Anlässlich der vielbeachteten Retrospektive von Frida Kahlo beleuchten wir ihr Leben und Werk. Von Manuela Kiss.
Frida Kahlo wurde 1907 als drittes Kind von Matilde Calderon, einer Mexikanerin indianisch-spanischer Herkunft, und Guillermo Kahlo, Maler und Fotograf deutsch-jüdischer Abstammung, geboren. Verschob später allerdings ihr Geburtsdatum auf das Jahr 1910, das Jahr der Mexikanischen Revolution: Ihr Leben sollte mit dem modernen Mexiko beginnen.
Als Kind fesselte sie die Kinderlähmung neun Monate ans Bett. Ihr rechtes Bein bleibt geschwächt und merklich dünner. Frida reagierte diesbezüglich auf Kränkungen anderer Kinder einerseits, indem sie sich von den anderen zurückzog und sich für introvertiert hielt, andererseits, indem sie ein besonders unangepasstes Wesen an den Tag legte. Guillermo Kahlo, ihr Vater, pflegte und kümmerte sich besonders zärtlich und besorgt um seine liebste Tochter, was die enge Beziehung zwischen den beiden erklärt.
Ab 1922 besuchte Frida Kahlo die „Preparatoria“ in Mexiko City, eine höhere Lehranstalt zur Vorbereitung auf Studien an einer Universität. Sie gehörte zu den ersten Mädchen, die zugelassen wurden. Es waren etwa 35 unter ca. 2000 Studierenden. Frida Kahlo wählte ein Lehrprogramm, das die Grundlage für ein Medizinstudium bildete.
Es war eine Zeit voll gesellschaftlicher Unruhen. Reformen des Arbeits- und Grundbesitzrechts wurden eingeleitet, die Macht der katholischen Kirche erfuhr erhebliche Beschränkungen, und die Nutzung der Bodenschätze kam unter staatliche Kontrolle. So gab es auch an der „Preparatoria“ verschiedene politisch inspirierte Gruppen, die Mexiko politisch, sozial und kulturell verändern wollten. Frida schloss sich den „cachuchas“ an, und war Freundin von Alejandro Gomez Arias, dem Führer der kleinen Gruppe. Während dieser Zeit malte auch der 36jährige Maler Diego Rivera Fresken in der Aula der Preparatoria. Frida schaut dem berühmten Maler öfter bei der Arbeit zu. Selbst der Revolutionär Rivera wurde von den Streichen der cachuchas, die eine ausgeprägte Respektlosigkeit jeglicher Autorität gegenüber hatten, nicht verschont.
Am 17. September 1925 veränderte sich Fridas ganzes Leben Bei dem Zusammenstoß des Busses, mit dem sie und Alejandro unterwegs waren, mit einer Straßenbahn, bohrte sich eine der Haltestangen in ihr Becken, hinzu kamen Wirbel-, Becken- und Beinbrüche. Frida wurde so schwer verletzt, dass sie ihren Alltag immer wieder liegend und in einem Ganzkörpergips- oder Stahlkorsett zubringen musste. Entgegen aller medizinischen Erwartungen lernte Kahlo wieder zu laufen, sie litt aber ihr ganzes Leben unter den schweren Schädigungen des Unfalles.
Im Krankenhaus begann Frida Kahlo zu zeichnen und zu malen, zunächst den Unfall und dann sich selbst. Ihrem ersten Selbstbildnis aus dem Jahr 1926 folgten zahlreiche weitere Selbstporträts, über die Frida Kahlo später sagte: “Ich male mich, weil ich sehr viel Zeit allein verbringe und weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne.“ Frida verließ die Preparatoria, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und die Familie finanziell zu unterstützen. Alejandro zog sich langsam von Frida zurück, bis es 1928 zum endgültigen Bruch kam.
