Die erste von drei Landtagswahlen in diesem Frühjahr ist geschlagen. Warum die NÖ-Landtagswahl nicht nur regionale Bedeutung hat und welche Umbrüche bevorstehen, analysiert Stefan Wagner.
Die Landtagswahl in der schwarzen Hochburg Niederösterreich brachte für die ÖVP eine desaströse Niederlage. Sie fuhr ein Minus von fast 10% ein und verliert ihre Mehrheit in der Landesregierung. Sie hat aufgrund des Proporzsystems nur mehr Anspruch auf vier von neun Landesräten. Die SPÖ konnte von der Krise der ÖVP überhaupt nicht profitieren, verlor auf ohnedies schon niedrigem Niveau und kam nur knapp über 20%. Wahlsiegerin war die FPÖ, die sich mit über 24% um fast 10% steigerte, was insgesamt drei Sitze in der Regierung bedeutet. Da die FPÖ ohnehin weiter Oppositionspolitik betreiben will, ist ein Übereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ absehbar.
Die FPÖ ist schon die Nummer 1 bei der Alterskohorte 30-59 und auch bei den unter-30-Jährigen ist sie der ÖVP dicht auf den Fersen. Während die SPÖ durch die Bank bei um die 20% liegt, kann sich die ÖVP auf die „Alten“ verlassen – satte 55% der Über-60-Jährigen machten ein Kreuz bei ihr.
Comeback der FPÖ
Die FPÖ wird als Instrument gegen die anderen Parteien gewählt. Ibiza hin oder Grazer FP-Finanzskandal her, sie fährt einen beinharten Oppositionskurs. In Niederösterreich waren ihre Ergebnisse vor allem in Gemeinden überdurchschnittlich gut, in denen die Impfrate niedriger ist – obwohl das Thema gar nicht in der Wahlauseinandersetzung vorkam. Schon in der Hochzeit von Corona war die FPÖ als einzige gegen eine Impfpflicht. Herbert Kickl schaffte es geschickt, die FPÖ als Anti-System-Kraft zu positionieren. Damit konnte sie nicht nur einen Grundstock an blauen StammwählerInnen aus 2018 halten, sondern holte mit ca. 72.000 Stimmen den größten Zugewinn von der ÖVP. Die FPÖ ist mittlerweile in 20 Gemeinden stimmenstärkste Partei, was aber nur zur Hälfte von der ÖVP kommt. So konnten nicht nur SP-Gemeinden „geholt“ werden, sondern 29.000 Stimmen von der SPÖ. Weitere 23.000 kamen aus dem Pool der NichtwählerInnen.
Schon im Vorfeld der Landtagswahl in Niederösterreich konnte man ihre bundespolitische Brisanz förmlich greifen. Während die ÖVP versuchte, eine reine Niederösterreich-Wahl daraus zu machen, setzte die SPÖ, aber vor allem die FPÖ auf die bundespolitischen Themen Teuerung und Migration. Diese Wahl war eine deutliche Absage an den bisherigen Kurs der Bundesregierung. Die schwarz-grüne Regierung hat ihre Mehrheit im Bundesrat verloren. Neuwahlen sind jedoch aufgrund der schlechten Umfragewerte nicht wahrscheinlich – die schwarz-grüne Koalition ist aneinandergekettet.
Die Sozialdemokratie
Während die FPÖ für eine wachsende Wählerschicht Glaubwürdigkeit entwickelt, steckt die Sozialdemokratie einmal mehr im Krisenmodus. Die SPÖ konnte in NÖ keine Anknüpfungspunkte zu ihrer sozialen Basis in der Arbeiterklasse finden. Darüber hinaus dominierten nichtssagende („So sind wir“) und unseriöse („Der rote Hanni“) Sprüche ihren langweiligen Wahlkampf. Das Ergebnis ist, dass sie in fast allen ehemaligen roten Hochburgen zum Teil deutlich mehr als im Landesschnitt (-3,5%) verlor: St. Pölten (-8,85%), Wr. Neustadt (-6,98%), Krems (-5,66%), Schwechat (-4,87%) etc. Die SPÖ wurde einmal mehr auf die Treuesten der Treuen reduziert.
Die SPÖ NÖ tauschte unmittelbar nach der Wahlschlappe ihren Landesvorsitzenden aus – und zwar tunlichst ohne die eigene Basis einzubeziehen. Der neue Vorsitzende, der weitgehend unbekannte Sven Hergovich, zeichnet sich durch gute Kontakte zur Gewerkschaftsbürokratie und zur Clique um den Wiener Bürgermister aus und repräsentiert so den großkoalitionären Kurs der Unterordnung aller politischen Fragen unter die Orientierung auf den Staatsapparat und die Sozialpartnerschaft.
Der Parteielite ging es dabei nicht zuletzt darum, den unbequemen Andreas Babler zu verhindern. Der Traiskirchner Bürgermeister, der vor allem aufgrund seiner Politik rund um das Flüchtlingslager in seiner Heimatstadt als linkes Aushängeschild zählt, konzentrierte sich in den letzten Jahren auf die Kommunalpolitik, nachdem ihm die Parteizentrale seine Grenzen aufgezeigt hatte. Sein Vorzugsstimmenwahlkampf hat das Potential für ein linkes Projekt aufgezeigt, er erreichte 21.274 Stimmen (nur knapp hinter dem Ergebnis des Spitzenkandidaten Franz Schnabl, 24.201). Alleine in seiner Heimatgemeinde kam Babler auf ca. 3.500 Vorzugstimmen. Dort konnte die SPÖ mit 46,6% bei +3,8% auch das mit Abstand beste Ergebnis unter den niederösterreichischen Städten erringen. Aber Babler setzt keine Schritte zur Organisierung eines linken Flügels, sondern arbeitet sich langsam nach oben. So steht auch er in der Logik des sozialdemokratischen Parteiapparats. Das spiegelte sich auch im Wahlkampf wider, er blieb insgesamt inhaltlich vage und setzte vor allem auf Symbolpolitik.
Doch könnte ihm die Zeit davonlaufen, denn die Krise der SPÖ könnte sich schon bald weiter zuspitzen. Für SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wird es immer enger. Falls die SPÖ in Kärnten und Salzburg ebenfalls Verluste einfahren wird, könnten ihre Tage endgültig gezählt sein. Burgenlands SP-Landeshauptmann Doskozil und sein Bluthund, Landesgeschäftsführer Roland Fürst, scharren schon in den Startlöchern.
Doch beide Cliquen repräsentieren nur verschiedene Ansätze, wie die Parteibürokratie im Sinne des Kapitals zurück an die Futtertröge der Macht gelangen kann. Für die Arbeiterklasse ist es irrelevant, ob die SPÖ dieses Ziel mithilfe einer liberalen Karrierebeamtin oder eines regional-populistischen Haudraufs versucht zu erreichen. Eine von ihr geführte Regierung, in welcher Form auch immer, wird eine Regierung der Krisenverwaltung sein.
Die Arbeiterbewegung braucht aber ein klassenkämpferisches und sozialistisches Programm, das einen Ausweg aus der kapitalistischen Dauerkrise aufzeigt. Dafür kämpfen wir.
(Funke Nr. 211/21.02.2023)