Die Inflation frisst die Löhne auf und an der Preisfront ist keine Entspannung absehbar. Die sicherste Absicherung des Lebensstandards ist es, die Löhne schneller und höher als die Inflation steigen zu lassen. Emanuel Tomaselli argumentiert für eine kompromisslos geführte Lohnrunde.
Am 19.9. übergab das gewerkschaftliche Verhandlungsteam der Metallerbranche in der Wirtschaftskammer den Metall-Kapitalisten ihre Forderungen. Mit 10,6% Lohnerhöhung liegt die zentrale Forderung im untersten Bereich des Notwendigen. Die Umsetzung dieser Forderung würde bedeuten, dass mit Inkrafttreten des neuen kollektiven Arbeitsvertrages (traditionell am 1. November) die Löhne in etwa wieder die Kaufkraft wie vor einem Jahr haben.
Erwartungsgemäß kommentieren die Metall-Barone diese moderate gewerkschaftliche Forderung als „unvernünftig und überzogen“. Auch diese Ablehnung entspricht der Tradition. Immerhin, jedes Zehntel Lohnerhöhung für die Beschäftigten bedeutet einen Profitabzug in Millionenhöhe vom Konto der Eigentümer und Manager.
„Das Jammern ist des Kauffmanns Gruß“
Dieses Jahr fällt es den Metaller-Baronen wirklich schwer, die Leier ihres Klageliedes anzustimmen. Sie haben in den vergangenen Monaten Geld wie noch nie gemacht, die Profite sind im zweistelligen Prozent-Bereich gestiegen, die Ausschüttungen und Managergagen ebenfalls. Dies ist möglich, weil sie die Arbeitsproduktivität, also die Arbeitsnorm eines jeden einzelnen Metallers, erhöht haben.
All diese Fakten sind von den Statistikern der Arbeiterkammer detailliert erhoben worden und werden von den Bossen auch nicht bestritten. Noch behalten die Spitzengewerkschafter diese Fakten, die jedem einzelnen Metaller ein verallgemeinertes Verständnis über ihre gesteigerte Ausbeutung vermitteln könnten, jedoch für sich.
Diese Geheimtuerei um das Offensichtliche zeigt, dass die Spitzengewerkschafter weiter ihre Rolle als Moderator zwischen Kapital und Arbeit sehen. In diesem Sinne appellieren sie auch an die „Solidarität“ der Bosse mit ihren Mitarbeitern. Der weitere Verlauf der Lohnrunden wird zeigen, dass es handfeste Argumente brauchen wird, um das Minimumziel der 10,6% zu erreichen: den Streik.
Hoher Druck von den Kapitalisten
Schon seit dem Frühjahr geben die „Experten“ die Marschrichtung der Kapitalisten vor: das Wifo-Institut rechnete damals einen Reallohnverlust von 2,7% vor, jetzt taxieren sie den gewollten Lohnverlust schon mit minus 4%.
Das Ausnutzen der Inflation zur Steigerung des Profites hat Karl Marx schon vor 150 Jahren beschrieben: „Alle bisherige Geschichte beweist, dass, wann immer eine solche Entwertung des Geldes vor sich geht, die Kapitalisten sich diese Gelegenheit, den Arbeiter übers Ohr zu hauen, nicht entgehen lassen.” (Lohn, Preis und Profit)
Die Lieferkettenprobleme, der sich zuspitzende Energiemangel aufgrund der Eskalation des Krieges zwischen dem westlichen und russischen Imperialismus in der Ukraine, sowie der kommende Einbruch der Wirtschaft bei anhaltend hoher Inflation und die Krise der Staatsfinanzen werden als Argumente für Lohnzurückhaltung aufgetischt werden. Diese Faktoren zeigen, wie weit die Fäulnis des Kapitalismus fortgeschritten ist. Dieses System füllt nur die Taschen der Reichen – das aber gründlich.
Der unmittelbarste Ansatz für die Arbeiterklasse muss es sein, das am einfachsten zu lösende Problem anzugehen, und das ist die Löhne über die Inflationsrate zu drücken. Wenn uns dies in einem rücksichtslos geführten Arbeitskampf gelingt, gewinnt unsere Klasse auch das Selbstvertrauen die tieferen Ursachen und Wirkungen des Krisenkapitalismus anzupacken.
Jedoch: der Hinweis von Arbeitgebern und Teilen der Gewerkschaftsspitze, dass es „politische Lösungen in schwierigen Zeiten“ braucht ist nur der Deckmantel für die Rückkehr zur Sozialpartnerschaft, den Lohnraub und die noch stärkere Ausbeutung unserer Klasse. In diesem Sinne: alle aufs Deck, um die 10,6% für alle Beschäftigten rücksichtslos durchzusetzen.