Anfang 1928, wurde Frida Kahlo über Freunde in einen Kreis eingeführt, der sich um den kommunistischen Exilkubaner Julio Antonio Mella gebildet hatte, dessen Geliebte zu der Zeit die in Italien geborene Amerikanerin Tina Modotti ( Fotografin und Revolutionärin; bis 7. November-Kunsthaus Wien) war. Frida und Tina Modotti, die sich in der mexikanischen Kunstwelt großer Beliebtheit erfreute, wurden Freundinnen. Durch sie kam die Kahlo zur Kommunistischen Partei und lernte Diego Rivera genauer kennen. Rivera war nunmehr 41 Jahre alt und Mexikos berühmtester Künstler. 1929 heiratet Frida Diego Rivera.
Nach der Ersten einer Reihe von Fehlgeburten - Frida leidet ihr ganzes Leben unter ihrer Kinderlosigkeit - reisen sie und Rivera 1930 nach San Francisco. Rivera erhält verschiedene Aufträge für Wandmalereien in den USA und arbeitet während der folgenden Jahre hauptsächlich in den Vereinigten Staaten. Doch Frida Kahlo fühlte sich in den Vereinigten Staaten nicht wohl. Die amerikanische Oberschicht und ihre Parties stießen sie ab. „Ich habe eine ziemliche Wut auf all diese reichen Menschen hier,“ schrieb sie, „wo ich doch Tausende von Leuten im größten Elend gesehen habe, die nicht das Nötigste zum Essen und Schlafen haben. ...“ Obgleich sie die technische und industrielle Entwicklung in den USA bewunderte, sprach sie den Amerikanern „jegliche Empfindsamkeit“ und „guten Geschmack“ ab. Während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Detroit im Jahre 1932 erlitt Frida eine erneute Fehlgeburt, nachdem sie dieses Kind entgegen aller Vernunft zur Welt bringen wollte. Im selben Jahr stirbt ihre Mutter.
1933 folgt ein achtmonatiger Aufenthalt in New York, wo Rivera Fresken für das Rockefeller Center schaffen soll.
Als er sich weigert, nach Aufforderung Rockefellers, das Porträt von Lenin zu übermalen, wird Rivera der Zugang verweigert, er bekommt sein Honorar und das Werk wird 1934 in Stücke geschlagen. Doch noch im Dezember kehrt das Paar nach Mexico zurück. Die Riveras beziehen die zwei neu erstellten separaten Häuser in San Angel.
Die Ehe wird durch Diegos Seitensprünge immer mehr belastet.1934, als er nun auch noch ein Verhältnis mit ihrer Lieblingsschwester Christina angefangen hatte, schnitt sich Frida in ihrer Verzweiflung die langen Haare ab, die Diego so sehr liebte, und sie zog auch nicht mehr die Tehuanatracht an. Und so, als sei der unmittelbare Schmerz zu groß für eine Darstellung, malte sie jetzt – gewissermaßen stellvertretend – das Bild „Nur ein paar kleine Dolchstiche“, worin sie ihre Leiden auf das Schicksal einer anderen Frau projizierte. Sie war in diesem Jahr mindestens dreimal in stationärer Behandlung. Frida hatte einen weiteren Schwangerschaftsabbruch und musste am Fuß operiert werden. Fünf Zehen wurden amputiert. Zutiefst verletzt bezieht Frida 1935 eine kleine Wohnung in der Innenstadt. Ende des Jahres kehrte sie nach San Angel zurück. Frida Kahlo hatte in der Folgezeit verschiedene Liebesaffären. 1936 hatte Frida eine weitere Operation an ihrem Bein.
In der Zeit, als der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, und Diego zur trotzkistischen Partei beitrat, wurde auch Fridas persönlicher Einsatz heraus gefordert. Fridas Engagement in den politischen Vorgängen trug dazu bei, ihre Kraft neu zu sammeln und sie näher an Diego heranzuführen. Am 19, Dezember 1936 bestiegen Leon und Natalie Trotzki den Tanker Ruth in Oslo, um nach Mexiko zu reisen. Damals hatten die Trotzkis bereits neun lange Jahre im Exil verbracht.
