgedanke beim Techno. Natürlich wurde er in den späten 90er und 00er Jahren kommerzialisiert – was er immer noch ist – und hat dieses Flair etwas verloren.
Andererseits sieht man etwa in Osteuropa und Westasien, dass Techno dort immer noch eine politische Funktion hat und als Protestmittel gegen autoritäre Regime verwendet wird. Er ist Teil einer Jugendkultur, die sich von konservativen Elementen und einer Generation befreien möchte, die noch sehr stark religiös behaftet ist, und von Einschränkungen gerade für Menschen, die nicht heterosexuell sind.
Was die Musik der Zukunft ist, ist schwer zu sagen. Ein kreativer Prozess bedeutet immer, dass man etwas nimmt, das schon da war und dem etwas von seiner Persönlichkeit oder von seinen Ansichten bzw. seiner Art, die Welt wahrzunehmen, hinzufügt. So wird die Musik schrittweise weiterentwickelt.
Die erste elektronische Musik war, etwa was die Struktur betrifft, sehr stark an klassischer Musik orientiert, nur dass dafür elektronische Klangerzeugung verwendet wurde. Und die erste elektronische Musik, die sozusagen zugänglicher war, hat sich an Strukturen und Rhythmen der Rockmusik (die sich aus Blues und Jazz entwickelt hat) orientiert. In der Geschichtsschreibung sieht man immer nur die radikalen Abschnitte und hat das Gefühl, es gab jedes Jahrzehnt wie aus dem nichts was Neues. Man sieht die kleinen Schritte dazwischen nicht.
Es kommt letztlich darauf an, in welche Richtung man sich bewegt. Man macht viele Schritte, aber es macht einen Unterschied, ob man sich in diese oder die andere Richtung bewegt. Die Richtung, in die sich Techno momentan bewegt, ist, dass alles wieder schneller wird, zum Teil sehr melodisch aber auch hart und dystopisch, was auch zum Zeitgeist – mit der Klimakrise usw. – passt. Dieser Zukunftsoptimismus von früher ist nicht mehr da, es herrscht eher ein Zukunftspessimismus. Es wird alles düsterer, härter. Einerseits gibt es zwar einen Optimismus, weil Techno eine Musik ist, die immer auch mit Befreiung verknüpft ist, in der man sich so geben kann, wie man möchte. Aber andererseits ist natürlich spürbar, dass es für die jüngere Generation keine Zukunft geben wird. Und langsam wird der Punkt erreicht, wo man das Gefühl hat, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Das spiegelt sich – noch viel mehr als früher – in der Musik wider, weil es den Menschen immer klarer wird.
Es gibt immer mehr junge Leute, die auf die Straße gehen, die protestieren und die es satthaben, dass ihr Leben von irgendwelchen Idioten in Anzügen fremdbestimmt wird. Es ist eine Wut da, die sich in der Musik ausdrückt. Ich glaube, das ist der Grund, warum wir von dieser minimal-wir-haben-uns-alle-lieb Schunkel-Mucke wegkommen, die Mitte der 00er und 10er Jahre dominant war. Jetzt finden die härteren Sounds auch in einem breiteren Spektrum Anklang.
(Funke Nr. 195/1.7.2021)