Schluss mit Sozialpartnerroutine
Die „Preise runter“-Demos am 17. September konnten niemanden inspirieren, was den Demos einen ganz speziellen Charakter gab: In Wien etwa gab es klassische No-na-ned Slogans der Gewerkschaftsoberen, theatralisch von der Bühne vorgetragen (ein Demonstrant kommentierte: Warum fordern sie nicht auch noch reiche Eltern für alle?), und große Sektoren von Jugendlichen, die die Forderung nach dem „Klassenkrieg“ und die Ablehnung der Sozialpartnerschaft auf ihre Transparente schrieben.
Die Forderung nach höheren Löhnen wurde vom ÖGB weder im Vorfeld noch auf den Bühnen erhoben.
Dies hat sich mit den KV-Verhandlungen geändert. Traditionell gehen die Metaller voran, aber einige Sektoren durchbrechen ihre Routine und ziehen gleich mit: Die Eisenbahner und die Ordensspitäler geben fast zeitgleich ihre Forderungen ab, die Beschäftigten des Flughafens Schwechat haben bereits die Freigabe der Streikgelder beantragt.
Das spiegelt wider, dass die von unserer Zeitung seit Monaten propagierte Idee eines Generalkollektivvertrages für alle Beschäftigten in den Gewerkschaften breit diskutiert, aber von den konservativen Teilen der Apparate hintenrum ausgebremst wurde.
Immerhin lassen sich einige Sektoren davon nicht demotivieren und eröffnen de facto eine breitere Lohnfront, mit Forderungen die jene der Metaller teilweise übertreffen (so fordert die Vida in den Ordensspitälern etwa 500€ Lohnplus, was für die meisten Beschäftigten deutlich über den 10,6% liegt). Mit dem Handel, öffentlichen Dienst und der Sozialwirtschaft (SWÖ) treten bald weitere Branchen in das Ringen um die Löhne ein, was das Potential bieten würde, einen allgemeinen und vereinten Kampf zu führen.
Letztendlich müssen wir aber feststellen: Die Gewerkschaftsspitzen haben nur von einer Sache mehr Angst, als dem Verlust der Mitgliedsbeiträge: einer starken Mobilisierung der KollegInnen, die sie nicht in sicheren Bahnen halten können. Daher lehnen sie eine branchenübergreifende Herangehensweise, um das offizielle Motto „Kein Abschluss unter der Inflationsrate“ zu erreichen, ab. Dies schwächt die Arbeiterklasse ungemein.
Wenn man die Solidarität unter den Gewerkschaften nicht herstellen möchte, dann ist das direkte Resultat die erniedrigende Bettelei um die „Solidarität“ der Bosse, so geschehen beim Auftakt der Metallerverhandlungen in der Wirtschaftskammer.
Arbeitskampf unter Arbeiterkontrolle
Zynismus, Ironie und Abwendung sind die falschen Antworten auf die politischen Fehler der Gewerkschaftsspitzen. Dies hilft nur den Bossen. Was wir tun sollen und können, ist das Einfordern des Arbeitskampfes und die praktische Herstellung der Streikfähigkeit. Nützen wir die kommenden Konferenzen und Betriebsversammlungen, um zu reden, Anträge zu stellen, die VerhandlerInnen zu stärken, indem wir ihre Haltung klar abklopfen und wo nötig ändern.
Und weil man sich mit Reden allein nicht durchsetzen kann (das zeigt jede der vergangenen Lohnrunden) müssen die Beschäftigten sich überall selbstständig auf die notwendigen Streiks und Blockaden vorbereiten. Diejenigen, die das Werk am Laufen halten, wissen auch am besten, wie man es abschaltet.
Ohne Kampf werden wir alle dieses Jahr tatsächlich die größten Reallohnverluste seit Jahrzehnten erleiden. Unser Anti-Inflationsprogramm lautet daher:
- Für eine demokratische Konferenz aller Betriebsräte und AktivistInnen im Herbst. Für volles Rederecht für alle TeilnehmerInnen und bindende Abstimmungen über den Kampfplan und die Verhandlungsergebnisse der Herbstlohnrunde!
- Kein Abschluss unter der aktuellen, monatlichen Inflationsrate bei KV-Verhandlungen!
- Für die Durchsetzung einer allgemeinen, automatischen Lohnanpassung an die Inflation durch einen General-Kollektivvertrag für alle Beschäftigten!
- Für Preiskontrollen und die Kontrolle über die Produktion und Verteilung von Gas, Öl und Strom durch die Arbeiterklasse mittels der Gewerkschaften und Betriebsräte!
- Die Inflationsprofiteure haben genug verdient: Für die entschädigungslose Enteignung der Banken und großen Energiekonzerne!
- Für die volle Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Teuerung! Jetzt muss systematisch ein gemeinsamer Kampf aller Sparten und Betriebe im Herbst vorbereitet werden!