Am 21. November 1936 erhielt Rivera ein Telegramm von Anita Brenner aus New York, das keinen Zweifel daran ließ, dass es für Trotzki um Tod und Leben ging und dass unverzüglich eine Entscheidung der mexikanischen Regierung eingeholt werden müsse, ob sie bereit sei, Trotzki Asyl zu gewähren.
Rivera verhandelte persönlich mit dem Präsidenten Cardenas. Rivera legte eine Petition vor, und Cardenas gewährte den Trotzkis Asyl unter der Bedingung, dass sie sich nicht in die mexikanische Politik einmischen würden.
Am 9. Januar 1937 trafen Trotzki und seine Frau in Mexiko ein. Frida nimmt sie im blauen Haus von Coyocan auf. Frida und Trotzki beginnen eine Liebesbeziehung.
In der Zeit danach malte Frida erheblich disziplinierter, und ihre technischen Fähigkeiten verbesserten sich zusehends. Während der folgenden Jahren nimmt sie an zahlreichen Ausstellungen teil, vor allem in den USA, und erfährt zunehmende Anerkennung als eigenständige Malerin. Frida verläßt ihr Haus in San Angel und wohnt für den Rest ihres Lebens im blauen Haus in Coyoacan.
Auch wenn Kahlo Kontakt zu den Pariser Surrealisten (vor allem zu Andre Breton) unterhielt und viele Kritiker sie dem Surrealismus zuordneten, sagte sie: “Ich wusste nicht, dass ich eine Surrealistin bin, bis Andre Breton nach Mexiko kam und es mir gesagt hat.“ Sie selbst hat sich von dieser Etikettierung distanziert: “Ich habe niemals Träume gemalt. Was ich dargestellt habe, war meine Wirklichkeit.“
Frida steht schon lange nicht mehr im Schatten Diegos, und sie lassen sich scheiden. Ihre Gesundheit ist jedoch angeschlagen, und sie sucht mehr und mehr Zuflucht im Alkohol. 1940 heiraten sie ein zweites Mal, bewahren sich jedoch weitgehende Unabhängigkeit. Diego zieht 1941 zu seiner Frau, und im selben Jahr stirbt Fridas Vater.
Frida beginnt 1943 eine Lehrtätigkeit an einer Maler- und Bildhauerschule, muss aber schon bald das Pensum aus gesundheitlichen Gründen reduzieren. 1946 muss sie sich einer Wirbeloperation unterziehen.
Zur gleichen Zeit erhielt Frida ein Regierungsstipendium und den 2. Peis für ihr Bild „Moses“ an der nationalen Ausstellung im Palast der Schönen Künste in Mexico City.
Nach einem einjährigen Aufenthalt im Krankenhaus bleibt Frida geschwächt und pflegebedürftig.
Ihre Verbundenheit mit der Kommunistischen Partei wuchs.
Erst 1953 wurden ihre Werke erstmals alleine in einer Ausstellung in ihrer Heimat gezeigt, eine Anerkennung, die sie sich schon lange gewünscht hatte. Zu dieser Zeit bereits ans Bett gefesselt, wohnte sie der Eröffnung kurzerhand im Bett bei.
Es folgt die Amputation des rechten Fußes. Danach erholt sich Frida nicht mehr vom psychologischen Schock und verliert körperlich und geistig immer mehr die Kontrolle über sich. Sie ist bereits stark drogenabhängig.
Am 13. Juli 1954 stirbt Frida im blauen Haus in Coyoacan.
In den letzten Jahren wurde Frida Kahlo zuerst zum Mythos und dann zur Kultfigur. Für Frauen ist sie ein
Beispiel für Ausdauer und Stärke. Sie unterwarf sich nicht dem Ruhm ihres Mannes.
