Die Preise ziehen stark an. In Österreich erhöhte sich der Preis des Warenkorbes im August im Jahresabstand um 3,1%, in Deutschland sogar um 3,9%. Noch wird der Preisanstieg mit Sondereffekten der COVID-Krise argumentiert. Aber ein viel grundlegenderes Problem durchzieht die Weltwirtschaft, argumentiert Emanuel Tomaselli.
Fast jedes Land das es sich leisten konnte, akzeptiert(e) hohe Budgetdefizite, die hauptsächlich zur Gewinn-Stabilisierung von Konzernen und mittleren Unternehmen eingesetzt wurden.
Gleichzeitig pumpen die Zentralbanken weiter etwa 17 Mrd. € täglich in die Finanzmärkte. Schon vor der COVID-Krise war die Verschuldung auf historisch hohem Niveau, jetzt liegt sie bei über 356% des Welt-BIP. Wenn die Geldmenge schneller steigt als das Warenangebot, dann sinkt der Wert des Geldes und die Produkte werden teurer.
Allerdings ist dies jahrelang nicht passiert, wofür es noch keine allgemein anerkannte Erklärung gibt. Stattdessen machten sich an den Universitäten haltlose Theorien breit, die im Kern sagen, dass man Geld aus der Luft schneiden könnte, ohne dass dies irgendwelche negativen Effekte haben würde.
Diese Idee ist extrem falsch und extrem bequem gleichzeitig, weil man dadurch ein Perpetuum mobile des sozialen Ausgleiches zur Hand hätte: Gleichzeitig werden die Superreichen immer reicher, und auch die soziale Situation der Arbeiterklasse stabilisiert sich, und Raum für wirkliche Wirtschaftskrisen gibt es in diesem Wunderland auch keine mehr. Besonders (linke) ReformistInnen fanden in der Modern Monetary Theory (MMT) Hoffnung und Trost, da sich ihr Wunsch nach einer besseren Welt ohne jeden Klassenkampf literarisch darstellen ließ.
Nun steigen Preise, und die ganze Dynamik ist nicht absehbar. Ein Element ist jedenfalls, dass der Markt signalisiert, dass man für Dinge die wertbeständig sind (etwa Immobilien) fast jeden Preis verlangen kann. Menschen, die Geld angehäuft haben, versuchen es in Sicherheit zu bringen, die Immobilienpreise steigen seit Jahren, und nun immer schneller. Und dieses Anbieterverhalten schwappt nun auf die gesamte Volkswirtschaft über, oft sogar politisch angeschoben.
Österreichs Bauern- und Tourismus-Queen Ministerin Köstinger definierte dafür sogar die Perversion neu:„Wir haben Griller um 800 Euro im Garten stehen und legen eine Bratwurst um 80 Cent drauf. Das ist pervers.“ verbreitete sie, und weiter bekundete die politische Exponentin der Marktwirtschaft, dass das gute österreichische Fleisch mindestens um ein Drittel zu billig sei. Und so jetzt überall: Die Wirte empfinden, dass sie jetzt plötzlich viel qualitätsvoller kochen (das kostet auch mehr), die Bäcker glauben, dass ihr ehrlich geknetetes Brot jetzt 10% mehr wert sein müsse, etc.
Gleichzeitig warnen die Klein- und Großbesitzer und ihre Zeitungen, dass eine Lohn-Preis-Spirale jedenfalls verhindert werden müsse. Ja klar, ausgerechnet die Löhne, deren Anteil am Volksvermögen seit vier Jahrzehnten fällt, sind jetzt das große Instabilitäts-Problem des Kapitalismus.
Nichts da!
Wenn der Metaller Chef Wimmer für die Herbstlohnrunde fordert, dass es im Börserl knistern muss, hat er vollkommen recht. Am besten gleich den Arbeitskampf vorbereiten, denn in Verhandlungen allein werden wir nie das kompensieren, was uns eigentlich zusteht: Es kann nicht sein, dass Wurst und Semmel zweistellig teurer werden und bei den Löhnen um die zweite Stelle hinter dem Komma debattiert wird.
(Funke Nr. 196/1.9.2021)