Sozialbereich. Massiver Arbeitsdruck, steigende Preise und Personalmangel: Klar ist, dass es für die Beschäftigten einen deutlichen Sprung nach vorne braucht. Wie wir uns diesen erkämpfen können, schreibt Sarah Ott.
Am 19. September starten mit der Übergabe der Forderungen an die Arbeitgeber die Kollektivvertragsverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ). Noch ist wenig über die konkreten Forderungen bekannt. Aber schon bei der Sozialbereich-Demo im Juni (der Funke berichtete) wurde klar, dass sich die Situation der Beschäftigten durch den letzten 3-Jahres-Abschluss weiter verschärft hat. Das Verhandlungsteam der Gewerkschaft hatte eine kämpferische Streikwelle unterbrochen, indem sie im Frühjahr 2020 diesen Kollektivvertrag (KV) unterzeichneten. Wir müssen daher nicht nur für die Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen und für höhere Löhne kämpfen, sondern brauchen auch die Kontrolle über diese Arbeitskämpfe. Wir müssen mitentscheiden können, ob wir mit einem Verhandlungsergebnis zufrieden sind oder ob wir weiterkämpfen wollen.
Ein zentrales Mittel dazu wäre eine Urabstimmung unter den Beschäftigten bevor es zur Unterzeichnung eines neuen KV kommt. Dadurch kann auch der Druck auf die Arbeitgeber erhöht werden. Denn klar ist: Die Beschäftigten werden einem minimalen Angebot nicht zustimmen.
Am 30.5.2022 wurde auf Initiative einer Aktionsgruppe eine Betriebsrätekonferenz für den Wiener Wirtschaftsbereich 17 (Sozialbereich) der Gewerkschaft GPA organisiert, um dort die Forderungen zu diskutieren, mit denen die GPA in die KV-Verhandlungen gehen soll. Es wurden eine Gehaltserhöhung von +750€ und eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden (bei vollem Lohn- und Personalausgleich) ab dem 1.1.2023 als Forderungen für die KV-Verhandlungen beschlossen. Außerdem wurde die Forderung nach einer gleitenden Lohnskala (also eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation) und auch eine Urabstimmung für Verhandlungsergebnisse angenommen. Alle Beschlüsse wurden anschließend im Bundesausschuss eingebracht, der in Absprache mit der Gewerkschaft vida die Forderungen für die Verhandlungen festlegt.
Eine solche Betriebsrätekonferenz fand allerdings nur in Wien statt, dabei bräuchte es diese in allen Bundesländern. Demokratische Beschlüsse dürfen keine Papiertiger bleiben, sondern müssen auf alle Bereiche ausgeweitet und real umgesetzt werden!
Nach dem letzten Abschluss haben wir bereits in mehreren Wiener Betrieben eine Urabstimmung organisiert, um zu zeigen, wie unzufrieden die Beschäftigten mit dem Abschluss waren. Heuer gilt es, eine solche Abstimmung bereits während der Verhandlungen einzufordern und selbstorganisiert in den Betrieben vorzubereiten und umzusetzen.
Kämpfen wir gemeinsam
Momentan können wir in vielen Ländern beobachten, dass sich Beschäftigte gegen ihre Arbeitsbedingungen zur Wehr setzten und angesichts der hohen Inflation deutlich höhere Löhne fordern. In Großbritannien finden (teilweise wilde) Streiks in mehreren Branchen statt, in den USA ist es MitarbeiterInnen von Amazon, Apple und Starbucks erstmals gelungen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. In Kasachstan und Sri Lanka fanden Massenbewegungen gegen die Teuerung statt. Solche Auseinandersetzungen stehen uns in Österreich noch bevor. Aber der Gesundheits- und Sozialbereich hat bereits vor der Pandemie deutlich gezeigt, dass wir kämpfen können und bereit sind, für unsere Forderungen auf die Straße zu gehen und auch zu streiken.
Im Herbst finden heuer erstmals die KV-Verhandlungen von Metall, Handel, SWÖ und öffentlichem Dienst relativ zeitgleich statt. Der ÖGB organisiert am 17. September Demos gegen die Teuerung in ganz Österreich. Aber das reicht nicht. Wir fordern eine gemeinsame Betriebsrätekonferenz aller im Herbst verhandelnden Branchen, bei der ein gemeinsamer Plan für den Kampf gegen die sich verschlechternden Lebensbedingungen entwickelt werden kann.
Die Inflation betrifft uns alle. Es kann nicht sein, dass man sich im Winter die Frage stellen muss, ob man lieber heizt oder Lebensmittel kauft. Wir brauchen gemeinsame bundesweite Demonstrationen, öffentliche Aktionen und branchenübergreifende Streiktage, bei denen wir zeigen können, dass ohne uns in diesem Land alles stillsteht. Nur auf diesem Weg können wir verhindern, dass die gegenwärtige Krise des Kapitalismus nicht allein auf unseren Schultern abgeladen wird. Denn Geld gibt es genug, Unternehmen machen massive Gewinne, für den Krieg in der Ukraine werden Milliarden locker gemacht, die Reichen werden immer reicher, während man uns erklärt, wie wir Energie sparen sollen.
Unsere Antwort darauf kann nur ein gemeinsamer Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen sein.
Die Autorin ist Betriebsrätin im Sozialbereich.
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(Funke Nr. 206/30.8.2022)