Die Krise des Kapitalismus und der damit einhergehende gesellschaftliche Zerfall zeigt sich in einer weltweiten Mental Health Epidemie und weitverbreiteter Hoffnungslosigkeit. Doch uns steht nicht das Ende der Welt, sondern die sozialistische Revolution bevor. Bereiten wir ihren Sieg vor. Von Lukas Frank.
Die letzten ein bis zwei Jahrzehnte sind von einem rasanten Verfall der psychischen Gesundheit der Jugend geprägt. Die WHO schätzt, dass es weltweit allein zwischen 2007-2017 zu einem 10-prozentigen Anstieg psychischer Krankheiten bei 15–29-Jährigen gekommen ist. Inzwischen sind 20% der Jugendlichen weltweit davon betroffen. In Ländern wie z.B. den USA bedeutet das auch explodierende Suizidraten. Im selben Zeitraum stieg diese laut dem Gesundheitsministerium bei der amerikanischen Jugend um 60%. Auch aus Österreich kennt man ähnlich drastische Zahlen.
Zwar gibt es bei Erwachsenen keinen derartigen Anstieg in Bezug auf psychische Krankheiten, doch von steigenden Burnout-Raten, zunehmender Einsamkeit und Existenzängsten sind sie genauso betroffen.
Fäulnis soweit das Auge reicht
Die COVID-Pandemie, die Menschen in Lockdowns sozial isolierte und das Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenze brachte, hat diesen Zustand erheblich verschlechtert. Auch profithungrige Social-Media-Konzerne tragen ihren Teil dazu bei, wie die Leaks von Francis Haugen zeigten, in denen Facebook Angestellte berichteten, wie Vorgesetzte ihre Forschungsergebnisse über Instagram, Online-Sucht und Depressionen ignorierten.
Doch das sind nur zwei Faktoren aus einem Sumpf unendlicher Probleme. Um ein paar Beispiele zu nennen: Krankenhäuser beginnen Operationen aufzuschieben, auf Kassenplätze für psychische Behandlungen wartet man ewig, die Einkaufsrechnung beim Hofer ist inzwischen so hoch wie beim Billa, Schulen und Unis sind in Extremfällen bis zur Funktionsunfähigkeit unterfinanziert und unsere zukünftigen Arbeitgeber verlangen immer perfektere Lebensläufe. Schlagen wir die Zeitung auf, lesen wir, dass die 1,5 Grad Erderwärmungsgrenze schon nächstes Jahr gesprengt wird oder dass es schon wieder den nächsten Femizid gab. Während unser Leben zerfällt, wissen die Reichen und Mächtigen nicht wohin mit dem Geld, das wir in ihre Tasche arbeiten – der Markt für Luxusgüter wuchs im letzten Jahr um unglaubliche 20%.
Die ganze kapitalistische Gesellschaft verfault auf allen Ebenen. Als Individuum, auf sich allein gestellt, kann man diesem Prozess nicht entfliehen. Das ist die Basis für die Mental Health Epidemie.
Es gibt keinen individuellen Ausweg
Stellenweise mutet es fast surreal an. Die Welt verwandelt sich in eine Ansammlung von Krisenherden, doch die Gesellschaft läuft weiter wie gehabt – die Menschen gehen zur Arbeit, kaufen ein, schauen Fernsehen. Doch die Schlussfolgerung ist falsch, dass das niemanden interessieren würde. Das Hauptproblem ist, dass die wenigsten wissen, dass eine andere, bessere Welt leicht möglich wäre, bzw. wie man diese erkämpfen könnte.
Stattdessen versuchen viele, individuelle Lösungen zu finden. Im besten Fall versucht man, gesund zu leben und sich Zeit für seine psychischen Probleme zu nehmen. Im Kapitalismus keine leichte Aufgabe, zu der man sich immer wieder aufraffen muss, insbesondere wenn die Welt um einen herum zum Zirkus wird.
Aber auch die „hustle culture“, Bitcoin-Fanatiker und das Wiedererstarken von männlichen Rollenbildern und Misogynie in den Untiefen des Internets (siehe Andrew Tate) sind der Versuch, eine individuelle Lösung zu finden. In dem Fall, indem man krankhaft und illusorisch hofft, selber Kapitalist zu werden und Frauen für die eigenen Probleme verantwortlich macht. Ausländerhass und LGBTI-Phobie sind ähnliche Phänomene.
Kollektiv kämpfen
Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Sobald es also einen realistischen Ansatzpunkt gibt, kollektiv und gegen die Barbarei des Kapitalismus zu kämpfen, explodieren regelmäßig Massenbewegungen rund um den Globus, die die genannte Vereinzelung und Spaltung hinwegfegen.
In Sri Lanka stürzten Mitte letzten Jahres die Massen die verhasste Regierung und Bilder gingen um die Welt, wie im Luxusanwesen des Präsidenten im Pool gebadet wurde. Im Iran, wo die Frauenunterdrückung tief verankert ist, entzündete der Mord an einer jungen Kurdin eine revolutionäre Bewegung, in der Männer und Frauen gemeinsam gegen das verhasste Mullah-Regime kämpften. In Peru trat die Absetzung eines linken Präsidenten eine massive Bewegung los, die in manchen Regionen begonnen hatte, systematisch Polizisten festzunehmen, um sie gegen politische Gefangene auszutauschen. Doch auch die reichen Industriestaaten sind vom Aufheizen des Klassenkampfes nicht ausgenommen. In Großbritannien erfasste die größte Streikwelle seit Jahrzehnten erst die Unis, dann Lokführer, Postler, Flughäfen, Pfleger und Krankenwagenfahrer. In Frankreich, wo die Arbeiterklasse gegen eine Pensionsreform kämpft, drehten die Elektrizitätsarbeiter den Strom von Großunternehmern, Reichen und Regierungsbüros ab und verringerten die Strom- und Gasrechnungen von gleichzeitig protestierenden Bäckern.
Das sind nur ein paar inspirierende Beispiele der letzten Monate, die die bürgerlichen Medien natürlich nicht an die große Glocke hängen. Denn sie zeigen den wahren Ausweg aus der kapitalistischen Misere. Die kollektive Kraft der Arbeiterklasse, die gemeinsam die Produktion in der Gesellschaft am Laufen hält und das Potential hat, den Kapitalisten die Macht zu entreißen, also den Kapitalismus zu stürzen.
Nicht unterkriegen lassen – Revolutionär werden
Das Studium des Marxismus zeigt den Weg vorwärts: Die eigenen Probleme sind gesellschaftliche Probleme, man kann sie daher nur im kollektiven Kampf lösen. Die heute aussichtslose Situation kann jederzeit in umso heftigere Klassenkämpfe umschlagen, die das Potential haben, den Kapitalismus zu stürzen. Doch wie der Kampf zwischen der Arbeiter- und der Kapitalistenklasse endet, ist nicht festgeschrieben.
So wie die Kapitalisten ihre Polizeipräsidenten, Generäle und Politiker haben, braucht auch die Arbeiterklasse eine Führung – eine revolutionäre Organisation – die es versteht, ihren Kampf siegreich zu führen.
Hier macht das Individuum den entscheidenden Unterschied. Wir müssen diese Führung aufbauen, uns selbst zum bestmöglichen Revolutionär machen und da, wo sich die Arbeiterklasse und Jugend bewegt, für den richtigen Kampfplan eintreten. Wir müssen nicht rumsitzen und Nägel kauen, wir können die Welt verändern.
(Funke Nr. 211/21.02.2023)