Unbeeindruckt von den moderaten Forderungen der Gewerkschaften legen die Metall-Barone ein Knechtungsprogramm vor. Emanuel Tomaselli appelliert für eine Änderung der gewerkschaftlichen Gegenstrategie.
Die Wunschliste der Unternehmer bedeutet hohe Reallohnverluste und die Knechtung der Arbeiter als rechtlose Kreaturen der Profitinteressen der Eigentümer. Im Einzelnen nennen sie:
- Keine Erhöhung der KV-Löhne, allein eine Erhöhung der Ist-Löhne um 4,1%; Einmalzahlungen werden angeboten
- Die Möglichkeit ein halbes Jahr lang durchgehend 60 Stunden die Woche zu arbeiten
- Ausweitung der Wochenendarbeit
- Reduktion der Überstundenzuschläge
- Lockerung des Kündigungsschutzes
- Fahrzeiten (etwa zu Montagestätten) sollen zur Freizeit zählen
Diese Vorstellungen einer hyperflexiblen Arbeitskraft bedeuten, dass die durch die grassierende Leiharbeit bekannten Arbeitsverhältnisse zum Standard der Gesamtbelegschaft werden: Heute da, morgen weg. Und die Inflation, die Geisel des destruktiven Kapitalismus, zahlen die Arbeiter durch Wohlstandsverlust.
„Die Presse“ argumentiert diese Linie der Herrschenden ganz deutlich: „Menschen, die Geld haben, um in den Urlaub zu fahren, sind nicht bedürftig“, sagt Kluge. Wer Rücklagen hat, müsse diese in Krisenzeiten aufbrauchen. Das sei immer so gewesen.“
Angesichts der kommenden Wirtschaftskrise wollen die Unternehmer, ihre Intellektuellen-Abteilungen und Schreiberlinge eine gänzlich rechtlose Belegschaft, die einmal mehr die menschlichen und finanziellen Kosten übernimmt – damit die Bosse ihre Profite stabil halten. Und diese sind nicht schmal. Bei einem Produktionswert von 75 Mrd. €, erarbeiteten die Metallarbeiter im vergangen Jahr 2,48 Mrd. € in die Privattaschen der Eigentümer und Aktionäre. Nur 20% der Unternehmensgewinne von über 3 Mrd. € wurden in die Produktion reinvestiert.
Es geht in diesem Verteilungskampf nur darum, wie viel des von den Arbeitern und Arbeiterinnen erzeugten Wohlstandes in die eigenen Löhne fließt und wieviel in die Taschen der Bosse. Und letztere üben niemals Zurückhaltung: Im CoronaJahr 2020 entnahmen sie mehr Geld aus den Betrieben als diese an Profiten machten. „Volkswirtschaftlich verantwortlich“ sollen sich immer nur die Arbeiter zeigen.
10,6%: Kompromisslos durchsetzen
Gerne hätten auch die Spitzen der Gewerkschaften (Pro-Ge und GPA) eine verantwortungsvolle Rolle eingenommen. Das moderate Ziel von 10,6% ist Ausdruck einer „Vernunft“, die allerdings von Seiten der Bürgerlichen niemanden mehr interessiert.
Vielmehr wird das sture Festhalten der Spitzengewerkschafter, eine sinnlose Verhandlungsrunde nach der andern durchzuführen, von Knill und Co. als Schwäche interpretiert, was Lust auf mehr macht. Die Gewerkschaften riefen zu Betriebsratskonferenzen und dann zu Betriebsversammlungen auf, um eine Gegenmobilisierung zu starten. Die Konferenzen und rund 400 Betriebsversammlungen wurden, bis auf wenige Ausnahmen, etwa in der Stahlindustrie, gut organisiert und gut besucht: „Ihr kommt, wenn wir rufen“, brachte es Metaller-Gewerkschafter Kollege Rainer Wimmer auf den Punkt.
Allerdings wird auf den Versammlungen kein Enthusiasmus und kein Kampfeswillen entfacht, ja bis Ende Oktober nicht mal deutlich ausgesprochen, was längst klar ist: dass man heuer streiken muss. Dass dies alle Sektoren müssen – es droht sonst ein gewaltiger Einkommensverlust und die Aushöhlung der Kollektivverträge – wird nicht zur Grundlage einer gemeinsamen Strategie aller Gewerkschaften gemacht.
Diese Logik entspricht der Idee der Gewerkschaftsspitzen, so schnell wie möglich aus der angelegten Dynamik einer harten Klassenauseinandersetzung wieder auszuscheren. Diese Haltung an der Spitze prägt die Handlungsweise aller Akteure:
Die Spitzengewerkschafter wollen endlich wieder in die Regierung, die Betriebsräte erwägen, ob sie angesichts eines halbherzigen Warnstreiks tatsächlich die gute Gesprächsbasis mit der eigenen Geschäftsführung aufs Spiel setzen wollen. Arbeiter und Arbeiterinnen wollen mehr, aber glauben schon zu wissen, dass es zumindest 8% werden.
Auf Ebenen der Arbeiterbewegung gibt es jene, die diese überkommenen Routinen durchbrechen wollen. Noch bestimmen sie nicht den Gang der Dinge, aber wenn sie überall ihre Stimme erheben, Debatten anregen, Beschlüsse herbeiführen und in ihren Bereichen die praktischen Voraussetzungen für harte Auseinandersetzungen mit den Bossen schaffen, dann muss uns um die Zukunft nicht bang sein.
In diesem Sinne: das Werkzeug aus der Hand legen und einen harten Arbeitskampf vorbereiten.
Kurz zusammenstehen für ein Foto wird kein brauchbares Ergebnis bringen. Aber die 10,6% sind keine Verhandlungsmasse, sondern das was wir mindestens brauchen.
Die Versklavungsphantasien der Unternehmer haben keine Chance – wenn wir unsere eigene Kraft nicht mehr selbst behindern.
(Funke Nr. 208/25.10.2022)
Solidaritätsbotschaft von Funke-Unterstützerin und Betriebsrätin im Sozialbereich bei der Metaller-Betriebsversammlung der Wiener Aufzügler am 20.10.2022: