In Wiens Krankenhäusern brodelt es. Die KollegInnen sind in einem permanenten Spagat zwischen professioneller Arbeit und Spardruck. Martin Gutlederer im Interview mit der Initiative „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ fasst zusammen und kommentiert.
In vielen ausgelagerten Bereichen der Stadt Wien werden derzeit neue Besoldungsschemata eingeführt, so auch im städtischen Krankenanstalten-Verbund (KAV). Wie wir in unserer letzten Ausgabe berichtet haben, sind die Lohnunterschiede zwischen neuen und alten KollegInnen sehr groß, teilweise hunderte Euro pro Monat bei gleicher Arbeit, Ausbildung und ähnlicher Beschäftigungsdauer. Wenn man knapp vor dem Stichtag 1.1.2018 eingestellt wurde, verdient man hunderte Euro weniger, als wenn man am 1.1.2018 angefangen hat. Nach 40 Jahren Beschäftigung sollen sich die Unterschiede ausgleichen (durch ein rascheres Ansteigen der Lohnvorrückungen im alten System), aber den Nachweis für diese Behauptung bleibt sowohl der Dienstgeber als auch die zuständige Gewerkschaft younion schuldig. Und außerdem: wer hält es aus, 40 Jahre unter sich ständig verschlechternden Rahmenbedingung diesen Knochenjob zu machen? Diese Frage stellen sich viele KollegInnen. Zudem sorgen neue Ausbildungsqualifikationen und die kommende Ausweitung der Verantwortung vom Pflegepersonal im Krankenhausbetrieb für viele Fragezeichen in der bereits völlig überlasteten Belegschaft. Das Pflegepersonal an den Wiener Krankenhäusern hat das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und auf eine Wand der Ignoranz zu prallen. Doch der Unmut sammelt und organisiert sich, erste Erfolge scheinen greifbar.
Gleiche Arbeit – gleicher Lohn
Die Initiative „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ sammelt sich ausgehend von der Rudolfstiftung. Der Ausgangspunkt dieser Initiative war ein Gespräch von KollegInnen mit der dortigen Personalvertretung (PV). Die PV erklärte den zornigen KollegInnen, man müsse den Druck spüren, um etwas machen zu können. Denn trotz dem Versuch der PV Informationen weiterzugeben, empfanden die PersonalvertreterInnen, dass sie selbst seitens der HG2 (der zuständigen Abteilung) der younion nicht besonders ernst genommen würden. Darauf dachten sich die Initiatoren: „Das Problem, mit zu wenig Druck, lässt sich schon ändern“. Nachdem neue Mitarbeiterinnen auf der Station begonnen haben und es offensichtlich war, dass es massive Unterschiede gibt, war der Punkt erreicht, wo wir als Gruppe gesagt haben, dass wir diese Ungerechtigkeit nicht mehr hinnehmen wollen. Daraus resultierte die Idee, eine eigene Initiative zu starten.
Einerseits eine Petition „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei der Stadt Wien“ und dann auch eine Informationsseite bei Facebook mit wichtigen Updates und Fakten, um Kolleginnen und Kollegen in anderen KAV Spitälern zu informieren und zu erreichen. Zusätzlich wurde ein Schreiben an den Stadtrat Peter Hacker verfasst, um auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen. Die Antwort seines Büros darauf war „teilweise komplett aus der Luft gegriffen oder stupide juristische Texte“. Die InitiatorInnen artikulieren zwei zentrale Forderungen, die allen KollegInnen unter den Fingern brennen: konkrete Informationen und die Möglichkeit, in das neue Schema zu optieren, falls dieses besser erscheint. Unterstützen kann man diese Initiative durch das Unterschreiben einer online-Petition. Diese steht momentan bei 4400 Unterschriften, wobei die Initiative öffentlich KollegInnen kritisiert, dass sie nicht mehr Initiative zeigen. Dazu weiter unten ein Vorschlag.
