Verfolgt man die österreichische Innenpolitik, entsteht schnell einmal der Eindruck, dass dieses Land gar keine Regierung hat. Von Willy Hämmerle.
Insbesondere die ÖVP ist permanent damit beschäftigt, von ihren eigenen Korruptionsskandalen abzulenken. Aber auch wenn die Ministerien tatsächlich wenig Initiative zeigen, so stecken hinter jeder Maßnahme die Klasseninteressen des Kapitals.
Die einzigen greifbaren Impulse kommen derzeit aus dem Finanzministerium und zwar in Form der „ökosozialen Steuerreform“ und „Energiepaketen“. Beide Maßnahmen sind aus Sicht der Arbeiterklasse eine einzige Mogelpackung. Bei den Energiepaketen werden wieder einmal die Unternehmen subventioniert. Haushalte erhalten ein paar Zuschüsse (z.B. 150€ Energiegutschein), währenddessen, rechnet das Finanzministerium vor, können große Industrieunternehmen mit einer Entlastung von 3 Millionen rechnen.
Mehr Entlastung für die Haushalte sei schwierig zu machen, so Finanzminister Brunner, schließlich gehe es um „das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“ Wir erinnern: für die Corona-Hilfen (und Überförderungen), die großteils Unternehmen zugutekamen, wurden 42 Mrd. an Steuergeld lockergemacht, allein für die Aufrüstung des Bundesheers werden 10 weitere in den Raum gestellt. Nur wenn es um eine Entlastung der Arbeiterklasse geht, mahnen die Bürgerlichen zum sorgsamen Umgang mit den Staatsgeldern.
Für die Industriellenvereinigung ist dies natürlich immer noch zu wenig. Diese macht auch gegen die aus ihrer Sicht überzogenen Lohnforderungen der Gewerkschaften mobil und warnt angesichts der Inflation vor einer „Lohn-Preis-Spirale“ – zu hohe Löhne der Arbeiterklasse würden angeblich die Hauptschuld an den Preiserhöhungen tragen. Das ist eine glatte Lüge, im Gegenteil hat die Arbeiterklasse in den Pandemiejahren durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und niedrige Kollektivvertrags-Abschlüsse massiv an Einkommen eingebüßt, während die Profite der Kapitalisten nicht nur kompensiert, sondern um etwa 4,5 Mrd. erhöht wurden – und trotzdem steigen die Preise wie verrückt.
Nehammer und Brunner pflichten den Unternehmerverbänden bei und mahnen: „Mäßigung bei den Löhnen!“, „man muss kreative Lösungen finden, um Menschen zu entlasten!“. Kreativ heißt in diesem Fall: so, dass auf jeden Fall die Unternehmerprofite in Sicherheit bleiben. Aber irgendeine Art von Entlastung brauchts, sonst krachts, das verstehen sogar diese Leute. Es macht keinen Sinn mehr, sich auf die „ökosoziale“ Steuerreform herauszureden. Es ist (laut Agenda Austria) jetzt schon klar, dass das Netto-Mehr für Arbeitnehmer von der Inflation sofort wieder aufgefressen wird. Wenn dann also weitere Entlastungen nötig werden, dann laut bürgerlichen Kommentatoren auf folgendem Wege: Abschaffung der kalten Progression (d.h. eine automatische Anpassung der Steuersätze an die Inflation), Senkung der Lohnnebenkosten (insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge), Steuersenkungen, kurz: durch ein Defizit, das an anderer Stelle (und zu einer opportuneren Zeit) durch Sparprogramme im Sozialsystem wieder ausgeglichen werden wird.
Allerdings zieht sich, wenn man aus den Ministerien überhaupt etwas hört, ein Tenor durch die gesamte Regierungsbank: „man muss jeden Tag neu bewerten“, jetzt sei nicht die Zeit für „Grundsatzdebatten“. Oft genug hört man aber einfach gar nichts. Das Motto der Regierung lautet also: Reagieren und Aussitzen – d.h. insbesondere die Profite der Unternehmen sichern, ohne den sozialen Frieden zu sehr zu gefährden. Nur die Untätigkeit der Arbeiterorganisationen macht möglich, dass das für eine derart marode Regierung überhaupt eine Perspektive sein kann.
(Funke Nr. 203/22.4.2022)