Die Anzahl der SARS-CoV-2-Fälle steigt in Österreich weiter rasant an. Trotzdem setzen die UnternehmerInnen auf Business as usual. Mario Wassilikos berichtet.
In Österreich sind schon 2282 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert, 71 befinden sich im Krankenhaus, 13 werden in Intensivstationen behandelt, sechs sind an der vom Virus verursachten Erkrankung (COVID-19) verstorben (Stand: 20. 3., 12 Uhr). ExpertInnen nehmen jedoch an, dass es eine große Dunkelziffer bei den Fällen gibt. Einem Modell zufolge könnten sich österreichweit 8.000, schlimmstenfalls sogar schon 40.000 Menschen infiziert haben. Das hängt vor allem damit zusammen, dass zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit bis zu 14 Tage vergehen können und diese aufgrund des häufig auftretenden milden Verlaufs unbekannt bleibt oder für eine Grippe bzw. eine harmlose Erkältung gehalten wird. Trotz der harmlosen Symptomatik in vier von fünf Fällen darf das Virus nicht unterschätzt werden. Vor allem für Menschen ab einem Alter von 60 Jahren und/oder mit entsprechenden Vorerkrankungen bzw. einem geschwächten Immunsystem stellt COVID-19 eine äußerst gefährliche Bedrohung ihres Lebens dar. Daher ist es absolut notwendig, den Aufforderungen der Gesundheitsbehörden, sich körperlich zu isolieren, Folge zu leisten.
Gefährdung der Gesundheit im Namen des Gewinns
In Österreich gelten seit 16. März massive Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus. Das öffentliche Leben steht quasi still, was besonders zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen absolut notwendig ist. Jedoch sind viele gezwungen, ihre eigenen vier Wände zu verlassen, da sie arbeiten müssen – das betrifft bei Weitem nicht nur gesellschaftlich absolut notwendige Branchen bzw. Bereiche. Viel zu oft setzen UnternehmerInnen noch auf Business as usual. Sie sind bereit, auf dem Altar der Profitmaximierung Menschenleben zu opfern.
Die Aufrechterhaltung des Betriebs in der Tiroler Après-Ski-Bar „Kitzloch“ trotz eines auf SARS-CoV-2 positiv getesteten Barkeepers bzw. das fahrlässige Agieren der Tiroler Gesundheitsbehörden im Interesse der Tourismus-UnternehmerInnen bis zur Verabschiedung der Ausgangsbeschränkungen auf Bundesebene stellt hier nur die Spitze des Eisberges dar. Uns erreichen Berichte, dass in vielen Firmen bis auf die Aufstellung von Desinfektionsmittelspendern noch keine weiteren Hygienemaßnahmen getroffen worden sind. In einer Supermarkt-Filiale wurden den KassiererInnen sogar die Desinfektionsmittel verwehrt, um so viele wie möglich verkaufen zu können.
Ein weiteres Ärgernis für viele ArbeiterInnen ist die Unsicherheit. Man wird über (fast) nichts informiert, teilweise wiedersprechen sich die Informationen. Und das Schlimmste: Gesundheit und Leben der Beschäftigten werden bewusst einem hohen Risiko ausgesetzt! So sollen im Weizer Magna-Werk ArbeiterInnen, die mit einem SARS-CoV-2-Verdachtsfall Kontakt hatten, jedoch keine Symptome haben, wie gewohnt zur Arbeit kommen.
Zwei Wiener Pearle-Filialen mit bestätigten Infizierten wurden nicht zugesperrt. In dieser Firma zeigt sich besonders stark, was es bedeutet, in einer Klassengesellschaft zu leben: Während das Management mittels Homeoffice Befehle erteilt, müssen die ArbeitnehmerInnen weiterhin in den Geschäften Kundenkontakt haben und so ihre Gesundheit aufs Spiel setzen! Das sind nur einige der unzähligen Beispiele, die uns von KollegInnen berichtet wurden.
Widerstand und Selbstorganisation
Man sieht, dass die KapitalistInnen nicht davor zurückschrecken, die Gesundheit der ArbeiterInnen, ihrer Familien und in Folge der gesamten Gesellschaft massiv zu gefährden. Für sie zählt nur der Profit – und das auf Kosten von Menschenleben! Bosse und Management handeln nicht im Interesse der Allgemeinheit! Kräftig unterstützt werden sie dabei von ihren InteressenvertreterInnen. So bezeichnete Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, in einem Interview vom 8. März die Maßnahmen und die Debatten rund um die gefährliche SARS-CoV-2-Pandemie als „absurde Hysterie“ – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon fast 3500 Tote gefordert hatte. Zudem betonte er:
„Man kann schon präventive Maßnahmen ergreifen, die Frage ist aber, wie weit man damit geht.“
Wir geben ihm gern die Antwort darauf: So weit, bis die Ansteckungsgefahr auf das höchstmögliche Minimum reduziert ist! Vor allem Betriebe – Orte, in denen in der Regel mehrere Menschen zusammenkommen – sind Brutstätten der Virenverbreitung. Dort sind Angst und Unsicherheit natürlich groß. Die Gewerkschaft hat schon darauf reagiert. So präsentiert die PRO-GE zehn Punkte für mehr Schutz in Produktionsbetrieben und fordert die UnternehmerInnen auf, diese in ihren Firmen durchführen zu lassen. Doch mit den KapitalistInnen und ihren VertreterInnen kann man nicht darüber verhandeln, wie die jüngsten Erfahrungen zeigen. Sebastian Kurz und seiner Mannschaft darf man auch nicht vertrauen. Nur allzu oft hat er sich als Konzern-Kanzler erwiesen. Ein Blick in das aktuelle Regierungsprogramm genügt.
Daher gilt: Anstatt an die „Vernunft“ und die „Sorgfaltspflicht“ der Bosse zu appellieren, muss die Arbeiterbewegung selbst aktiv werden. Die Belegschaften müssen mit ihren BetriebsrätInnen – wenn vorhanden – die von der Gewerkschaft empfohlenen Maßnahmen selbst durchführen und nicht auf die Erlaubnis der Geschäftsleitung warten. Sie selbst wissen am besten, wie die Arbeitsprozesse in dieser Ausnahmesituation sicher fortgeführt werden können. Gleichzeitig ist es absolut erforderlich, dass die Chefs Hygieneausrüstung (Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Schutzmasken usw.) zur Verfügung stellen. Sollten sie sich all dem verweigern, gibt es nur eine Antwort: Streik! Die Betriebe – vor allem in Branchen, die gesellschaftlich nicht absolut notwendig sind – müssen so lange stillstehen, bis das Risiko der Ansteckung so stark wie möglich reduziert ist. Alles andere ist höchst gefährlich und fahrlässig. Zudem ist es notwendig, dass sich die KollegInnen in von ihnen gewählten Komitees, die die Schutzmaßnahmen vollziehen und ihre Einhaltung überprüfen, organisieren – bis die Pandemie besiegt ist. Denn den Bossen zu vertrauen, kann böse enden.
20. März 2020
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