Derzeit ist es für die Initiative nicht möglich, ein Treffen mit der Hauptgruppe 2 (HG2) der Younion zu bekommen. Man wünscht sich von der HG2 eine Politik entlang der „Grundsätze der Sozialdemokratie“, denn „gegen Missstände kann sich die Pflege nur stark machen, wenn sie sich vernetzt, laut wird und gemeinsam Druck ausübt“. Demgegenüber äußern die Initiatoren leise den Zweifel, ob sich die Stadt Wien den finanziellen Mehraufwand des neuen Gehaltsschemas für alle überhaupt leisten kann.
Auf unsere Frage, wie man weitere Probleme wie z.B. Unterbesetzung lösen soll, verweisen die Organisatoren auf den Dienstweg im betroffenen Haus. Sollte es seitens der Stadt Wien nicht zu einem Einlenken hinsichtlich der Optierungsmöglichkeit kommen, kann sich die Initiative sowohl eine Demonstration, um auf das Anliegen aufmerksam zu machen, als auch - mit gewerkschaftlicher Deckung - einen Umstieg auf Notbetrieb als Kampfmaßnahme vorstellen.
Die HG2 hat mittlerweile reagiert, indem sie eine rasch improvisierte Homepage eingerichtet hat und sich mittlerweile mit mehr Nachdruck für eine Optierung ab 1.1. 2020 einsetzen möchte. Zudem heißt es seitens der Gewerkschaft, man setze sich dafür ein, dass in den alten Verträgen für diplomiertes Personal mehr Geld als bisher rausschaut.
Wie weiter?
Eine zentrale Frage, die auch im Gespräch mit den KollegInnen von der Rudolfsstiftung angesprochen wird, ist die der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Situation. Bereits über einer scheinbar lapidaren Frage wie der Optierungsmöglichkeit schwebt das Damoklesschwert der Leistbarkeit
Wir dürfen uns von diesem Einwand – der der realen Erfahrung des permanenten Sparzwangs entspringt - nicht beirren lassen. Diese Gesellschaft kann sich eine hochwertige medizinische Versorgung leisten, wir müssen dies nur gegen den Egoismus der Kapitalbesitzer und Reichen durchsetzen. Probleme wie Bezahlung, Unterbesetzung und immer dichter werdende Arbeit sind in Spitälern, Altersheimen und weiteren Gesundheitseinrichtungen überall in Österreich akut. Die schwarz-blaue Regierung tut auch das Ihre dazu, um mit verkürzten Ruhezeiten bei ÄrztInnen und Pflegepersonen den Druck auf unser Leben zu erhöhen und uns die Arbeit weiter unerträglich zu machen. Dies ist nur der spezifische Ausdruck im Gesundheitsbereich dafür, dass Lohnabhängige überall immer stärker ausgepresst werden, und die Reichen dadurch immer reicher werden. „Der Dienstweg“ ist eine Form, Sand ins Getriebe zu werfen, aber wir müssen uns eine gemeinsame Offensivstrategie für ein öffentlich ausfinanziertes hochqualitatives Gesundheitswesen erarbeiten.
Dabei dürfen wir uns nicht entlang von unterschiedlichen Dienstverträgen, Berufsgruppen, Bundesländern oder dem ambulanten und stationären Bereich oder der Frage, ob wir Gewerkschaftsmitglieder oder nicht sind, spalten lassen, sondern wir müssen für die besten Bedingungen für alle kämpfen. Unsere Stärke liegt in unserer Einheit und Solidarität untereinander sowie darin, dass ohne uns nichts geht.
Auf vielen Stationen, in allen Krankenhäusern gibt es momentan viel Initiative, Versammlungen, Gespräche. Ein wichtiger nächster Schritt wäre die Initiative „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ nicht nur über das Internet zu bewerben, sondern aktiv auf den Stationen KollegInnen anzusprechen und zur Unterschrift zu gewinnen. So können wir den Erfolg doppelt sicherstellen: durch das Sammeln vieler Unterschriften und dadurch, dass wir mit den KollegInnen ins Gespräch kommen, uns besser kennenlernen und zusammenschließen.*
*Anmerkung: Der Kollege Heinrich Schneider startete nun eine Petition bei der Stadt Wien, die hier zu unterzeichnen ist.
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