Die Regierung Biden wird von den Medien als das „diverseste Kabinett der Geschichte“ gefeiert. Viele Menschen haben die Hoffnung, dass er zumindest als „kleineres Übel“ etwas besser ist als Trump. Doch hinter der diversen Fassade werden beinhart Kapitalinteressen vertreten. Von Laura Höllhumer und Vera Kis.

Unter dem neuen US-Präsidenten Biden haben mehr Frauen, People of Colour (PoC) und Vertreter anderer unterdrückter Gruppen einen Sitz in politischen Ämtern als jemals zuvor:

Alejandro Mayorkas wird Chef der Heimatschutzbehörde und für die Bekämpfung „illegaler Einwanderung“ zuständig. Für die tausenden abgeschobenen MigrantInnen aus Lateinamerika macht es keinen Unterschied, dass der politisch Verantwortliche selbst Latino und Einwanderer ist.

Deb Haaland wird als erste Ministerin indigener Abstammung das Innenministerium leiten. Da sie sich früher auch als Umweltaktivistin für Ölbohrverbote aussprach, gab es anfänglich von Gouverneuren ölfördernder Bundesstaaten Bedenken. Diese Sorgen erwiesen sich als unbegründet, da sie mittlerweile für Ölförderung eintritt.

Lloyd Austin III ist der erste schwarze Verteidigungsminister. Er ist Aufsichtsratsmitglied des Waffenkonzerns Raytheon, der etwa Saudi-Arabien mit Bomben versorgt. Diese werden im Jemen-Krieg gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt, die unter einer riesigen Hungersnot leidet.

Kyrsten Sinema, die erste offen bisexuelle Senatorin stimmte kürzlich gegen die Anhebung des Mindestlohns in den USA – mitten in der tiefsten sozialen Krise des Landes.
Und nicht zuletzt stellt mit Kamala Harris erstmals eine afroamerikanische und asiatisch-amerikanische Frau die Vizepräsidentin. Zuvor brachte sie als „black woman prosecutor“ meist verarmte Menschen ins Gefängnis.

In den USA kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Ausbrüchen der angestauten Wut, die nicht zuletzt angesichts des grassierenden Rassismus, Sexismus und der Polizeigewalt immer weiter steigt. Da es keine Arbeiterpartei und keine klassenkämpferische Führung gibt, war jedoch der einzige Gegenkandidat zu Trump Joe Biden. Er versucht sich fortschrittlich zu geben und holte deshalb VertreterInnen von Minderheiten, Schwarze, Latinos und LGBT-Personen in seine Regierung, die die Politik der Herrschenden ungehindert fortsetzt.

Die Regierung spannt die Identitätspolitik für ihre Zwecke ein, der zufolge nur Angehörige einer unterdrückten Gruppe den Kampf gegen diese Unterdrückung führen können; also nur PoC gegen Rassismus oder nur Transmenschen gegen Transphobie kämpfen können.

Obwohl sich einige VertreterInnen der Identitätspolitik zwar als antikapitalistisch verstehen, können diese Ideen den Ursprung der Unterdrückung nicht erklären. Unterdrückung wird als Resultat von persönlichen Verhaltensweisen, Sprache, nicht klar definierten „Machtstrukturen“ usw. begriffen. Das kommt letztlich den Herrschenden zugute: Es wird dabei nämlich argumentiert, dass jedeR Einzelne selbst Mitschuld an Unterdrückung hat. Das läuft auf einen Kampf von Arbeiter gegen Arbeiter und Unterdrückte gegen Unterdrückte hinaus.

Umgekehrt gibt es die Vorstellung, dass jeder, der von einer bestimmten Form der Unterdrückung betroffen ist, aufgrund „geteilter Erfahrungen“ auch die Interessen dieser Gruppe vertritt. In der politischen Praxis läuft Identitätspolitik meist auf die Forderung nach Repräsentation, also Symbolpolitik, hinaus. So kann Bidens Kabinett als „progressiv“ verkauft werden. Das „diverseste Kabinett der Geschichte“ ist vereinigt durch dieselben Klasseninteressen, die eine Aufhebung von Unterdrückung unmöglich machen.

Der Marxismus besagt, dass Ideen und auch Vorurteile ihre Grundlage in letzter Instanz in der materiellen, wirtschaftlichen Basis einer Gesellschaft haben. Die Kapitalisten profitieren von Ausbeutung und Unterdrückung, die die Quelle ihres Reichtums sind. Die Arbeiterklasse – die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft – ist nicht nur unterdrückt, sondern wird auch ausgebeutet, indem sich die Kapitalisten die unbezahlte Mehrarbeit, also ihren Profit, aneignen. ArbeiterInnen haben daher die Macht durch Streiks usw. die Profitmaschine der Kapitalisten zum Stillstand zu bringen. Das macht sie zur revolutionären Kraft in der Gesellschaft.

Um den Kapitalismus endlich zu begraben, ist es notwendig, im Kampf Einheit in der Arbeiterklasse herzustellen. Und das geht nur, indem Rassismus, Sexismus und alle anderen Formen der Unterdrückung offensiv bekämpft werden. Nur durch den gemeinsamen Kampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten können wir Rassismus, Sexismus, Unterdrückung und Ausbeutung die Grundlage entziehen.

(Funke Nr. 193/22.4.2021)


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