In den letzten Tagen wurde in den heimischen Massenmedien ein regelrechter Feldzug gegen die Volksabstimmung über ein neues Sparprogramm in Griechenland gestartet. Schon haben Massendemonstrationen stattgefunden, die für ein OXI (Nein) kämpfen. Warum wir solidarisch mit unseren griechischen KollegInnen sein sollten schreibt Florian Keller.
Egal ob linksliberal oder konservativ, die Medien sind sich einig: Ministerpräsident Tsipras muss aufhören sich zu sträuben, Griechenland muss die Bedingungen von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) akzeptieren. Zu lange hätten die Griechen über ihren Verhältnissen gelebt, jetzt sträuben sie sich, die gemachten Schulden zurückzuzahlen. Die Zeche bei einer Pleite Griechenlands müsste durch unsere Steuergelder gezahlt werden – die Leidtragenden wären also wir. So wird ein möglicher Rauswurf Griechenlands aus dem Euro ideologisch vorbereitet. Wer will schon mit einem Land etwas zu tun haben, das dafür sorgt, dass hierzulande Steuern erhöht und bei den Sozialleistungen gespart werden müsste? Doch diese Argumentation ist verlogen und falsch bis ins Mark.
Schauen wir uns zuerst einmal an, wer tatsächlich von den sogenannten „Hilfspaketen“ profitiert hat. Insgesamt wurden 227 Mrd. € ausgezahlt - doch das heißt nicht, dass griechische PensionistInnen sich damit ein Luxusleben finanziert hätten. Im Gegenteil: Als Bedingung für die Zahlungen wurden brutale Sparpakete geschnürt, die das gesamte Sozial- und Gesundheitssystem zerstört haben. Die Pensionen sind zum Beispiel um 25% gekürzt worden. Doch damit nicht genug: eine weitere Bedingung für die Zahlungen waren starke Kürzungen des Lohnes der ArbeiterInnen, um Griechenland (auf Kosten der ArbeiterInnen) wieder „wettbewerbsfähig“ zu machen. Das alles hat die wirtschaftliche Krise enorm verschärft, die Folge ist eine Arbeitslosigkeit von über 25%, bei unter 24-jährigen beträgt sie sogar fast 50%. Wer noch einen Job hat, wird oft nicht mehr regelmäßig bezahlt und muss nicht selten für weit weniger Geld arbeiten als den offiziellen Mindestlohn von 586€ (510€ für unter 25-jährige). Kollektivverträge gibt es de Facto nicht mehr. Wer sich beschwert, wird gefeuert – es gibt ja genug Arbeitslose, die ohne jegliche Unterstützung dastehen und jede noch so schlechte Arbeit annehmen.
Doch wofür sind die „Hilfszahlungen“ dann tatsächlich verwendet worden? Die Dokumentation „Greece on the brink“ gibt Auskunft darüber. Zwischen März 2010 und Juni 2013 wurden insgesamt 206,9 Mrd € überwiesen. Von diesen Geldern wurde knapp die Hälfte verwendet, um Staatsschulden zurückzuzahlen – der größte Teil dieser Staatsschulden wurde durch deutsche, französische und andere Banken bedient, die damit jahrelang Milliardengewinne gemacht hatten. Weitere 24,4 Milliarden € (!) wurden für Zinszahlungen an eben diese aufgebracht, flossen also als direkter Gewinn an die Banken. Ein weiterer großer Teil wurde für die Rettung der griechischen Kreditinstitute verwendet (was wiederum natürlich dafür sorgte, dass deutsche, französische etc. Banken ihr Geld aus ihnen abziehen konnten, und sie es nicht als Verlust abschreiben mussten). Übrig blieben alles in allem nicht einmal 6% (!) der Zahlungen, die wirklich ins Budget des griechischen Staates flossen. Und selbst von diesem ziemlich kleinen Rest mussten als Bedingung für die Überweisungen für mehrere Milliarden € französische Fregatten und deutsche U-Boote gekauft werden.
Doch werden manche sagen: „Das mag ja stimmen, aber das können wir auch nicht mehr ändern, jetzt wo es so weit ist, ist es wichtig, Schadensbegrenzung zu betreiben. Auch wenn es hart ist, soll Griechenland jetzt eine Einigung mit der EU finden und seine Schulden bezahlen, so ist uns am meisten geholfen.“
Dem würden wir entgegnen: Das Geld kann selbst bei bestem Willen nicht zurückgezahlt werden. Die Sparmaßnahmen, die von den Gläubigern gefordert werden, würden alleine einen neuerlichen massiven Einbruch der Wirtschaft Griechenlands um 7,5% bedeuten, was wiederum massive Steuerausfälle zur Folge hätte. Griechenland ist auf kapitalistischer Basis pleite, die Politik der EU in den letzten Jahren war nichts als Insolvenzverschleppung, damit die Damen und Herren in den Chefetagen der großen europäischen Banken und Konzerne noch schnell ihre Schäfchen ins Trockene bringen.
