Gleichzeitig mit den Metallern wurden auch im privaten Sozialbereich (SWÖ) die Kollektivvertrags-Verhandlungen eröffnet. Ohne Kampf werden wir nichts erreichen – und den gilt es jetzt überall vorzubereiten, argumentiert Sarah Ott.
Wir spüren nicht nur die enorme Teuerung beim Einkaufen und Wohnen, unsere Branche ist nach drei Jahren Pandemie extrem überlastet und der Arbeitsdruck steigt ständig weiter an. Viele, die es sich leisten können, wechseln Job, was den akuten Personalmangel noch weiter verschärft. Gleichzeitig steht eine große Mehrheit der KollegInnen angesichts der Teuerung vor enormen sozialen Problemen und das Abrutschen unter die Armutsgrenze stellt, vor allem für die unteren Verwendungsgruppen und die vielen Teilzeitangestellten, eine reale Gefahr dar.
Die für den Sozialbereich zuständigen Gewerkschaften GPA und vida haben am 19. September den Arbeitgebern ihre Forderungen überreicht. Eine „deutliche Erhöhung der Realeinkommen unter Berücksichtigung der Inflationsrate und unter der besonderen Berücksichtigung niedriger Einkommen“ steht aktuell im Zentrum der Forderungen zu den SWÖ-KV-Verhandlungen – eine konkrete Zahl, was das heißt, wird allerdings nicht genannt. Gleichzeitig fordern die Metaller +10,6%, die Eisenbahner wollen in vorgezogenen KV-Verhandlungen einen Fixbetrag von +500€ und unser Verhandlungspartner vida fordert für die Wiener Ordensspitäler ebenfalls ein Plus von 500€.
Im Mai fand auf Initiative einer Gruppe von Betriebsräten (BR) eine BR-Konferenz des Wiener Sozialbereichs (WB 17) statt. Als einziges Bundesland stimmten wir dort über Forderungen ab, die wir als notwendig für diese Herbstlohnrunde befinden. In der Woche vom 26.-30.9. finden nun österreichweit BR-Konferenzen statt. In Wien werden kämpferische BR am 27.9. beantragen, dass das Verhandlungsteam seine Forderungen folgendermaßen konkretisiert:
- Erhöhung der Grundgehälter um 750 Euro Fixbetrag bei Vollzeit für alle Verwendungsgruppen. Kein Abschluss unter einem Lohnplus von 500 Euro.
- Erhöhung der Zulagen und Zuschläge um die doppelte Inflationsrate.
- 35 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich ab 1. Jänner 2023.
Die Arbeitgeber hingegen gehen in ihren Forderungen bisher von einem Abgleich der Inflation in Höhe von +6,85% (Durchschnittliche Inflation November 21 – August 22) aus.
Für weitere kostenwirksame materielle Verbesserungen sehen sie wenig Spielraum. Damit wird klar, dass wir uns echte Verbesserungen hart erkämpfen werden müssen. Die Erfahrung in vielen Betrieben zeigt, dass die Mobilisierung besser funktioniert, wenn es für die Belegschaften konkrete und greifbare Forderungen gibt um die es gilt, Aktionen und Streiks zu organisieren. Dazu kommt: Um Lohn und Gehaltsabschlüsse, die über der Teuerungsrate liegen und die Einkommensverluste der letzten Jahre ausgleichen, durchzusetzen, werden Kampfmaßnahmen, angefangen mit Betriebsversammlungen, über Demonstrationen und Streiks, nötig sein.
Angesichts der enormen Teuerung ist es ein absolut sinnvolles Ziel die KV-Verhandlungen so abzuschließen, dass eine Lohn– und Gehaltserhöhung tatsächlich schon im Jänner 2023 zu Tragen kommt. Je länger sich die Verhandlungen in den Winter ziehen, desto schwieriger ist es, gemeinsam mit anderen verhandelnden Sektoren einen Kampf zu organisieren.
Daher stellen wir bei der BR-Konferenz in Wien den Antrag, bereits für 8.-10. November Aktionen und Warnstreiks zu organisieren. Um diese vorzubereiten und zu organisieren, soll es bereits Ende Oktober (und nicht wie bisher geplant erst am 24. November) eine bundesweite Betriebsrätekonferenz geben, bei der die bevorstehenden Kampfmaßnahmen zur Unterstützung der KV-Verhandlungen gemeinsam diskutiert und geplant werden.
Außerdem bekräftigen wir weiterhin die Forderung nach einer Urabstimmung über die Verhandlungsergebnisse.
Der SWÖ-Kollektivvertrag betrifft österreichweit mehr als 100.000 Beschäftigte. Wir alle haben ein Interesse, über unsere Arbeitsbedingungen mitzuentscheiden. Branchenübergreifende, gemeinsame Streiks um Forderungen, die wirklich notwendig sind und zum Kampf inspirieren, sind in der Situation angelegt. In der Systemkrise spitzt sich der Klassenkampf von oben gegen die Beschäftigten zu – wir müssen ihn beantworten.
Die Autorin ist Betriebsrätin im Sozialbereich
(Funke Nr. 207/27.9.2022)