Für Mexiko-Amerikaner ist Frida eine politische Heldin: Sie demonstrierte ihre Liebe für la raza, das Volk, in ihrem Werk und in ihrem Leben. Frida Kahlos Kunst ist untrennbar mit ihrem Leben verbunden. Sie hat eine bildnerische Sprache zwischen Naivität, Realismus und Surrealismus gefunden, die weltweit verstanden wird. Das Gesamtwerk der Künstlerin umfasst annährend 200 zumeist kleinformatige Werke, zum größten Teil Selbstporträts. Ihre ausdrucksstarken und detailgenauen Gemälde und Zeichnungen sind beklemmende, unmittelbare Zeugnisse ihres körperlichen und seelischen Leidens – so eindringlich, direkt und beunruhigend, dass man sie kaum mehr vergisst.
Ihr Gemälde
Selbstbildnis mit Samtkleid, 1926
Dieses Selbstporträt ist Frida Kahlos erstes ernstzunehmendes Gemälde. Sie malte es als Geschenk für Alejandro Gomez Arias, den sie zur Rückkehr zu ihr bewegen wollte. Das Porträt spiegelt Frida Kahlos Interesse an der italienischen Renaissance-Malerei wider.
Meine Großeltern, meine Eltern und ich 1936
Hier steht Frida als kleines Mädchen im Garten des „Blauen Hauses“ in ihrem Heimatort. Ihre Eltern schweben über ihr, abgebildet wie auf ihrem Hochzeitsfoto, mit ihr selbst als Fötus im Schoß ihrer Mutter. Darüber sind wiederum deren Eltern, ihre Großeltern zu finden; mütterlicherseits über dem mexikanischen Bergland, väterlicherseits über dem Meer, als Hinweis auf ihre Wurzeln auf der anderen Seite des Ozeans.
Ein paar kleine Dolchstiche, 1935
Das Gemälde entstand, als Frida Kahlo erfuhr, dass ihr Mann, der Maler Diego Riviera, sie mit ihrer Schwester betrogen hatte.
Auf einem Bett in einem leeren Raum liegt eine nackte, tote Frauengestalt. Ihr Körper, das weiße Bettlaken, der senfgelbe Fußboden und selbst der Bilderrahmen sind blutbeschmiert, ebenso das weiße Hemd des Mannes, der neben dem Bett steht. Er hat ein Messer in der einen Hand, die andere steckt lässig in der Hosentasche. Das Bild malt Frida Kahlo in Anlehnung an einen Zeitungsbericht über einen Mord aus Eifersucht. Die drastische Darstellung ist auch Ausdruck ihrer eigenen, tiefen Verletztheit.
Selbstbildnis auf der Grenze zwischen Mexiko und den USA, 1932
In diesem Bild macht Frida Kahlo ihre ambivalente Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten deutlich. In elegantem Kleid und mexikanischen Fähnchen in der Hand steht sie wie eine Statue auf einem Sockel vor einer zweigeteilten Welt – ihrer Heimat Mexiko und der toten, von der Technik dominierten nordamerikanischen.
Mein Kleid hängt hier, 1933
Das Bild "Mein Kleid hängt hier" entstand, nachdem Frida Kahlo drei Jahre lang in den USA gelebt hatte - ein Ausdruck ihrer Sehnsucht nach Mexiko.
Selbstbildnis mit abgeschnittenem Haar, 1940
Sie stellt sich nach ihrer Scheidung im Herrenanzug und mit abgeschnittenem Haar dar, ohne die weiblichen Attribute, die Diego an ihr liebte. So wollte sie ihre neugewonnene Selbständigkeit darstellen, die sie auch finanziell durch den Verkauf ihrer Bilder erlangen konnte.
Die gebrochene Säule, 1944
In dem Gemälde Die gebrochene Säule zeigt Frida Kahlo ihren malträtierten, von Nägeln durchbohrten und in ein Korsett gezwängten Körper.