Man kann also getrost sagen, dass die Nutznießer (und in Wirklichkeit der einzige Grund) für die sogenannte „Griechenlandrettung“ eben diese sind und waren. Es ist eine dreiste Lüge von Schäuble, Schelling und Co., wenn sie jetzt davon reden, dass diese Zahlungen aus „Solidarität zum griechischen Volk“ getätigt wurden. Die Zeche bezahlen die ArbeiterInnen in Griechenland in Form von Sparpaketen und im Rest von Europa durch Steuern. Dieses Geld wird jetzt schon am Wörthersee, an der Côte d´Azur und in der Karibik verprasst. Nicht Griechenland hat uns um unsere Steuergelder betrogen, sondern unsere eigenen Regierungen als Handlanger der großen Banken und Konzerne!
Es haben aber tatsächlich auch Griechen von den „Rettungspaketen“ profitiert – aber wiederum nur die oberen 10.000. Die wahren „faulen Griechen“ sind die Besitzer der geretteten Banken und die Reeder, die über riesige Schiffsflotten verfügen, aber trotz Staatsschuldenkrise praktisch keine Steuern zahlen müssen. Das sind die Kirchenfürsten, die die größten Landbesitzer des Landes sind und ebenso keine Steuern zahlen. Und nicht zuletzt sind es „ihre“ Politiker, die über Jahre hinweg den letzten Cent aus den griechischen ArbeiterInnen herausgeprügelt haben, wenn sie sich gegen ihre Politik gewehrt haben.
Jetzt sind diese Damen und Herren einer Meinung mit den EU- und IWF-Granden in ihrer Ablehnung der Volksabstimmung über das Ultimatum für neue Sparpakete der Gläubiger (siehe Artikel: Weg mit der Troika-Erpressung!). Sie sind felsenfest für eine Durchführung der Sparpakete. Sie organisieren Demonstrationen gegen die Linksregierung und „für Europa“ - und meinen damit „für einen Platz an den Futtertrögen“, den die ArbeiterInnen aller Länder auffüllen müssen. Sie können sich der Unterstützung der EU-Kommission, des IWF, der deutschen und österreichischen Regierungen sicher sein, weil sie in dieser Situation dieselben Interessen vertreten: Die ArbeiterInnen aller Länder müssen zahlen!
Unsere Verbündeten können in dieser Situation nicht die Reichen und Mächtigen sein, die sich vollkommen einig sind. Es können nur unsere KollegInnen in Griechenland sein, die in den Betrieben und Stadtvierteln, in den Schulen und Universitäten gegen die Zerstörung ihres Lebens kämpfen. Die Spaltung verläuft nicht zwischen den Nationen, sondern zwischen oben und unten, zwischen den Klassen!
Ein klares „Nein“ der GriechInnen zum Spardiktat bei der Volksabstimmung am nächsten Sonntag würde auch uns in eine bessere Lage versetzen, gegen Bankenrettungen, Einsparungen bei Gesundheit und Bildung sowie Lohnkürzungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ein Beispiel wäre geschaffen, dass Widerstand sich lohnt! Damit das möglich ist, müssen wir aber zuallererst die Lügenoffensive über Griechenland bekämpfen. Jeder und jede sollte mit den KollegInnen in Schule, Uni und Betrieb diskutieren und sie überzeugen. Solidaritätskundgebungen und -aktionen sollten organisiert werden. Betriebsräte und Gewerkschafter sollten auf Betriebsversammlungen über das Thema informieren und diskutieren, wie konkret Hilfe geleistet werden kann und mit dem Widerstand gegen eigene Verschlechterungen verknüpft werden kann. Denn letztendlich ist die beste Hilfe für die ArbeiterInnen in Griechenland, dass wir selbst beginnen, um unsere Zukunft und gegen das kapitalistische System das sie zerstört, zu kämpfen!
- Nein zu jedem Sparpaket in Griechenland oder hier!
- Nieder mit der Troika, nieder mit dem Kapitalismus!
- Hoch die internationale Solidarität!