ÖGB. In der österreichischen Arbeiterbewegung gibt es einen Mangel an demokratischen Debatten und Abstimmungskultur. Dies behindert uns in der Auseinandersetzung mit den Industriellen.
Vorneweg: Je dichter die Arbeiterbewegung ihre Reihen gegenüber den aktuellen Angriffen schließt, desto erfolgsversprechender gestaltet sich unser Abwehrkampf. Und Einstimmigkeit ist generell eine sehr gute Sache im Klassenkampf – sofern sie dazu dient, unsere Kraft voll auf unseren Gegner zu konzentrieren.
Aber wenn man die Betriebsrätekonferenzen betrachtet, wird klar, dass die Einstimmigkeit, mit der die vom ÖGB vorgelegten Resolutionen verabschiedet wurden, nicht notwendigerweise als Ausdruck einer tiefen Einigkeit im Kampf gegen die Regierung gewertet werden können. Soweit wir es überblicken, war überhaupt nur in Oberösterreich eine Debatte vorgesehen. Hier stellte ein Kollege auch einen Abänderungsantrag – dieser wurde aus formalen Gründen allerdings nicht zugelassen. Es hieß, dass aufgrund der notwendigen Einheitlichkeit die oberösterreichische Resolution nicht abgeändert werden könne. In anderen Bundesländerkonferenzen wie in Wien war eine Debatte zur Resolution des ÖGBs überhaupt nicht vorgesehen. Eine solche Vorgehensweise ist nicht neu, sondern entspricht der Gepflogenheit, dass die Führung der Gewerkschaften die Belegschaften im Ringen um eine Gesprächsbasis mit den Industriellen wie Schachfiguren bewegt.
So kann keine tiefe Einsicht in die Notwendigkeit, die Ziele und die notwendigen kollektiven Maßnahmen hergestellt werden. Dass die Resolution des ÖGBs unzureichend ist, zeigt sich in der Praxis. Während das Wort „Streik“ in Wort und Schrift gemieden wird, ist es doch so, dass es in der Luft liegt und in der Praxis viele Betriebsversammlungen einen klaren Warnstreikcharakter haben, bei dem auch Maschinen heruntergefahren werden.
Eine rein formale Einstimmigkeit schwächt den Kampf gegen die Industriellen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Serie an „Verhandlungserfolgen“ (vorzeitige Kompromisse, bevor ein Arbeitskampf erst seine volle Stärke entfalten konnte) die wir uns über die Jahre eingehandelt haben eine Kultur der Passivität und des Zynismus in die Betriebe gebracht hat.
Jene Kolleginnen und Kollegen, die der Gesamtbewegung in der Praxis in ihren eigenen Betrieben vorangehen, sollten sich zur Aufgabe stellen, ihre Praxis auch in die breitere Gewerkschaftsbewegung zu tragen. Dies geht einfach: Anträge stellen und sich nicht davon abbringen lassen, dass diese auch zur Abstimmung kommen. Eine schärfere Debatte und eine Feststellung, dass es unterschiedliche Positionen über die Situation und was sie von der Bewegung verlangt gibt, stärkt unsere Bewegung.
Dieser Artikel erschien erstmals am 27.6.2018 im Funke Nr.165
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